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Vom Mitarbeiter zum Miteigentümer

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Noch immer ist die aktienorientierte Beteiligung von Mitarbeitern im Vergleich zur Vergütung von Top-Managern in Deutschland nur wenig verbreitet. Doch Unternehmen würden gut daran tun, ihre Mitarbeiter auch zu Miteigentümern zu machen. Das zeigen die Ergebnisse einer aktuellen Studie der Georg-August-Universität Göttingen.

 

Schon Werner von Siemens hatte die Vision, Mitarbeiter zu Miteigentümern am Unternehmen zu machen. Seine Vorstellung, das Engagement der Mitarbeiter durch Beteiligung am gemeinsamen Erfolg zu belohnen und gleichzeitig die Loyalität zum Unternehmen zu fördern, ist heute ein wichtiger Teil der Unternehmenskultur von Siemens. Wir sind überzeugt, dass es sich lohnt, Beteiligungsprogramme für Mitarbeiter anzubieten. Eine aktuelle Studie der Universität Göttingen hat diese Annahme nun auch wissenschaftlich belegt: Mitarbeiter, die zugleich Teilhaber ihres Unternehmens sind, engagieren sich langfristig stärker und sind motivierter im Job – so das Kernergebnis der Studie, welche die Wirkung der Mitarbeiterbeteiligung am Beispiel der Siemens AG untersuchte.

 

Anders als viele Studien, die nur den Einfluss aktienorientierter Vergütungssysteme auf die Performance der Managementebene betrachteten, nahm die Göttinger Studie alle Mitarbeiter innerhalb eines Unternehmens in den Fokus und untersuchte die komplexen Wirkungsmechanismen derartiger Programme. Die zentrale Frage lautete: Wie wirken Beteiligungsprogramme ganz konkret auf das Engagement der Mitarbeiter, die individuelle Mitarbeiterperformance und die Leistung einzelner Organisationseinheiten?

 

SMP als Basis der Analyse

 

Basis für die Analyse bildete der sogenannte Share Matching Plan (SMP), das globale Mitarbeiterbeteiligungsprogramm der Siemens AG, das 2008 eingeführt und inzwischen 340.000 Mitarbeitern in 60 Ländern offensteht. Durch die Teilnahme am SMP erhalten Mitarbeiter für je drei gekaufte Siemens-Aktien nach einer festgelegten Haltefrist eine weitere Aktie vom Unternehmen kostenlos dazu.

 

Die Forscher werteten gewaltige Datensätze aus: Insgesamt wurden anonymisierte Daten von rund 270.000 Mitarbeitern pro Jahr bzw. 9.600 Organisationseinheiten im Zeitraum zwischen 2009 bis 2013 konsolidiert und analysiert. Gemessen wurde etwa das Teilnahmeverhalten der Mitarbeiter an den Siemens-Aktienplänen und die sogenannte Engagement-Analyse, eine interne Befragung aller Siemens-Mitarbeiter bezüglich ihres Engagements im Unternehmen. Die organisationale Performance wurde mittels verschiedener unternehmensinterner Kennzahlen wie des Gewinns oder des Free Cashflow gemessen. Zahlreiche Kontrollvariablen, unterschiedliche Kennzahlen und ökonometrische Methoden stellten sicher, dass die empirischen Ergebnisse robust sind.

 

Die gewonnenen Erkenntnisse überraschten in ihrer Deutlichkeit. Für alle drei Forschungsfragen konnte ein positiver Zusammenhang nachgewiesen werden: So beeinflusst die Aktienbeteiligung von Mitarbeitern deren Engagement positiv. Konkret bedeutet das, dass mit zunehmendem Anteil von Aktienplanteilnehmern das durchschnittliche Engagement der Mitarbeiter innerhalb einer organisatorischen Einheit stieg. Die Ergebnisse bleiben auch robust, wenn landesspezifische, jahresspezifische und weitere Kontrollvariablen berücksichtigt werden. Ein ähnliches Bild ergab sich für die Leistung: Je mehr Mitarbeiter innerhalb einer organisatorischen Einheit an den Aktienplänen teilnahmen, desto stärker stiegen die durchschnittliche individuelle Leistung der Mitarbeiter und die Leistung der organisationalen Einheiten insgesamt.

 

Ergebnisanalyse

 

Doch was lässt sich aus den Ergebnissen konkret ableiten? Und lassen sich die Effekte der Mitarbeiterbeteiligung nur bei der Siemens AG beobachten, oder sind sie auch bei anderen vergleichbaren Unternehmen nachzuweisen? Angesichts der globalen Präsenz von Siemens und der Vielzahl von Produkten der einzelnen Industrien, der Mitarbeiterschaft oder auch der großen Anzahl von berücksichtigten Ländern stellte die Siemens AG ein ideales Untersuchungsobjekt dar. Aus rein wissenschaftlicher Sicht existieren keine konzeptionellen und empirischen Gründe, die Zweifel an der Generalisierbarkeit der Kernergebnisse der Studie entstehen lassen. Die bei der Siemens AG gefundenen positiven Wirkungen der Mitarbeiterbeteiligung sollten sich daher auch bei anderen Unternehmen einstellen.

 

Unternehmensintern sind Mitarbeiterbeteiligungsprogramme also ein durchaus geeignetes Instrument, um Arbeitnehmer zu motivieren, um ihre Produktivität zu steigern und umd damit die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen zu verbessern. Um derartige Beteiligungsprogramme für Mitarbeiter erfolgreich einzuführen, müssen jedoch die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen werden.

 

Intern spielt vor allem die richtige Kommunikation eine essenzielle Rolle. Denn nur, wenn Mitarbeiter die Möglichkeiten zur Beteiligung am Unternehmen und deren Vorteile kennen, können sie sich auch aktiv für eine Teilnahme an derartigen Programmen entscheiden. Im Sinne eines „Tone from the Top“ sollte daher vor allem das Management in seiner Vorbildfunktion an die Belegschaft appellieren und die Beteiligungskultur im Unternehmen auf kommunikativer Ebene aktiv fördern. Lokale, auf die individuellen Bedürfnisse und den jeweiligen Kenntnisstand der Mitarbeiter eines Landes zugeschnittene Kommunikationsstrategien sind besonders erfolgsversprechend. Mit seiner Strategie „Effective Communication of Equity“, bei dem lokale Kommunikationskonzepte unter dem globalen Schirm entwickelt werden, die auf die individuellen Bedürfnisse der Population des jeweiligen Landes zugeschnitten werden, hat Siemens es geschafft, das Bewusstsein für die Bedeutung der Mitarbeiterbeteiligung sowie die Teilnahmequoten an den Aktienplänen nachweisbar zu steigern. Aktuell sind mehr als 153.000 Siemens-Mitarbeiter auch Aktionäre ihrer Firma. Bis zum Jahr 2020 sollen es mehr als 200.000 werden.

 

Plandesign

 

Ein positiver unternehmensweiter Effekt der Mitarbeiterbeteiligung stellt sich vor allem dann ein, wenn das Plandesign so gestaltet ist, dass jedem Mitarbeiter im Unternehmen die Teilnahme ermöglicht wird, beispielsweise durch das Investment sehr kleiner Anlagebeträge für Mitarbeiter mit geringerem Einkommen. Siemens bietet seinen Mitarbeitern weltweit – vom Azubi über den Bandarbeiter bis hin zum Management – die Möglichkeit, Teilhaber des Unternehmens zu werden. Inzwischen können Siemens-Mitarbeiter im Rahmen von rund fünf nach Zielgruppen gestaffelten Aktienplänen Siemens-Aktien erwerben, zum Beispiel im Rahmen des globalen Share Matching Plans, oder durch die Incentivierung mit Siemens Stock Awards. Anstelle von Sonderzahlungen werden herausragende Leistungen der Mitarbeiter mit Anteilen am Unternehmen honoriert („CEO Special Allocation“). Bis zu viermal im Jahr entscheidet der Vorstand über Zuteilung einer CEO Special Allocation an einen ausgewählten Mitarbeiterkreis. Für die zugeteilten Stock Awards erhalten die Mitarbeiter dann nach Ablauf einer vierjährigen Sperrfrist Siemens-Aktien.

 

Flankierend zu den Aktienplänen wurden im Jahre 2009 die sogenannten Share Ownership Guidelines eingeführt. Danach haben sich die Mitglieder des Vorstands und die Top-500-Führungskräfte im Konzern freiwillig dazu verpflichtet, auf Dauer einen definierten Prozentsatz ihrer jährlichen Grundvergütung in Siemens-Aktien zu halten. Als eines der ersten Unternehmen weltweit hat Siemens zudem eine Gewinnbeteiligung in Form von Aktien implementiert, das sogenannte Siemens Profit Sharing (SPS). Das SPS bietet Mitarbeitern unterhalb des Senior Managements die Möglichkeit, von herausragenden Erfolgen des Unternehmens in Form von Aktien, die Siemens gratis ausgibt, zu profitieren. Hierzu wurde ein sogenannter Profit Sharing Pool eingerichtet, in den das Unternehmen jährlich, abhängig vom Erfolg, bis zu 400 Millionen Euro einzahlen kann. Ob und in welcher Höhe in den Pool eingezahlt wird und eine Ausschüttung erfolgt, entscheidet der Vorstand der Siemens AG in jedem Geschäftsjahr neu.

 

Bei den unternehmensübergreifenden Rahmenbedingungen gibt es noch Potenzial zur Verbesserung: In Deutschland fristet das Thema Mitarbeiterbeteiligung trotz der positiven Effekte noch immer ein Schattendasein. Nur wenige Unternehmen in Deutschland bieten ihren Mitarbeitern derzeit die Chance, Teilhaber ihrer Firma zu werden. Bis zu 360 Euro im Jahr dürfen Mitarbeitern in Deutschland im Zuge von Beteiligungsprogrammen steuer- und abgabenfrei zugutekommen. Zum Vergleich: In Österreich liegt dieser Freibetrag bei 3.000 Euro jährlich, in England bei 3.500 Euro und in Spanien gar bei 12.000 Euro. Unternehmensübergreifend sollte daher eine stärkere steuerliche Förderung, beispielsweise durch die Anhebung des Steuerfreibetrags, angestrebt werden. Das würde die Attraktivität der Mitarbeiterbeteiligung spürbar erhöhen.

 

Vor allem in Hinblick auf die Vermögensbildung der Mitarbeiter können Unternehmen durch das Angebot von Beteiligungsprogrammen ihrer gesellschaftlichen Verantwortung Rechnung tragen. Durch fehlende alternative attraktive Investmentmöglichkeiten ist ein Vermögensaufbau für Mitarbeiter ohne den Kapitalmarkt im aktuellen Zinsumfeld kaum möglich. Der Vergleich mit anderen Ländern zeigt, dass das Potenzial der Mitarbeiterbeteiligung in Deutschland noch nicht ausgeschöpft ist und dass es sich, basierend auf den Forschungsergebnissen, lohnt, in sie zu investieren.

 

Share Matching Plan

 

Mit der Einführung des Share Matching Plans (SMP) im Jahr 2008 eröffnete die Siemens AG mehr als 340.000 Mitarbeitern in 60 Ländern die Möglichkeit, Teilhaber ihrer Firma zu werden. Das Prinzip des SMP ist einfach: Für je drei Aktien, die ein Mitarbeiter im Rahmen des SMP gekauft hat, erhält er nach einer Haltefrist eine zusätzliche kostenfreie Matching-Aktie von Siemens. Das kommt an: Bereits 153.000 Mitarbeiter sind durch die Teilnahme am SMP Aktionäre von Siemens geworden, Tendenz steigend. Damit ist der SMP, verglichen mit anderen Firmen, eines der erfolgreichsten und größten Mitarbeiterbeteiligungsprogramme weltweit.

 

Dass im Rahmen des sogenannten Monatlichen Investment Plans (MIP) auch Beträge investiert werden können, die keine ganze Aktie ergeben, macht das Programm vor allem für Mitarbeiter mit vergleichsweise geringem Einkommen äußerst attraktiv. Beim MIP können Mitarbeiter über einen Zeitraum von einem Jahr einen festgelegten Betrag monatlich in Siemens-Aktien investieren. Fanach folgt eine zweijährige Haltefrist, an deren Ende die Teilnehmer kostenlose Aktien erhalten, sofern alle Planbedingungen erfüllt sind. Besonders erfreulich: Auch nach dem Ende der Haltefrist halten mehr als 80 Prozent der Teilnehmer ihre Aktien weiterhin und profitieren dadurch von Dividenden und Aktionärsrechten. Ein schöner Beweis für das Vertrauen der Mitarbeiter in den langfristigen Erfolg ihres Unternehmens.

 

 

 

Helmut Mannert

Abteilungsleiter Governance & Markets, Top Executives & Equity Compensation

Siemens AG

helmut.mannert@siemens.com

www.siemens.com

 

Marc Muntermann

Head of Global Share Programs

Siemens AG

marc.muntermann@siemens.com

www.siemens.com