Das Nachweisgesetz (NachwG)wurde im Jahr 1995 erlassen und seitdem zweimal angepasst. Die nun beschlossene umfangreiche Änderung soll die EU-Richtlinie 2019/1152 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union (Arbeitsbedingungenrichtlinie) von 2019 umsetzen. Neben vielen Änderungen im Bereich des allgemeinen Arbeitsrechts sind auch betriebliche Benefits, insbesondere die betriebliche Altersversorgung und Zeitwertkonten, betroffen.
Über den Umfang der Auswirkungen herrschen allerdings erhebliche Meinungsunterschiede. Angesichts der umfassenden Ausrichtung des NachweisG auf das gesamte Arbeitsverhältnis ist es in jedem Fall ratsam, die betrieblichen Benefits nicht separat zu betrachten, sondern nach Form und Inhalt in die allgemeine betriebliche Vorgehensweise zur Umsetzung des Gesetzes einzubetten.
Die rechtlichen Anforderungen unterscheiden nach Nachweispflichten zu Beginn des Arbeitsverhältnisses und solchen bei Änderung wesentlicher Rahmenbedingungen. Allen gemein ist die Einhaltung der strengen Schriftform (§ 126 Abs. 1 BGB), also das Erfordernis einer eigenhändigen Namensunterschrift des Ausstellers. Der Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen in elektronischer Form ist und bleibt ausgeschlossen.
Verschärft werden die gesetzlichen Anforderungen neben einer Erweiterung des Katalogs nachzuweisender Vertragsbedingungen zum einen durch eine teils massive Verkürzung der bisher geltenden Nachweisfristen. So ist die schriftliche Niederlegung der Angaben zu den Vertragsparteien zur Vergütung sowie zu den Arbeitszeiten den Arbeitnehmern bereits am ersten Tag der Arbeitsleistung auszuhändigen. Weitere Angaben sind bis zum siebten Kalendertag beziehungsweise bis zu einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses zu machen. Eine Änderung der wesentlichen Vertragsbedingungen während des laufenden Arbeitsverhältnisses ist dem Arbeitnehmer spätestens an dem Tag, an dem sie wirksam wird, schriftlich mitzuteilen. Daneben sind Verstöße (keine, nicht richtig, nicht vollständige oder nicht rechtzeitig vorgenommene Nachweise) aufgrund der gesetzlichen Anordnung bußgeldbewehrt und zwar im Einzelfall in einer Höhe von bis zu 2000 Euro.
Das neugefasste Nachweisgesetz gilt uneingeschränkt für ab dem 1. August 2022 begründete Arbeitsverhältnisse. Für Arbeitsverhältnisse, die vor dem 1. August 2022 bereits bestanden haben, besteht die Verpflichtung zum Nachweis wesentlicher Vertragsbedingungen nur auf Verlangen des Arbeitnehmers. Ob dies gleichermaßen für den Nachweis von Änderungen gilt, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen.
Nachweise bei Beginn des Arbeitsverhältnisses
Bei Beginn des Arbeitsverhältnisses sind schriftlich nachzuweisen: die Zusammensetzung, Höhe, Fälligkeit und Art der Auszahlung des Arbeitsentgelts sowie nach herrschender Meinung die betriebliche Altersversorgung, andere Sachleistungen und Benefitgestaltungen wie beispielsweise Zeitwertkontenmodelle. Für die betriebliche Altersversorgung gilt dies laut höchstrichterlicher Rechtsprechung (BAG, 13.11.2012 – 3 AZR 444/10) auch.
Neu ist die Verpflichtung, Name und Anschrift des Versorgungsträgers der bAV nachzuweisen. Wenn der externe Versorgungsträger selbst aufgrund gesetzlicher Regelungen zu einer entsprechenden Information verpflichtet ist, entbindet ihn das NachwG von dieser Pflicht, sodass letztlich die Änderung nur für die Unterstützungskassenzusagen gelten. Beachtenswert ist, dass für Pensionsfonds, Pensionskassen und Lebensversicherungsunternehmen auf Grundlage von § 2 Abs. 1 VAG-Informationspflichtenverordnung die elektronische Form oder Papierform ausreicht.
In welchem Detaillierungsgrad die betriebliche Altersversorgung nachzuweisen ist, hängt nicht zuletzt an der Rechtsgrundlage der Verträge.
- Bei Tarifverträgen, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen (§ 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 15 NachwG) reicht ein „in allgemeiner Form gehaltener Hinweis“ aus. Zudem ist auch der Nachweis von Änderungen innerhalb dieser Regelungen gemäß § 3 S. 2 NachwG verzichtbar.
- Ob eine entsprechende Privilegierung auch für andere Rechtsbegründungsakte wie kollektive (zum Beispiel Sprecherausschussvereinbarung) oder individualrechtliche mit kollektivem Bezug (zum Beispiel Gesamtzusage) gilt, ist derzeit offen und angesichts des Wortlauts von § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 15 NachwG eher zweifelhaft. Damit wären in diesen Fällen wesentliche Zusagedetails direkt im Arbeitsvertrag insbesondere nachzuweisen:
- der gewählte Durchführungsweg,
- Höhe und Fälligkeit von Versorgungsbeiträgen,
- abgesicherte Risiken (Alters, Invalidität, Tod),
- Leistungsberechnung, Leistungshöhen und Leistungsformen (Rente, Kapital) und
- die allgemeinen und besonderen Leistungsvoraussetzungen. Dieser Nachweis wäre zudem mangels gesetzlicher Privilegierung nicht dynamisch, er müsste also bei jeder Änderung der Zusage aktualisiert werden.
Nachweise bei Änderungen der Rahmenbedingungen
Um eine Änderung wesentlicher Rahmenbedingungen dürfte es sich jedenfalls immer dann handeln, wenn sich ein im Katalog des § 2 Abs. 1 S. 2 NachwG originär nachweispflichtiger Umstand ändert. Bei Entgeltumwandlung in der bAV, aber auch bei sonstigen Umwandlungen von Entgelt (zum Beispiel in ein Dienst-Bike) sowie bei Zeitwertkonteneinbringung ändern sich jedenfalls Zusammensetzung und Fälligkeit des Arbeitsentgelts, sodass grundsätzlich jeweils neue schriftliche Nachweise notwendig werden könnten. Dies entspricht allerdings nicht der Praxis beziehungsweise dem Digitalisierungsinteresse vieler Arbeitgeber.
Die Entgeltumwandlung stellt gerade keine (Lohn-)Verwendung dar, sondern strukturiert die Vergütung auf Brutto-ebene um, sodass sich hierdurch Zusammensetzung, Fälligkeit und Art der Auszahlung verändern. Möglicherweise kann bei vom Arbeitnehmer (digital oder schriftlich) initiierten Änderungen der wesentlichen Rahmenbedingungen mit dem Sinn und Zweck des Gesetzes argumentiert werden, dass hier kein weiterer Nachweis erforderlich ist. Weiß doch der Begünstigte üblicherweise, was er tut, und stößt es sogar selber an. Ob eine derartige Argumentation vor Gericht Bestand hätte, ist angesichts des klaren Gesetzeswortlauts zweifelhaft. Zudem war es dem Gesetzgeber sehr wichtig, dass der Arbeitnehmer grundsätzlich alle erforderlichen Unterlagen in schriftlicher Form zur Hand hat. Angesichts des eindeutigen Wortlauts des Gesetzes dürfte ferner auch eine „Nachweisumkehr“ durch Abläufe, in denen der Arbeitnehmer selbst die Änderungsanträge schriftlich unterzeichnet und an den Arbeitgeber schickt, nicht ausreichen.
Was gilt bei bAV und Entgeltumwandlung?
Fraglich ist ferner, wie belastbar das Schreiben des BMAS an die aba vom 7. Juli 2022 ist, welches sich in puncto Entgeltumwandlung wie folgt äußert:
„Das Nachweisgesetz verpflichtet den Arbeitgeber, seine Beschäftigten schriftlich über die vereinbarten wesentlichen Vertragsbedingungen zu informieren, dazu zählt auch ‚die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts‘. Der Arbeitgeber muss demnach über das Arbeitsentgelt informieren, nicht aber darüber, wofür das Arbeitsentgelt von den Beschäftigten im nächsten Schritt verwendet wird. Das Nachweisgesetz ist daher nach Auffassung des BMAS auf Betriebsrenten in der speziellen Form der Entgeltumwandlung nicht anwendbar.“
Bei diesen Ausführungen stellt sich die Frage, ob das Schreiben die Nachweispflichten bei Beginn oder die wesentlichen Änderungen während des Arbeitsverhältnisses vor Augen hatte. Der Hinweis auf die Zusammensetzung und Höhe des Arbeitsentgelts scheint auf § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 NachwG abzustellen. Entgeltumwandlungen werden aber typischerweise erst im Verlauf des Arbeitsverhältnisses vorgenommen. Unklar ist auch, warum das Schreiben von Verwendung des Arbeitsentgelts spricht: Die Entgeltumwandlung stellt nach herrschender Meinung eine Schuldänderung dar, die den Barlohnanspruch des Arbeitnehmers reduziert und durch einen Anspruch auf Versorgungslohn ersetzt. Sie stellt also gerade keine (Lohn-)Verwendung dar, sondern strukturiert die Vergütung auf Bruttoebene um, mit der weiteren Konsequenz, dass sich hierdurch gerade Zusammensetzung, Fälligkeit und Art der Auszahlung verändern.
Der pauschale Hinweis, dass Betriebsrenten nicht unter das Nachweisgesetz fallen, wirft daher auf den ersten Blick mehr Fragen auf, als er Antworten gibt. Gut vertretbar scheint den Autoren eine Argumentation, die bei einem einmal nachgewiesenen arbeitsvertraglichen Rahmen die „Umsetzung“ von der „Änderung“ dieser Rahmenumstände abgrenzt. Sowohl die einzelne Entgeltumwandlungserklärung als auch andere Umgestaltungen (zum Beispiel das Ausüben vorab eingeräumter Wahlrechte) führt nach dieser Betrachtung nicht zu einer Änderung der arbeitsvertraglichen Lage, sondern wendet die im Arbeitsvertrag eröffneten Möglichkeiten lediglich an.
Dies gilt jedenfalls für kollektive Rechtsbegründungsakte, möglicherweise auch für individualrechtliche Rechtsbegründungsakte mit kollektivem Bezug und denkbarerweise auch für die bloße Gesetzesanwendung (§ 1a BetrAVG).
Rechtliche Unsicherheiten bleiben
Wie hoch das tatsächliche Risiko ist, mit einem Bußgeld belegt zu werden, kann unseres Erachtens heute nicht wirklich beurteilt werden. So hängt es vermutlich auch an den personellen und fachlichen Kapazitäten der obersten Landesbehörden sowie etwaigen Erfolgsvorgaben. Erste Benchmarks ergeben ein uneinheitliches Bild: Komplett papierlos agierende Unternehmen scheinen aktuell noch keinen akuten Handlungsbedarf für eine Änderung ihrer Vorgehensweise identifiziert zu haben. In gleichem Maße sind Arbeitgeber, die überwiegend mit Papier arbeiten, eher zurückhaltend, sich auf kurze Sicht davon zu verabschieden.
Mit Blick auf die Arbeitnehmer ist festzuhalten, dass trotz medialer Aufmerksamkeit des Nachweisgesetzes ein Ansturm von Bestandsmitarbeitern auf die Personalabteilungen – mit dem Ziel, gesetzliche Nachweise nachzuholen – ausgeblieben ist. Aus unserer Sicht werden technische Lösungen der HR-Administration über Administrationsplattformen und -portale angesichts einer ständig steigenden Arbeitsbelastung der Personalabteilungen weiterhin gefragt sein. Bereits gelebte digitale Prozesse müssen nicht zurückgedreht werden. Ob Arbeitgeber daneben zusätzliche Papiervorgänge implementieren, die zum Beispiel über ein Onlineportal umgesetzte Vorgänge ausdrucken, unterzeichnen und dem Mitarbeitenden aushändigen, hängt nicht zuletzt an der individuellen Risikoeinschätzung und dem individuellen „Risikoappetit“ jedes Arbeitgebers. Dabei wird sich der Nachweis der bAV und weiterer Benefits − auch und vor allem in seinem finalen Detaillierungsgrad − in die allgemeine arbeitsrechtliche Nachweispraxis des Unternehmens einzufügen haben.
Judith May
Head of Legal & Tax Consulting
Mercer Deutschland GmbH
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Carsten Strube
Partner
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