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Die IVV 4.0 als Vorbild für alle Unternehmen?

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Mit der Neufassung der Vergütungsvorgaben im Bankenbereich hat die BaFin wesentliche europarechtliche Vorgaben (auch die der sogenannten CRD V-Richtlinie) in deutsches Recht umgesetzt. Die Neufassung der Institutsvergütungsverordnung (IVV 4.0) reiht sich vor diesem Hintergrund in die Entwicklung der letzten Jahre ein, die zu einer immer strikteren und ausdifferenzierteren Vergütungsregulierung für Marktteilnehmer im Finanzsektor geführt hat.

Die IVV 4.0 enthält mehrere Neuregelungen, die zahlreiche Institute betreffen und aus denen neue Anforderungen an die Ausgestaltung der Vergütungssysteme beziehungsweise Änderungs- und Umsetzungsbedarfe resultieren. Von besonderer Relevanz dürften dabei die Neuerungen sein, die wir nachfolgend darstellen möchten. Bei unserer Auswahl haben wir uns auf solche Neuregelungen fokussiert, bei denen davon auszugehen ist, dass sie auch für andere Unternehmen über den Bankenbereich hinaus von Interesse sein können.

Dies gilt nicht zuletzt vor dem Hintergrund der weiteren – auch auf gesetzlicher Ebene – Verzahnung zwischen ESG-Kriterien einerseits und Diversitätsaspekten andererseits mit der Unternehmens- und Vergütungskultur. Zielbild für alle Unternehmen sollte eine ESG-Vergütungs-Compliance sein, die die relevanten Diversitätsaspekte ausreichend berücksichtigt. Hier kann die IVV 4.0 mit ihren Vorgaben und Anforderungen als Vorbild oder Anregung dienen, wie sich auch Unternehmen, die keine Banken sind, gut aufstellen können.

Spezielle Anforderungen für sogenannte teilbedeutende Institute

Für Banken (hier: CRR (Capital Requirements Regulation)-Institute), die über eine Bilanzsumme zwischen fünf Milliarden und 15 Milliarden Euro verfügen, gelten unter bestimmten zusätzlichen Voraussetzungen künftig eine Vielzahl von Anforderungen für die variable Vergütung von sogenannten Risikoträgern.

Die betroffenen CRR-Institute müssen unter anderem erstmals auf Grundlage vorgegebener Kriterien die für sie relevanten Risikoträger ermitteln und das Vorgehen rechtssicher dokumentieren. Dazu zählt die Identifizierung der Mitarbeiter, die einen wesentlichen Einfluss auf das Risikoprofil der Bank haben respektive risikobegründende Tätigkeiten durchführen. Im Hinblick auf diese Mitarbeiter muss dann ein Vergütungssystem implementiert werden, das beispielsweise die Verpflichtung zum Abschluss von Zielvereinbarungen sowie eine Zurückbehaltung und ratierliche Auszahlung eines Teils der variablen Vergütung vorsieht. Ebenso sollte es die Implementierung einer Nachhaltigkeitskomponente sowie einer Clawback – beziehungsweise Rückzahlungssystematik enthalten. Da hier der Konzeptionierungs- und Umsetzungsaufwand aus unserer Erfahrung besonders hoch ist, empfehlen wir, sich frühzeitig intensiv mit der Thematik zu befassen und – nicht zuletzt aus Effizienz- und Aufwandsgründen – auf erfahrene Vergütungsrechtsexperten zu setzen.

Neue Vorgaben für die Ermittlung von Risikoträgern

Welche Personen gelten als Risikoträger? Hier haben sich Änderungen ergeben. Grundlage dafür sind zum Teil die IVV 4.0, aber auch Vorgaben im Kreditwesengesetz (KWG) sowie die einschlägigen europarechtlichen Bestimmungen. Besonders wichtig ist, dass künftig nicht nur bedeutende Institute, sondern zusätzlich auch alle CRR-Kreditinstitute (nicht bedeutende und teilbedeutende) eine Risikoträgeranalyse durchführen müssen. Dies ist neu und dürfte diejenigen Institute, die erstmals verpflichtet sind, eine Risikoträgerermittlung durchzuführen, auf Grund der Komplexität und der Erwartungshaltung der Aufsichtsbehörden, insbesondere im Hinblick auf die Aspekte Transparenz und Nachvollziehbarkeit, vor größere Herausforderungen stellen.

Zwar müssen diese Institute bei der Risikoträgeranalyse nach § 25a Abs. 5b S. 2 KWG nicht die komplexen und umfassenden Vorgaben der neuen europäischen Delegierten Verordnung (EU 2021/923) berücksichtigen. Jedoch sollten zur Interpretation und Ausfüllung der genannten Begriffe (beispielsweise zur Managementverantwortung) die relevanten Grundsätze der Delegiertenverordnung (EU 2021/923) herangezogen werden.  

Geschlechtsneutrale Ausgestaltung

Nach dem ausdrücklichen Wortlaut der IVV 4.0 sind Vergütungssysteme von Instituten künftig nur noch dann angemessen ausgestaltet, wenn sie geschlechtsneutral sind, sodass eine Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit ausgeschlossen ist. Damit greift die IVV 4.0 ein soziales Kriterium auf, dem auch nach dem Willen des europäischen Gesetzgebers ein besonders hohes Gewicht zukommen soll.

In der Umsetzung werden Institute wahrscheinlich vor Herausforderungen stehen, die sich aus der Berücksichtigung von unterschiedlichen Karriereverläufen von Männern und Frauen ergeben (zum Beispiel durch unterschiedlich lange Eltern- und Kinderbetreuungszeiten sowie Teilzeitarbeit). Die Arbeitgeber sind verpflichtet, diese Regelung ernst zu nehmen und an ihre häufig umfangreichen Bemühungen zur Umsetzung des Entgelttransparenzgesetzes anzuknüpfen, das bereits seit einigen Jahren in Kraft ist und inhaltlich ähnliche Anforderungen enthält.

Unter Heranziehung der neuen EBA-Guidelines (EBA/GL/2021/04) dürften sich für Institute mindestens folgende Umsetzungsbedarfe ergeben:

  • Durchführung von monetären Stellenbewertungen
  • Monitoring des potenziellen Vergütungsgefälles
  • Dokumentation im Hinblick auf sachliche Rechtfertigung in Bezug auf Entgeltungleichheit, gegebenenfalls kombiniert mit einem (Rechts-)Gutachten.
  • Noch nicht geregelt sind Vorgaben, die den Vergleich von Karrierewegen oder nach Geschlecht differenzierten durchschnittlichen Beförderungszeiten (zum Beispiel in Form eines Beförderungsbenchmarks) fordern. Dies könnte allerdings ein nächster logischer regulatorischer ESG-Schritt sein, um den Begriff der mittelbaren Benachteiligung greifbar zu machen und die Geschlechtergerechtigkeit zu fördern.

Dass dem Normgeber das Kriterium der geschlechtsneutralen Ausgestaltung von Vergütungssystemen besonders wichtig ist, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass eine entsprechende Bestimmung auch in die Regelung (§ 27 Abs. 1 IVV) zur Festlegung von gruppenweiten Vergütungsstrategien neu aufgenommen wurde.

Neu im Vergleich zum Konsultationsentwurf ist auch die Vorgabe, dass die (gruppenweite) Vergütungsstrategie Vergütungssysteme vorgeben muss, die auf eine nachhaltige Entwicklung der Gruppe ausgerichtet sind. Was unter Nachhaltigkeit zu verstehen ist (ob im klassischen Sinn der InstitutsVergV durch Implementierung einer Nachhaltigkeitskomponente und einer mehrjährigen Bemessungsgrundlage oder Nachhaltigkeit im ESG-Sinne), bleibt dabei völlig offen. Angesichts der sonstigen regulatorischen Entwicklung erwarten wir, dass der Gesetzgeber hier das Eingangstor für weitere Konkretisierungen der ESG-Anforderungen auch in der IVV geöffnet hat. Insoweit lohnt auch ein Blick in den aktuellen EBA Report (EBA Report on management and supervision of ESG risks for credit institutions and investment firms (EBA/REP/2021/18)), der Vorgaben an die Ausgestaltung von Vergütungssystemen unter ESG-Gesichtspunkten macht.

Einfluss der IVV 4.0 für Unternehmen außerhalb des Bankenbereichs?

Dass die Neuregelungen der IVV 4.0 für Banken entscheidende Änderungen mit sich bringen, dürfte unbestritten sein. Aber auch für alle anderen Unternehmen außerhalb des Bankenbereichs dürften die Neuregelungen zumindest eine Anregung geben, in welche Richtung sich Vergütungssysteme entwickeln sollten, um sich einer ESG- und Gender-Vergütungs-Compliance zu nähern. Dabei dürften folgende Aspekte relevant sein: 

Durchführung einer Risikoanalyse zur Ermittlung derjenigen Personen, die relevanten Einfluss auf ESG-Risiken haben: Das Ziel sollte sein, das Vergütungssystem dieser Gruppe so auszugestalten, dass die ESG-Kriterien angemessen abgebildet und unter anderem das Eingehen von Risiken und Greenwashing unterbunden werden. Dies kann zum Beispiel durch entsprechende Zielvereinbarungen und eine Zurückbehaltung sowie ratierliche Auszahlung eines Teils der variablen Vergütung geschehen. Auch die Implementierung einer Nachhaltigkeitskomponente und einer Clawback- beziehungsweise Rückzahlungssystematik sind denkbar.
Durchführung einer Gender-Gap-Analyse: Sie dient zur Evaluierung des aktuellen Status-quo und zur Identifizierung von (potenziellen) Handlungsmaßnahmen sowie der monetären Stellenbewertungen und des Monitorings eines potenziellen Vergütungsgefälles (zukünftig möglicherweise mit Beförderungsbenchmarks).
Implementierung einer Diversitätsrichtlinie.

Dr. Alexander Insam
Partner, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Mediator
GSK STOCKMANN Rechtsanwälte Steuerberater Partnerschaftsgesellschaft
alexander.insam(*)gsk(.)de
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Dr. Martin Hörtz
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht
GSK STOCKMANN Rechtsanwälte Steuerberater Partnerschaftsgesellschaft
martin.hoertz(*)gsk(.)de
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Dr. Björn Christ
Rechtsanwalt
GSK STOCKMANN Rechtsanwälte Steuerberater Partnerschaftsgesellschaft
bjoern.christ(*)gsk(.)de
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