In vielen Unternehmen gehört es längst zum Standardprozess: Ein Mitarbeitender kündigt, ein Exit-Gespräch findet statt – und endet meist mit einem freundlichen Dank für die Zusammenarbeit. Was bleibt, ist ein Protokoll, in dem persönliche Eindrücke, lose Zitate oder vage Kategorien abgelegt werden. Doch selten fließen diese Informationen systematisch in eine übergreifende Analyse ein. Das Ergebnis: Unternehmen wissen sehr genau, wer geht – aber die wenigsten, warum.
Fluktuationsdaten werden in vielen Unternehmen daher immer noch klassisch als reine Ratio ausgewiesen – 6 Prozent, 8 Prozent, 12 Prozent –, und sofort steht unausgesprochen die Frage im Raum: Ist das gut oder schlecht? Diese Betrachtung ist nicht nur verkürzt, sie verfehlt den Kern des Themas.
Versäumnis mit weitreichenden Folgen
Gerade in Zeiten hoher Fluktuation, verschärften Fachkräftemangels und wachsender Erwartungen an Arbeitgeberattraktivität ist das ein Versäumnis mit weitreichenden Folgen. Denn in den Gründen für einen Austritt liegen oft wertvolle Hinweise auf strukturelle Schwächen im Unternehmen – und ungenutzte Chancen für strategische Weiterentwicklung.
Mit beyobie haben mein Team und ich schon zahlreiche Datenstrukturen neu aufgesetzt und Interviews systematisiert. Die wichtigsten Erkenntnisse daraus möchte ich mit Ihnen teilen – damit Sie Exit-Daten nicht nur erheben, sondern auch sinnvoll auswerten und daraus echte Handlungsimpulse ableiten können.
Von Einzelfall zu Erkenntnis
Ein strukturiertes Exit-Gespräch ist kein formaler Akt, sondern ein strategisches Werkzeug. Es beginnt mit einem klar definierten Erfassungsraster: Statt freier Textnotizen sollten drei bis fünf konkret benennbare Exit-Gründe systematisch dokumentiert werden. Idealerweise entlang ihrer unternehmensspezifischen Typologie. Kategorien wie Führung, Teamdynamik, Kultur, Work-Life-Balance oder Entwicklungsperspektiven bieten die Möglichkeit, übergreifende Muster zu erkennen und wiederkehrende Themen zu quantifizieren.
Erkenntnis durch Spiegelung
Besonders aufschlussreich wird es, wenn wir Eintritts- und Austrittsgründe systematisch gegenüberstellen. Denn was Mitarbeitende ins Unternehmen bringt, ist selten dasselbe, was sie hält. Eine solche „Mirror-Analyse“ deckt Diskrepanzen auf zwischen Employer Brand und gelebter Realität – und liefert damit eine der wertvollsten Rückspiegelungen für eine wirksame Personalstrategie.
Was wir messen, können wir verändern
People Analytics lebt nicht von der reinen Datensammlung, sondern vom intelligenten Umgang mit strukturiertem Wissen. Wer Exit-Daten konsequent erhebt und analysiert, verschiebt das Exit-Gespräch vom Ritual zur strategischen Feedbackquelle. So entsteht nicht nur ein klareres Bild über Gründe für Fluktuation – sondern eine fundierte Grundlage für Maßnahmen, die messbar werden und somit wirklich auf die Unternehmensziele einspielen.
Die Herausforderung ist mittlerweile nicht mehr technischer, sondern kultureller Natur: Es braucht den Mut, Routinen zu hinterfragen und Gespräche nicht nur höflich, sondern ehrlich und systematisch zu führen – immer mit der Absicht, daraus zu lernen.
Oder anders gesagt: Wer heute besser verstehen will, wie man Menschen gewinnt und hält, darf den Moment des Abschieds nicht länger ungenutzt verstreichen lassen.
