Montagmorgen, 8:17 Uhr. Die Kaffeemaschine brummt, das E-Mail-Postfach füllt sich. Und dann das: eine neue Bewertung auf Kununu. Zwei von fünf Sternen und die Überschrift: „Viel Luft nach oben, Führung ausbaufähig“. Für viele HR-Teams ist das der Moment, in dem der Puls steigt. Bewertungsportale wie Kununu oder Glassdoor sind längst die Gatekeeper der Talentgewinnung. Über die Hälfte der Bewerbenden lehnt ein Angebot ab, wenn das Gesamtbild auf den Portalen negativ ist.
Laut einer Umfrage des Trendence Instituts aus dem Jahr 2022 bewirbt sich mehr als jede vierte Person nach dem Lesen negativer Bewertungen nie wieder bei dem jeweiligen Unternehmen. Weiterhin verzichten diese Kandidaten auf eine Bewerbung bei Unternehmen mit einem Score von unter 2,5 Sternen. Sagenhafte 83 Prozent der Kandidaten prüfen jedoch nicht nur die Sterne, sondern lesen die Antworten der Arbeitgeber.
Sie sehen also, ob und wie Unternehmen auf Kritik reagieren. Diese Risiken sollten Arbeitgeber im Wettbewerb um Talente keinesfalls unterschätzen. Wer hier stumm bleibt oder ausschließlich formelhafte Standardantworten liefert, überlässt sein Arbeitgeberimage dem Zufall. Die gute Nachricht: Laut aktuellen Zahlen sind immerhin drei Viertel der User bei Kununu bereit, ihre Meinung zu ändern, wenn Arbeitgeber plausibel auf Kritik reagieren.
Goldene Regeln für den Umgang mit Bewertungen
Wer als Arbeitgeber souverän auf Bewertungen reagieren möchte, sollte einige zentrale Grundregeln beachten. Hier sind die wichtigsten, kompakt zusammengefasst:
Geschwindigkeit: Schnelle Reaktion signalisiert Wertschätzung und Professionalität. Idealerweise antworten Unternehmen innerhalb von zwei Tagen auf neue Bewertungen. Wer zu lange wartet, riskiert damit, Desinteresse zu vermitteln.
Ton: Die Antwort sollte sachlich, wertschätzend und individuell sein. Statt sich reflexartig zu rechtfertigen oder auf interne Prozesse zu verweisen, ist eine ehrliche, empathische und lösungsorientierte Antwort gefragt. Wer sich für das Feedback bedankt, Verständnis zeigt und konkrete Schritte zur Verbesserung erläutert, signalisiert Dialogbereitschaft und nimmt Kritik ernst. Das wirkt authentischer als formelhafte Standardantworten.
Transparenz: Wiederkehrende Themen – etwa Führung oder Gehalt – sollten nicht nur öffentlich adressiert werden, sondern auch intern zu Verbesserungsprozessen führen. Wer zeigt, dass Kritik Veränderungen anstößt, gewinnt Vertrauen. Das gilt für bestehende wie potenzielle Mitarbeitende gleichermaßen.
Pro-Tipp: Auch die Reaktion auf positive Bewertungen lohnt sich. Das zeigt Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitenden. Nach außen macht dies zusätzlich sichtbar, dass das Unternehmen Feedback ernst nimmt und sich über Engagement freut. Das stärkt die Bindung und motiviert andere, ebenfalls ihre Erfahrungen zu teilen.
Wenn’s rumpelt: Reaktion statt Rechtsweg
Natürlich gibt es Bewertungen, die unter die Gürtellinie gehen oder schlicht unfair sind. Löschen (lassen) ist jedoch selten sinnvoll. Die großen Portale entfernen Bewertungen nur, wenn sie gegen die Community-Richtlinien verstoßen. Wird ein Versuch zur Manipulation von Bewertungen – wie beim britischen Händler B&M European Value Retail – aufgedeckt, reagieren die Plattformen in sehr seltenen Fällen mit auffälligen Warnhinweisen direkt auf dem Arbeitgeberprofil. Arbeitgeber sollten jedenfalls davon ausgehen, dass sowohl die Plattformen als auch deren User die Bewertungen genau beobachten und in Verdachtsfällen empfindlich reagieren. Das negative Social-Media-Echo wiegt dann oft schwerer als die ursprüngliche Kritik.
Dann schauen Sie doch einmal in unser Dossier zum Thema. Dort stellen wir für Sie kontinuierlich Studien, Deep-Dives und Best Cases zusammen. Denn als wie attraktiv ein Unternehmen wahrgenommen wird, hängt maßgeblich von der Employer Brand ab. Erfahren Sie, wie Sie nach außen und innen zeigen, was Ihre Unternehmenskultur und Karrieremöglichkeiten einzigartig macht.
Und auch bei Kununu gilt: „Reaktion statt Rechtsweg“. Arbeitgeberprofile, die systematisch gegen die Richtlinien verstoßen, bekommen von der Plattform einen Warnhinweis im Arbeitgeberprofil.
Messbarkeit: Von Benachrichtigungen bis KI-Analyse
Um den Überblick über die Bewertungen zu behalten, bieten die meisten Plattformen meist eine Benachrichtigungsfunktion für neue Bewertungen an. Diese kann von Arbeitgebern aktiviert werden, sodass sie zeitnah per E-Mail informiert werden, sobald eine neue Bewertung eingeht. So ist es möglich, schnell und gezielt zu reagieren und keine Rückmeldung zu verpassen.
Entscheidend für den Erfolg ist der Blick auf die richtigen Kennzahlen. Eine hohe Antwortrate (bestenfalls 80 Prozent und mehr) und eine zeitnahe Reaktion – idealerweise innerhalb von zwei Tagen – gelten als gute Orientierungswerte, um Dialogbereitschaft zu signalisieren. Die tatsächlichen Zielwerte sollten sich an der Unternehmensgröße und am Feedbackvolumen orientieren.
Weiterhin gewinnen Sentiment-Analysen zunehmend an Bedeutung. Mithilfe von Künstlicher Intelligenz und Natural Language Processing (NLP) werden große Mengen an Bewertungen automatisch ausgewertet, um die Stimmungslage – positiv, neutral oder negativ – zu erkennen und Trends sichtbar zu machen.
So lassen sich wiederkehrende Themen wie „Führung“, „Work-Life-Balance“ oder „Vergütung“ systematisch erfassen und priorisieren. Moderne Tools analysieren nicht nur einzelne Schlagwörter, sondern erkennen auch emotionale Nuancen und Veränderungen im Zeitverlauf. Das ermöglicht es HR und Führungskräften, frühzeitig auf Stimmungsumschwünge zu reagieren und gezielt Verbesserungsmaßnahmen einzuleiten.
Fazit: Dialog statt Schweigen
Arbeitgeberbewertungsportale sind keine neutralen Schiedsrichter, sondern offene Bühnen für den aktiven Dialog zwischen Unternehmen und Talenten. Wer Kritik professionell beantwortet, sendet eine starke kulturelle Botschaft und spart gleichzeitig Recruiting-Budget. Denn jeder zusätzliche Stern senkt die Cost-per-Hire messbar. 2025 gilt: Reaktionskompetenz ist das neue Employer-Branding-Asset. Wer heute zuhört und antwortet, gewinnt morgen die Talente – und bleibt im Bewertungsregen souverän.
