Round Table: Wie die Zeitarbeit Wege aus der Krise sucht
Politische Unsicherheit und die schlechte gesamtwirtschaftliche Lage haben zuletzt auch die Zeitarbeitsbranche belastet. KI, Rüstung und Drittstaatler sorgen aber für eine Stimmungsverbesserung. Woher das kommt und was aktuell noch bremst.
Noch vor einem Jahr herrschte vorsichtig positive Stimmung in der Zeitarbeitsbranche. Klar, auch 2024 war Deutschland bereits in der Rezession. Aber der damalige Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte den Personalvermittlern immerhin versprochen, das Verbot der Anwerbung von Drittstaatlern zu kippen – ein Herzensanliegen der Branche. Der Eindruck nach dem Round Table 2024: Es geht aufwärts.
Ein Jahr später ist von dieser guten Stimmung nichts mehr übrig. Lindner ist längst nicht mehr Finanzminister, das Drittstaatlerverbot ist immer noch in Kraft und die schlechte Lage der deutschen Wirtschaft, die nun im dritten Rezessionsjahr steckt, belastet die Zeitarbeitsbranche sehr. So trafen sich die Branchenvertreter also unter denkbar schlechten Vorzeichen in Frankfurt zum Round Table der Personalwirtschaft, um die Lage der Branche zu beleuchten.
Rettungsanker Festanstellungen
„Wir wissen alle, dass der Zeitarbeitsmarkt seit langem angespannt ist“, sagte Kathrin Schmitz, Geschäftsführerin bei Page Personnel Deutschland. Unternehmen wie das ihre, das neben Zeitarbeitnehmern auch Festangestellte vermittelt, konnten die schlechten Zeiten immerhin ein wenig ausgleichen, denn der Markt blieb stabil. Ein Eindruck, den auch Christoph Kahlenberg, Manager der Randstad Akademie bei Randstad Deutschland, bestätigte: „Das Geschäft mit der direkten Personalvermittlung hat uns sehr geholfen in letzter Zeit.“ Allerdings kühlt auch das Geschäft mit Dauerbesetzungen aktuell ab, wie mehrere der Teilnehmer und Teilnehmerinnen bestätigen.
Große Sorge macht auch die Krise der deutschen Vorzeigebranche, der Automobilindustrie. „Gerade unsere Standorte im Süden, wo vor allem die Autobranche sitzt, leiden unter deren Absatzschwäche“, sagte Kathrin Schmitz. Personalberater mit einem Fokus auf diesen Bereich hätten aktuell Probleme. „Da machen wir etwa die Hälfte unserer Umsatzerlöse“, berichtete etwa Markus Humpert, Geschäftsführer von Avitea (Eigenschreibweise avitea): „Das ist kein Spaß, da leiden wir ziemlich.“
Das Wichtigste in Kürze
- Die Stimmung in der Zeitarbeitsbranche ist stark eingetrübt – Gründe sind anhaltende Rezession, das weiterhin geltende Drittstaatenverbot und politische Unsicherheit.
- Festanstellungen stützen das Geschäft teils noch, doch auch hier nimmt die Nachfrage ab – besonders stark betroffen: die Automobilindustrie.
- Zeitarbeitskräfte verdienen in einigen Bereichen inzwischen mehr als Stammbeschäftigte – trotzdem bleiben Kundenbeziehungen unzuverlässig.
- KI wird als Hoffnungsträger gehandelt, doch der Einsatz scheitert teils an regulatorischen Hürden und fehlender Akzeptanz bei Kunden.
- Neutral Vendors verschlechtern oft die direkte Beziehung zwischen Zeitarbeitsfirmen und Kunden – mangelnde Fachkenntnis bei den Vendors sorgt für zusätzliche Probleme.
- Trotz politischer Investitionspläne fehlt der Branche Vertrauen in eine schnelle Erholung – sie sieht sich aber weiter als wichtigen Teil der Arbeitsmarktstabilisierung.
„Gerade unsere Standorte im Süden, wo vor allem die Autobranche sitzt, leiden unter deren Absatzschwäche.“
Kathrin Schmitz, Geschäftsführerin bei Page Personnel Deutschland
Einige Teilnehmer hatten dem düsteren Bild aber immerhin ein paar aufhellende Punkte hinzuzufügen. Auch Ingrid Hofmann, Geschäftsführerin bei I. K. Hofmann, sieht zwar die Probleme bei Automotive. Aber andernorts gebe es einen leichten Aufschwung. „Bei unserer Gesellschaft in Österreich sehen wir etwa, dass die Nachfrage seit Jahresbeginn wieder langsam anzieht.“ Auch im IT-Bereich sahen Teilnehmer dank des aktuellen KI-Booms einen positiven Trend. Dort profitiert auch und vor allem das Geschäft mit Festanstellungen.
Kunden bleiben unzuverlässig
Grundsätzlich sei das Interesse bei vielen Mitarbeitenden aber gar nicht mehr so groß, aus der Zeitarbeit in die Festanstellung zu wechseln. „Gerade in der Automobilbranche sagen die Kandidaten manchmal ganz offen, dass sie darauf keinen Bock haben“, sagte Markus Humpert. Auch Kahlenberg von Randstad hat den Eindruck, dass ein Engagement bei einem Personaldienstleister für viele mittlerweile mehr ist als eine reine Übergangslösung: „Wenn sie erstmal mehrere Jahre bei uns beschäftigt sind, sagen viele, dass sie wissen, was sie an uns haben.“ Das sei in unsicheren Zeiten viel wert. Außerdem sei auch die Lücke bei der Bezahlung zwischen Stammbeschäftigten und denen, die als Zeitarbeitskraft beschäftigt sind, längst nicht mehr so groß. Ganz im Gegenteil. Gerade im Bereich der Hilfskräfte verdienen Zeitarbeitsbeschäftigte häufig auch schon mehr als Mitarbeitende des Kundenbetriebs.
Zu guter Letzt klagten Zeitarbeitsfirmen auch, wie schon in der Vergangenheit, über sprunghafte Kunden, die gestellte Anfragen zurückziehen oder plötzlich Geschäftsbedingungen ändern. „Da kommt heute ein Anruf, dass 50 neue Mitarbeitende gebraucht werden, und drei Tage später gilt das plötzlich nicht mehr“, sagte Terry Cade, Managing Director bei Manpower. „Wer die Nachrichten liest, kann das auch verstehen, aber unsere Arbeit macht das natürlich nicht leichter.“ Letztendlich sei man das letzte Glied in der Kette, die Kunden würden nur die Unsicherheit weiterreichen, unter der sie selbst leiden, meinte auch Ingrid Hofmann.
Info zum Round Table Für ausgewählte aktuelle Themen lädt die Personalwirtschaft Expertinnen und Experten zu einem Round Table ein, um mit ihnen über Trends und aktuelle Entwicklungen zu diskutieren. Die Expertenrunde wurde von Gesine Wagner, Redakteurin, und Erwin Stickling, Herausgeber der Personalwirtschaft, moderiert.
Berichte zu unseren Round Tables finden Sie auf unserer Übersichtsseite.
„Da kommt heute ein Anruf, dass 50 neue Mitarbeitende gebraucht werden, und drei Tage später gilt das plötzlich nicht mehr.“
Terry Cade, Managing Director, ManpowerGroup Deutschland
Grundsätzlich sei gerade die unsichere Lage aber das, wofür die Zeitarbeitsbranche ausgelegt sei, sagte Randstad-Manager Kahlenberg: „Keine Branche kann so gut Krise wie wir.“ Wobei die aktuelle schon eine besondere Qualität habe: „Selbst eine eigentlich sichere Bank wie die Gesundheitsbranche hat unter anderem wegen des hohen Kostendrucks Schwierigkeiten.“
Suche nach Wachstumsfeldern
Die schwierige Lage zeigt sich auch angesichts der Beschäftigtenzahlen im Zeitarbeitssektor. Waren es vor wenigen Jahren noch fast eine Million Menschen, die dort ihr Geld verdienten, sind es aktuell etwa 550.000, Tendenz zuletzt leicht sinkend. Da stellt sich die Frage: Verschwindet die Zeitarbeit schleichend? Manuel Fink, Geschäftsführer bei Proserv (Eigenschreibweise ProServ) und Director Adecco Medical (beide Teil der Adecco Group Germany), glaubt nicht daran: „Die aktuelle wirtschaftliche Unsicherheit und der demografische Wandel machen flexible Arbeitsmodelle wichtiger denn je. Genau hier leisten wir als Zeitarbeit einen verlässlichen Beitrag. Unsere Relevanz am Arbeitsmarkt wird auch in den kommenden Jahren bestehen bleiben.“
Hoffnung machte zuletzt der Boom in der Rüstungsbranche. Der Gesamtverband der Personaldienstleister (GVP) erhofft sich hier eine fünfstellige Zahl an neuen Zeitarbeitsstellen. Eine Zahl, der die Round-Table-Teilnehmer eher skeptisch begegneten. „Der Boom dort ist nicht eins zu eins auf uns übertragbar“, schränkte etwa Christoph Kahlenberg ein. Allein schon aufgrund der oft notwendigen Sicherheitsfreigaben bei sensiblen Rüstungsprojekten sei es gar nicht so leicht, temporäre Arbeiter und Arbeiterinnen dort unterzubringen.
Also kein großes Wachstum in dieser auf Facharbeiter fokussierten Branche. Was aber ist mit den gering- und unqualifizierten Arbeitskräften? Dort gibt es aktuell viel Diskussionsbedarf. Die Tarifgemeinschaft Leiharbeit des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) fordert, den Mindestlohn in dem Bereich deutlich zu erhöhen. „Wir müssen klar sagen, dass es hier mit dem DGB einen Player gibt, der gegen uns arbeitet“, stellt etwa Andreas Brohm, Geschäftsführender Gesellschafter bei Iperdi (Eigenschreibweise iperdi), heraus. Gerade für seine Firma, die etwa 70 Prozent ihres Umsatzes in der Arbeit mit unqualifizierten Arbeitskräften mache, sei die DGB-Forderung ein Problem.
Tipps der Round-Table-Teilnehmenden
Andreas Brohm:
Die Newsseite personalorder.de berichtet regelmäßig über aktuelle Entwicklungen und ermöglicht gute Brancheneinblicke.
Terry Cade:
Die Zusammenarbeit mit unserem Branchenverband (GVP) – ich appelliere an alle Leserinnen und Leser: Engagieren Sie sich und gestalten Sie mit.
Ingrid Hofmann:
Der Podcast „Liebe Zeitarbeit“ von unserem Kollegen Daniel Müller. Er spricht mit interessanten Gästen über die täglichen Themen unserer Arbeit, stellt aber auch Persönlichkeiten unserer Branche mit ihren Lebenswegen vor.
Markus Humpert:
Der Podcast „Liebe Zeitarbeit“ von Daniel Müller. Er greift branchenspezifische Themen aktuell und praxisnah auf – dabei ist er angenehm und entspannt zu hören.
Kathrin Schmitz:
Haben Sie stets ein wachsames Auge auf politische Entwicklungen rund um die Zeitarbeit in Deutschland. Sie können den Markt nachhaltig verändern und neue Chancen eröffnen.
Marc Schach:
Der Podcast „HRM-Hacks“ – ein Muss für alle, die in der Zeitarbeit praktische Impulse und frische Ideen suchen. Und falls die Zeit knapp ist: Einfach das Transkript per KI generieren lassen und die wichtigsten Punkte nachlesen.
Christoph Kahlenberg:
Die aktuelle Studie des Instituts für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW): „Analysen zum Pay Gap in der Zeitarbeit“
„Wir müssen klar sagen, dass es hier mit dem DGB einen Player gibt, der gegen uns arbeitet.“
Andreas Brohm, Geschäftsführender Gesellschafter, Iperdi
Auch die in der Politik diskutierte Forderung, den allgemeinen Mindestlohn auf 15 Euro zu erhöhen – oder sogar noch darüber hinaus – sorgt bei den Round-Table-Teilnehmern für Stirnrunzeln. „Für diese Entscheidung ist schließlich die Mindestlohnkommission da“, sagte Ingrid Hofmann von I.K. Hofmann, die auch Vizepräsidentin des GVP ist. Ein zu hoher Mindestlohn sei längst nicht nur für die Zeitarbeit ein Problem. Unter anderem der Arbeitgeberverband Gesamtmetall stünde da Seite an Seite mit dem GVP, so Hofmann: „Wenn die Produktionshelfer am Ende so viel verdienen wie die Facharbeiter, ist das eine gesellschaftliche Verschiebung, die für Unruhe sorgt.“
Gegenspieler der Zeitarbeit
Die Gewerkschaften würden aktiv versuchen, der Zeitarbeit entgegenzuwirken, sagte Andreas Brohm. „Wir hatten in der Spitze 1,1 Millionen Beschäftigte in der Branche“, erinnerte er sich. Doch dann kamen Beschränkungen wie Höchstüberlassungsvorgaben und das Sektoralverbot für die Fleischwirtschaft. Auch die neue Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) sei noch keine Freundin der Branche. „So kann ich mir nicht vorstellen, dass wir irgendwann wieder über 700.000 Zeitarbeitskräfte kommen“, sagte Brohm.
Markus Humpert von Avitea betonte die positive Rolle, die die Zeitarbeitsbranche einnehmen könnte, wenn man sie denn lasse: „Wir könnten die Brücke bilden, die Brücke für den Aufschwung und für ausländische Fachkräfte in den deutschen Arbeitsmarkt.“ Auch bei vergangenen Krisen, etwa 2008/2009, hätten Unternehmen viel auf Zeitarbeit gesetzt. Das sei mittlerweile gar nicht mehr möglich: „Anstatt unser Potenzial zu nutzen, wirft man uns Knüppel zwischen die Beine.“
Im Hinblick auf die Tarifverhandlungen zwischen GVP und DGB hoffen alle Beteiligten, dass sich nach den hitzigen Debatten rund um die Bundestagswahl und die Koalitionsverhandlungen bald wieder Sachlichkeit durchsetzt. „Ein Inflationsausgleich ist ja sinnvoll, aber Erhöhungen von 18 Prozent können wir nicht verkraften“, sagte Hofmann. Sie erwartet lange Verhandlungen, auch weil aufseiten des DGB so viele Einzelgewerkschaften beteiligt seien.
„Ein Inflationsausgleich ist ja sinnvoll, aber Erhöhungen von 18 Prozent können wir nicht verkraften.“
Ingrid Hofmann, Geschäftsführerin, I. K. Hofmann
Die Suche nach Kostenreduktion
Klar ist, dass ein höherer Mindestlohn auch die Preise der Zeitarbeit erhöhen wird – mal wieder. Zuletzt waren es vor allem die steigenden Lohnnebenkosten, die den Firmen zu schaffen machten. „Wir mussten das schon zwei- bis dreimal im Jahr an unsere Kunden weitergeben“, sagte Manuel Fink von Adecco.
Terry Cade von Manpower merkte an, dass die Kunden hart um jede Einsparung kämpfen: „Wir sehen, dass es viele Mitbewerber im Markt gibt, die gegeneinander ausgespielt werden.“ Das sei prinzipiell auch das gute Recht der Kunden, aber es drücke die Marge immer weiter. „Langfristig müssen wir uns dann bei einzelnen Bereichen fragen, ob wir die noch profitabel bespielen können oder ob wir uns zurückziehen müssen.“ Ein Eindruck, den auch Manuel Fink hat: „Die Verteilungskämpfe werden immer intensiver, was viele Marktteilnehmer vor große Herausforderungen stellt.“
„Die Verteilungskämpfe werden immer intensiver, was viele Marktteilnehmer vor große Herausforderungen stellt.“
Manuel Fink, Geschäftsführer, Proserv und Adecco Medical
Marc Schach, CEO und Mitgründer von Talent360, sieht hier vor allem kleinere Vermittler unter Druck: „Die haben keinerlei Preissetzungsmöglichkeiten.“ Er beobachtet, dass Unternehmen deswegen bei der Suche nach Einsparmöglichkeiten kreativ werden. „Auch außerhalb der Lohnkosten gibt es da gute und wirksame Hebel“, sagte Schach.
Hoffnungsträger Künstliche Intelligenz
Ein besonders starker Hebel könnte der vermehrte Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) sein. Ingrid Hofmann konnte von ersten Projekten berichten, vor allem in den Vereinigten Staaten. „Wir haben dort eine KI entwickelt, die rund um die Uhr Bewerbungsgespräche führen kann und innerhalb von fünf Minuten nach Eingang der Bewerbung antwortet“, berichtete sie. Die durch die Technologie ausgewählten Mitarbeitenden würden sogar länger beim Auftraggeber verweilen als diejenigen, die durch Menschen ausgewählt werden. „Es ergibt ja auch Sinn: Die KI wird nicht müde und redet sich nicht beim x-ten Bewerber ein, dass es schon passt, um das Verfahren zum Abschluss zu bringen“, sagte Hofmann. Die Mitarbeitenden der Personalabteilung würden durch die KI-Vorauswahl auch entlastet, da zu ihnen nur noch die Bewerber und Bewerberinnen vordrängen, die tatsächlich geeignet sind.
Auch Page Personnel setzt seit einiger Zeit auf KI. „Unsere Personalberater setzen KI bei wiederkehrenden administrativen Aufgaben ein“, sagte Kathrin Schmitz. Jüngst habe man erstmals KI in der externen Kommunikation mit Bewerbern eingesetzt. „Langfristig wollen wir auch alle Prozesse nach dem Placement mithilfe von KI abbilden“, sagte sie: „Jetzt bin ich vor allem gespannt, wie unsere Projektmitarbeiter das annehmen, denn idealerweise ändert sich für sie nichts.“
Bei Avitea wird das Automatisierungspotenzial derweil vollumfänglich ermittelt. „Wir haben uns das strategische Ziel gesetzt, für jeden Prozess eine menschliche, eine teil- und eine vollautomatisierte Alternative zu entwickeln“, sagte Markus Humpert von Avitea. Dafür habe man alle relevanten Stakeholder ins Boot geholt, inklusive Betriebsrat. „Alle bei uns wissen, dass dieser Weg alternativlos ist“, sagte er. Vor allem aufgrund des externen Drucks komme man da gar nicht drumherum. „Wir müssen das tun, weil gerade unsere Großkunden aktuell sehr niedrige Faktoren aufrufen“, so Humpert. Das sei mit der derzeitigen Kostenstruktur „zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel“.
Hürden beim KI-Einsatz
Der Kunde ist für die Personaldienstleister aber nicht nur Auslöser der Transformation, er ist manchmal auch Hemmschuh, wie Christoph Kahlenberg betonte: „Auf der Kundenseite brauche ich Akzeptanz für automatisierte Prozesse, aber viele haben noch gar nicht damit begonnen.“ Teilweise werde nicht einmal die Umstellung auf die E-Signatur angenommen, beklagte auch Kathrin Schmitz. „Manche Kunden bestehen darauf, die Verträge auszudrucken, zu unterschreiben und einzuscannen.“
„Auf der Kundenseite brauche ich Akzeptanz für automatisierte Prozesse, aber viele haben noch gar nicht damit begonnen.“
Dr. Christoph Kahlenberg, Manager, Randstad Akademie bei Randstad Deutschland
Wobei mehrere Teilnehmer den Eindruck äußerten, dass es oft die obere Führungsebene sei, die Veränderungen wolle, während im mittleren Management und bei den Beschäftigten Skepsis vorherrsche. „Wir als Personalvermittler sind da teilweise in einer Sandwich-Situation und fast schon gezwungen, Beratungsleistungen zu erbringen“, sagte Terry Cade. Das sei aber auch ein Vorteil, denn über solche Beratungsleistungen könne man sich abgrenzen: „Einfach nur Personal in ein Unternehmen schicken, das reicht heute nicht mehr.“
Christoph Kahlenberg sieht außerdem ein Hindernis im regulatorischen Bereich, konkret beim europäischen AI Act. „KI, die wir einsetzen, gerade in Bewerbungsprozessen, wird als Hochrisiko-KI eingestuft, da wir mit sehr persönlichen Daten arbeiten“, so Kahlenberg. Heißt in der Konsequenz: Es gebe strenge Auflagen, die die breite Einführung solcher Tools erschweren. Der Einsatzbereich von I.K. Hofmann aus den USA lässt sich so wohl nicht ohne weiteres auf den deutschen Markt übertragen. Was schade ist, denn Marc Schach hält einen solchen Ansatz für durchaus vielversprechend. „Studien haben bereits gezeigt, dass jüngere Menschen im Zweifel sogar lieber mit einer KI sprechen, sofern diese schneller verfügbar ist“, sagte er. Lediglich, wenn der Mensch genauso schnell bereitsteht, würden sie diesen bevorzugen.
„Studien haben bereits gezeigt, dass jüngere Menschen im Zweifel sogar lieber mit einer KI sprechen, sofern diese schneller verfügbar ist.“
Marc Schach, CEO und Mitgründer, Talent360
Wie neutral sind die Neutral Vendors?
Die Diskussionsrunde sprach neben Kosten und KI auch über die veränderte Beziehung zu den Kunden. In der Pandemie sei der persönliche Kontakt teilweise verloren gegangen. Aber auch das recht neue Phänomen Neutral Vendor verschlechtere die Beziehung zu Kunden. Dies sind Personal-Generalunternehmern ohne eigene Überlassung – als zwischengeschaltete Instanz zwischen Kunde und Personaldienstleister. „Wir bieten das durchaus an, dann komplett ohne eigene Kräfte, um die Neutralität zu wahren“, erklärte Christoph Kahlenberg. Von einem Master Vendor mit eigener Personalvermittlung würden sich Kunden oft abhängig fühlen, meinte auch Terry Cade: „Für uns ist das aber schwierig, denn durch den Neutral Vendor verlieren wir den Kontakt zum Kunden und kommen teilweise nicht mehr für die notwendigen Prüfungen aufs Firmengelände.“
Viele Kunden würden so Verantwortung delegieren, sagte Ingrid Hofmann. Prinzipiell sei das auch in Ordnung, solange die Neutral Vendors wüssten, was sie tun. „Wir hatten aber auch schon Fälle, in denen die Neutral Vendors nicht mal die deutsche Gesetzgebung kannten, weil sie aus dem Ausland kamen“, beklagte sie. Terry Cade hält Neutral Vendors auch nicht per se für gut oder schlecht. „Allerdings ist die Hürde, eine solche Firma zu gründen, sehr gering, denn als Neutral Vendor brauche ich keine eigenen Arbeitskräfte, keine eigene Payroll“, sagte er. Das lade tendenziell dazu ein, auch ohne viel Vorwissen in den Markt zu kommen. Und wenn dann so ein schwieriger Neutral Vendor als Mittelsmann zwischen dem Zeitarbeitsunternehmen und dem Kunden stehe, sei es oft kompliziert, dem zu begegnen. „Wenn man versucht, dennoch direkt mit zum Beispiel bekannten Ansprechpartnern zu arbeiten, landet man auf der schwarzen Liste und ist bei zukünftigen Aufträgen dieses Neutral Vendors tendenziell im Hintertreffen“, so Cade.
Und ewig grüßt das Drittstaatenverbot
Für die Zeitarbeitsbranche war das Ende der Ampelkoalition im Herbst 2024 besonders ärgerlich. Denn zum Ende der Regierungszeit sollte eigentlich noch das Verbot der Vermittlung von Drittstaatsangehörigen außerhalb der EU in die Zeitarbeit gekippt werden. Im Koalitionsvertrag von Union und SPD kommt das Thema nun nicht mehr vor. „Dabei sind wir nicht die einzigen, die das begrüßen würden, die Bundesarbeitsagentur sieht es genauso“, sagte Hofmann. Aktuell fehle aber auch auf Verbandsebene noch der Draht zur neuen Regierung.
Unverständnis löst nach wie vor bei vielen aus, dass die Regeln bei der jüngsten Personalkrise an deutschen Flughäfen aufgeweicht wurden – aber nur Vermittler im Ausland, etwa in der Türkei, profitierten. „Da ist ein Unternehmen ohne jegliche Vorkenntnisse in der Personaldienstleistung über Nacht damit reich geworden“, sagte etwa Manuel Fink. Aber deutsche Unternehmen, die das Ganze wahrscheinlich schneller und zielführender hätten abwickeln können, durften nicht partizipieren. „Wir bringen seit Jahren Menschen nach Deutschland, etwa im Gesundheitswesen“, sagte er: „Das geht aber bisher nur in Festanstellung, was natürlich das volle Risiko, wie beispielsweise eine erfolgreiche Integration und das Erlernen der Sprache, bei unseren Kunden ablädt und auch Einstellungshemmnisse erzeugt, die wir uns im Gesundheitswesen gar nicht erlauben können.“
Auch Christoph Kahlenberg von Randstad versteht nicht, warum die Vorteile in der Politik nicht gesehen werden: „Wenn die Arbeitnehmer hierhin kommen und es in der neuen Stelle nicht passt, stehen die vor dem Nichts. Wir könnten sie wiederum weitervermitteln, wenn sie bei uns beschäftigt sind.“ Insgesamt scheint das Thema in der Branche vor allem Frustration auszulösen. „Das sind schließlich genau dieselben Themenpunkte wie im letzten Jahr“, fasste es Markus Humpert von Avitea zusammen. Es sei deprimierend, wie wenig sich in dieser Hinsicht tue.
Nur verhalten ist bei den Round-Table-Teilnehmern die Freude über die große Investitionsoffensive, die die Bundesregierung ankündigte. „Ich glaube, dass eine positive Grundstimmung indirekt auch einen positiven Effekt auf uns haben wird“, gab sich immerhin Terry Cade von Manpower optimistisch. Aber noch sei leider völlig unklar, was zum Beispiel das Infrastrukturpaket in der Praxis bedeuten werde. Für das Baugewerbe gibt es schließlich auch ein Sektoralverbot und nur wenige Ausnahmen.
„Wir haben die vielfältigen Tools, um Unternehmen zu helfen.“
Markus Humpert, Geschäftsführer, Avitea
Leider fehle insgesamt das Vertrauen in die Politik, sagte Ingrid Hofmann von I.K. Hofmann mit Blick auf ihre Branche. „Bis sich das in tatsächliche Aufträge überträgt, kann es noch Jahre dauern“, sagte sie. Markus Humpert gab sich optimistisch, dass die Zeitarbeitsbranche ihren Teil beitragen könne: „Wir haben die vielfältigen Tools, um Unternehmen zu helfen.“ Nun sei es an der Branche selbst, dafür zu sorgen, dass das auch so wahrgenommen werde.
Fotos: Bernd Roselieb