Wenn es um Employer Branding geht, greifen viele Unternehmen zuerst zu den großen Werkzeugen: Imagefilme, Hochglanzbroschüren oder teure Social-Media-Kampagnen. Alles schön und gut – aber Hand aufs Herz: Was überzeugt eine 16-Jährige wirklich, die gerade überlegt, ob sie eine Ausbildung machen möchte? Der nächste Werbeclip mit perfekten Claims? Oder das ehrliche Wort eines Azubis, der nur ein paar Jahre älter ist und erzählt, wie sich der Start im Betrieb wirklich anfühlt?
Genau da liegt der Hebel: Azubis als Corporate Influencer. Sie sind nah dran, sprechen die Sprache der Zielgruppe, bewegen sich auf denselben Plattformen – und wirken dadurch besonders glaubwürdig.
Warum Azubis so überzeugend sind
Wer gerade erst selbst die Schule verlassen hat, versteht die Fragen und Zweifel von Jugendlichen besser als jede Führungskraft oder Personalabteilung. Wie läuft der erste Tag ab? Welche Aufgaben machen Spaß, welche sind überraschend? Und welche Sorgen, die man vor Ausbildungsbeginn hatte, sind im Alltag eigentlich halb so wild?
Wenn diese Antworten von Azubis kommen, entsteht sofort Kommunikation auf Augenhöhe. Da gibt es keine Distanz, keine Inszenierung – sondern echte Geschichten aus der Praxis. Genau das überzeugt: keine Marketingfloskeln, sondern greifbare Erfahrungen.
Hinzu kommt: Azubis sind kulturell und sprachlich dort zu Hause, wo sich auch ihre Altersgenossen bewegen. Wo ältere Kolleginnen und Kollegen manchmal steif wirken, bringen sie Natürlichkeit, Humor und digitale Selbstverständlichkeit mit. Ob kurzer TikTok-Clip, Instagram-Story oder ein ehrlicher Linkedin-Post – für viele Azubis ist das längst Alltag.
Wer seine Auszubildenden gezielt als Corporate Influencer einsetzt, profitiert gleich mehrfach:
- Ein authentisches Arbeitgeberbild: Anstatt selbst zu behaupten „Wir sind ein toller Ausbildungsbetrieb“, lassen Unternehmen die sprechen, die es am besten wissen: die eigenen Nachwuchskräfte. Das wirkt glaubwürdiger und baut Vertrauen auf – ein klarer Vorteil im Wettbewerb um Talente.
- Reichweite dort, wo es zählt: Azubis bewegen sich in denselben digitalen Räumen wie potenzielle Bewerberinnen und Bewerber. Sie können Einblicke in den Alltag geben – vom Azubi-Projekt über die Berufsschule bis hin zum Betriebsausflug. Kurze Clips oder Posts sind oft nahbarer als jeder Hochglanzfilm und haben die Chance, viral zu gehen.
- Nachwuchsgewinnung und Bindung: Wenn Schülerinnen und Schüler durch Azubi-Stories Lust bekommen, sich zu bewerben, entsteht ein echter Wettbewerbsvorteil. Gleichzeitig stärkt die Rolle als Corporate Influencer die Bindung der Azubis ans Unternehmen – wer stolz nach außen auftritt, bleibt meist auch innerlich stärker verbunden.
- Positive Mundpropaganda: Nicht zu unterschätzen: Azubis tragen ihre Erfahrungen ins private Umfeld. Ob in der Familie, im Freundeskreis oder online – begeisterte Azubis sind die beste, glaubwürdigste Werbung.
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Begleitung und Freiraum wichtig
Natürlich passiert das alles nicht von allein. Damit Azubis ihre Rolle als Marken-Botschafterinnen und -Botschafter entfalten können, braucht es Unterstützung.
- Freiraum und Vertrauen: Unternehmen müssen bereit sein, Azubis Zeit für Schulbesuche, Messeauftritte oder Social-Media-Aktivitäten in ihrer Rolle als Botschafter einzuräumen. Nur so können sie ihr Potenzial entfalten.
- Vorbereitung und Training: Nicht jeder Azubi ist von Anfang an ein Naturtalent in Sachen Kommunikation. Workshops zu Präsentation, Storytelling oder souveränem Auftreten helfen enorm, Sicherheit zu gewinnen.
- Begleitung statt Kontrolle: Es braucht einen klaren Rahmen – etwa Social-Media-Guidelines –, aber keine ständige Überwachung. Entscheidend ist, dass die jungen Leute spüren: „Ich darf ich selbst sein, und meine Stimme wird ernst genommen.“
- Wertschätzung: Lob, Sichtbarkeit im Unternehmen und vielleicht auch mal eine Urkunde oder öffentliche Anerkennung verstärken den Stolz der Azubis auf ihre Rolle. Das steigert nicht nur ihre Motivation, sondern wirkt wiederum nach außen.
Professionelle Unterstützung
Neben der internen Förderung gibt es etablierte Programme, die den Einsatz von Azubis als Botschafterinnen und Botschafter für ihr Unternehmen professionalisieren.
Das bekannteste Modell sind die „Ausbildungsbotschafter“ in verschiedenen Bundesländern (zum Beispiel die Initiative Ausbildungsbotschafter – Gut ausgebildet): Zwei Azubis besuchen Schulklassen, berichten von ihrem Alltag, beantworten Fragen – und geben Jugendlichen einen direkten, realistischen Einblick in die Ausbildung.
Die Vorteile liegen auf der Hand:
- Die eingesetzten Azubis werden geschult und trainieren ihre Kommunikations-Skills.
- Unternehmen profitieren von einem offiziellen, professionellen Rahmen.
- Schulen erhalten authentische Eindrücke, die kein Flyer ersetzen kann.
Das Ergebnis: Jugendliche erleben Ausbildung „zum Anfassen“, Unternehmen stärken ihr Image, und Azubis wachsen über sich hinaus. Eine klassische Win-win-Situation.
Auch die Azubis profitieren
Für die jungen Botschafterinnen und Botschafter selbst ist die Rolle weit mehr als nur ein Nebenjob. Sie entwickeln Kompetenzen, die sie ihr ganzes Berufsleben begleiten.
- Selbstvertrauen: Wer vor einer Schulklasse spricht oder auf einer Messe präsentiert, wächst an der Erfahrung. Aus „Kann ich das überhaupt?“ wird „Natürlich kann ich das.“
- Kommunikationsstärke: Präsentieren, Fragen beantworten, Geschichten erzählen – das sind Schlüsselqualifikationen, die auch später im Beruf von unschätzbarem Wert sind.
- Eigenverantwortung: Als Ausbildungsbotschafterinnen vertreten sie nicht nur sich selbst, sondern das ganze Unternehmen. Dieses Verantwortungsgefühl stärkt ihre Professionalität und das Gefühl von Selbstwirksamkeit.
- Netzwerk und Anerkennung: Durch ihre Rolle kommen sie mit vielen Menschen in Kontakt – von Schülerinnen und Schülern bis zu Führungskräften. Das öffnet Türen und verschafft Respekt im Betrieb.
- Identifikation mit dem Beruf: Wer anderen begeistert vom eigenen Job erzählt, reflektiert automatisch auch die eigenen Stärken. Das steigert die Zufriedenheit mit der Ausbildung und fördert die langfristige Bindung.
Fazit: Echt, nahbar, wirksam
In einer Arbeitswelt, in der Authentizität wichtiger ist als Hochglanz und die Generation Z sensibel auf überinszenierte Kommunikation reagiert, sind Azubis als Corporate Influencer ungemein wertvoll. Sie verbinden zwei Welten: die Glaubwürdigkeit der Zielgruppe mit der Möglichkeit, das Unternehmen frisch, nahbar und digital sichtbar zu machen.
Für Unternehmen heißt das: nicht nur das Marketing sprechen lassen, sondern den Nachwuchs. Ausbilderinnen und Ausbilder sollten die jungen Leute dabei unterstützen, indem sie die Jugendlichen befähigen, begleiten und ihre Arbeit wertschätzen. Und für Azubis ist es ein Kompetenz-Booster, der weit über die Ausbildung hinaus wirkt.
Natürlich können auch andere Mitarbeitende „Botschafterinnen und Botschafter“ für den Betrieb sein. Employer Branding muss nicht teuer und abgehoben sein. Manchmal reicht es, die Stimmen derer zu verstärken, die ohnehin die besten Geschichten haben – die eigenen Leute.
Info
Die Autorinnen der Kolumne „Wie Ausbildung gelingt” sind Expertinnen des KOFA Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln e.V.
Anna Schopen ist Senior Projektmanagerin mit Themenschwerpunkt Ausbildung.
Miriam Schöpp ist Senior Referentin für Berufliche Bildung.
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