Round Table: Entsendemanagement mit neuen Navigationsrouten

30. April 2025 von Christiane Siemann

Kostendruck und geopolitische Bedingungen zwingen Unternehmen dazu, den Purpose von Entsendungen zu überdenken. Welche Rolle spielen dabei Mobility-Experten? Und wie stellen sich Mobility-Abteilungen für die Zukunft auf? Diese und andere Aspekte standen im Mittelpunkt der Round-Table-Diskussion. 

Die Anzahl der internationalen Entsendungen von Beschäftigten aus Deutschland ist in den letzten Jahren tendenziell zurückgegangen. Aber nicht, weil die Corona-Pandemie zu einem Stillstand des Reisens führte und sich das grenzüberschreitende, virtuelle Arbeiten als neue Entsendeform etablierte. Zwar vermuteten manche Arbeitgeber, dass physische Auslandseinsätze in großer Anzahl ersetzt werden könnten, doch das hat sich nicht bewahrheitet. Hybride Mobilität ist – wenn es die Aufgabe erlaubt – inzwischen eine mögliche Entsendungsform. In der aktuellen Situation sind es jedoch eher Faktoren wie Kostendruck und politische Unsicherheiten, die Unternehmen dazu veranlassen, Sinn und Zweck ihrer Assignments neu in den Blick zu nehmen – und das Global Mobility Management anders aufzustellen. Das zeigt die Diskussion mit den Round-Table-Teilnehmenden.

Purpose bestimmt Entsendeformat

Die Mobilitätstrategie von Unternehmen steht unter Zugzwang: Geopolitische Risiken beeinflussen nicht nur globale Lieferketten, sondern auch grenzüberschreitende Mitarbeitereinsätze. Die Veränderungen in den internationalen Machtverhältnissen stellen bestehende Entsendekonzepte infrage, sagt Omer Dotou, Leiter der Global Mobility Services and Advisory Services von BDAE: „Unternehmen müssen permanent die rechtlichen, wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen anpassen.“ Viele Arbeitgeber gehen noch einen Schritt weiter: Sie analysieren ihren Mobility Purpose und reagieren damit nicht nur auf die geopolitischen Unsicherheiten, sondern auch auf Kostendruck und veränderte Bedürfnisse potenzieller Expats. Das berichtet David Rooney, verantwortlicher Partner für den Bereich Mobility Transformation bei EY, und ergänzt: Der Einsatz traditioneller Kurzzeit- und Langzeitentsendungen werde tendenziell abnehmen, aber „im Gegenzug flexibilisieren Unternehmen ihre Auslandsprogramme mit neuen Mobilitätsformen wie hybride Entsendungen, Workation und Juniorprogrammen“. Zugleich legten sie ihren Fokus stärker auf Diversity- und Nachhaltigkeitsziele. Long- und Short-Term-Assignments werde es selbstverständlich weiterhin geben, allerdings nicht mehr so häufig wie noch vor einigen Jahren, bestätigt auch Michael Weiß, Director, Global Employer Services & Global Mobility bei Deloitte. Je nach Sinn und Zweck der Auslandstätigkeit und vor dem Hintergrund der Kostenoptimierung wählten Arbeitgeber die jeweils passende Einsatzform. Beispielsweise sei ein Project-Assignment sinnvoll, wenn Mitarbeitende für wenige Tage bis hin zu mehreren Wochen oder Monaten bei einer internationalen Gesellschaft des Unternehmens oder bei einem Kunden im Ausland vor Ort tätig sind. Mit phasenweisen Einsätzen jenseits der Grenzen, wie zum Beispiel auch bei einer hybriden Entsendung, erweitern Arbeitgeber zugleich die Zielgruppe potenzieller Expats: Mitarbeitende müssen sich nicht direkt für einen Auslandsaufenthalt von mehreren Jahren festlegen, sie können interkulturelle Erfahrungen sammeln und für das Unternehmen operative und strategische Vorteile erbringen.

Das Wichtigste in Kürze

  • Entsende-Purpose und Kosten stehen auf dem Prüfstand.
  • Unternehmen flexibilisieren ihre Auslandsprogramme mit neuen Mobilitätsformen wie hybride Entsendungen, Workation und Juniorprogrammen.
  • Teil- oder ein Full-Outsourcing des Global Mobility Managements werden für Unternehmen aus Kostengründen attraktiver.
  • Die Zusammenführung von Travel- und Global Mobility-Management schafft Synergieeffekte.
  • Talent Management, Workforce Planning und Jobarchitekturen sollten mit den Kompetenzen des Global Mobility Managements verknüpft werden.
  • Kostendruck treibt Unternehmen an, die beratende Funktion von Verantwortlichen für internationale Beschäftigung wahrzunehmen, auch hinsichtlich der globalen Workforce.
  • Der Einsatz von KI-Lösungen für Global Workforce Management ist nur eine Frage der Zeit. Das Riskmanagement sollte aber nicht an KI delegiert werden.
  • Das Betriebsstättengründungsrisiko lauert auch bei hybriden Entsendungen.

„Insgesamt wird die Planung internationaler Einsätze strategischer: Wann sind Fachkräfte aus Deutschland unerlässlich? Wann kann hybride Zusammenarbeit eine Lösung sein?“ 

Omer Dotou, Leiter Global Mobility Services and Advisory Services, BDAE 

Der Budgetdruck und die Folgen

Wie wirken sich Konjunkturkrise und Wirtschaftsflaute auf die weltweiten Arbeitseinsätze aus? Wie reduzieren Unternehmen die Mobility-Kosten? In der Diskussion der Spezialisten für internationale Beschäftigung wird deutlich: Der Rotstift wird nicht beim Expat Salary angesetzt. Die Stellschrauben zur Kostenreduktion liegen vielmehr in der Neuorganisation der internen Global-Mobility-Abteilung beziehungsweise im Outsourcing sowie einer sinkenden Anzahl von traditionellen Entsendungsformaten. Warum es nicht sinnvoll ist, die Expat-Bezüge zu kürzen, erläutert EY-Berater David Rooney. Die Idee, beispielsweise die Housing- und Cost-of-Living-Budgets pauschal um jeweils zehn Prozent zu reduzieren, wäre eine falsche Vorgehensweise, da sie sich negativ auf die Motivation aktueller und künftiger Expats auswirke. „Wir empfehlen Unternehmen, einen holistischen Ansatz zu wählen, wenn sie Kosten reduzieren müssen. Sie sollten prüfen, ob ihre Mobilitätsstrategie noch angemessen ist und ob die Mitarbeitenden im Einsatzland passend eingesetzt sind.“ Ebenso sollten der Return on Investment kontrolliert und die Frage beantwortet werden, welche Expats man ins Heimatland zurückholen könne. Außerdem beobachtet Rooney, dass Arbeitgeber die Entsendebudgets insgesamt individueller und flexibler gestalten. Viele Jahre sei es üblich gewesen, über horizontale und vertikale Mitarbeiterebenen hinweg die gleichen monetären Zusatzleistungen zu gewähren. Heute gelte: „Die Maßnahmen für die Fürsorgepflicht und Einhaltung der Compliance-Anforderungen sind für alle Expats erforderlich. Aber darüber hinaus differenzieren Arbeitgeber durchaus zwischen den Ebenen.“

Einsparungen durch Outsourcing

Um die Kosten von Entsendung zu senken, überprüfen viele Organisationen derzeit den internen Arbeitsablauf und -aufwand bei Entsendungen. Nicht wenige Unternehmen kommen dann zu dem Ergebnis, dass sich ein Teil- oder ein Full-Outsourcing rechnet. „Die Anfragen nach Mobility as a Service und Managed Services steigen deutlich“, bekräftigt Michael Weiß von Deloitte. Unternehmen externalisieren ihre Aufgaben – auch außerhalb von HR –, um mittel- und langfristig Kosten einzusparen. Zudem nehmen sie die Anbieterlandschaft von Mobility-Services unter die Lupe. Zum Beispiel konsolidieren sie Umzugsservices, mit dem Ziel, Skaleneffekte zu erreichen und Einsparungen zu generieren, sagt Michael Weiß. Daneben registriert er derzeit auch Situationen, in denen im Mittelstand das Entsendebudget aufgestockt wird: Nämlich dann, wenn Mitarbeitende mit einem Long Term Assignment entsendet werden, weil sie in den Auslandsgesellschaften Umstrukturierungen vornehmen sollen, die letztlich zu Kosteneinsparungen führen.

Eine weitere Möglichkeit zur Kostendämpfung nimmt man bei BDAE wahr: Abhängig vom Einsatzzweck rekrutieren Unternehmen verstärkt lokale Fachkräfte an den Auslandsstandorten, anstatt zu selber zu entsenden. Insgesamt erfolge die Planung internationaler Einsätze strategischer.

Aus Sicht von Markus Kurth, Principal Strategic People Advisory bei Mercer, sprechen die nackten Zahlen nicht für weniger Ausgaben im internationalen Entsendemanagement. „Wir sehen, dass Unternehmen nach wie vor die notwendigen Investitionen vornehmen und sie liegen damit nicht unter dem Schnitt der letzten Jahre.“ Gleichzeitig weist auch er darauf hin, dass es keine gute Idee wäre, bei den Expat Compensation Packages zu experimentieren: „Das Interesse potenzieller Expats an einer Entsendung könnte nachlassen, die Konsequenzen hinsichtlich der Employer Value Proposition sollten bedacht werden“.

Dienstreisen unter das Dach des Mobility Managements

Über das theoretische Wissen verfügen die Arbeitgeber: Grenzüberschreitende Geschäftsreisen sind ab dem ersten Tag sozialversicherungspflichtig. Aber wer im Unternehmen hat eigentlich die notwendigen administrativen Aufgaben auf dem Schirm? Wer macht die Arbeit, um den Compliance-Anforderungen in der EU gerecht zu werden? Viele Unternehmen haben keine Übersicht darüber, wie viele Business Traveller sich aktuell auf Reisen befinden. Diese Erfahrung macht Omer Dotou von BDAE nicht selten. In der Folge komme es zu Verstößen gegen die Meldepflicht oder eine fehlende A1-Bescheinigung, die schnell zu kostenpflichtigen Anhörungsverfahren führen könnten. Seine Empfehlung: „Auch Geschäftsreisen sollten in den Verantwortungsbereich derjenigen fallen, die in der Organisation für internationale Beschäftigung zuständig sind.“ Der Grund: Diese Mitarbeitenden verfügen über umfassende Expertise in sozialversicherungs- und steuerrechtlichen Vorschriften und sind ständig auf dem neuesten Stand, zum Beispiel auch bei den arbeitsrechtlichen Anforderungen wie den länderspezifischen Mindestarbeitsbedingungen, die innerhalb der EU-Länder unterschiedlich sind.

Dass Dienstreisen und internationale Beschäftigung noch nicht unter einem Dach vereint sind, liegt in der Historie begründet. In der Vergangenheit konzentrierten sich Mobility-Verantwortliche auf die Darstellung der operativen Prozesse vor allem für Auslandsaufenthalten ab einer Dauer von sechs Monaten, erklärt Markus Kurth von Mercer. Eine Ausnahme bilde das Projekt-Assignment, das teilweise trotz kurzer Dauer schon zuvor in vielen Unternehmen zentral durch die Mobility-Verantwortlichen oder vergleichbare Expertinnen und Experten gesteuert wurde. „Dienstreisen wurden und werden in der Regel von anderen Abteilungen gemanagt. Das ändert sich derzeit, denn letztlich ist es eine logische Kombination, das Wissen und/oder die Prozesse des Global Mobility Managements auch für Geschäftsreisen zu nutzen.“

Als problematisch beurteilt David Rooney von EY die Entwicklung, dass manche Arbeitgeber die Anzahl der Entsendungen reduzieren und stattdessen auf ausgedehnte Business Travel umsteigen: „Die Grenzen zwischen einer längeren Geschäftsreise und einer Entsendung sind fließend. Das haben die Compliance-Verantwortlichen nicht immer im Blick und laufen daher in ein rechtliches Risiko.“ Die Zusammenführung von Travel- und Global Mobility-Management ist auch aus seiner Ansicht sinnvoll, da de facto die gleichen Compliance-Themen gelten. Einige Unternehmen nutzten bereits die Synergieeffekte, die daraus entstehen würden.

Info zum Round Table

Für ausgewählte aktuelle Themen lädt die Personalwirtschaft Experten und Expertinnen zu einem Round Table ein, um mit ihnen die aktuelle Situation, die Trends und die Herausforderungen in den Bereichen Zeit und Zutritt sowie im Workforce Management zu diskutieren. Die Expertenrunde wurde per Videokonferenz durchgeführt und von Sven Frost, Redakteur der Personalwirtschaft, moderiert.

Berichte zu unseren Round Tables finden Sie auf unserer Übersichtsseite.

„Die aktuelle Situation bietet ein enormes Potenzial für das Global Mobility Management, um sich neu aufzustellen und einen Wert für die Unternehmensleitung zu schaffen.“ 

Markus Kurth, Principal, Strategic People Advisory, Mercer  

Die neue Rolle des Mobility Managements

Die Funktionen von Mobility-Verantwortlichen in Organisationen haben sich in den vergangenen Jahren stark verändert und ihre Rolle hat sich transformiert. Manche Unternehmen verdeutlichen diese Entwicklung durch eine neue Bezeichnung des Tätigkeitsbereichs wie zum Beispiel „Cross Border Workforce Management“. Die neue Brand verrät: Es geht heute um weitaus mehr als etwa um das Abarbeiten von klassischen Kurz- und Langzeitentsendungen, sondern um die Prozessgestaltung jeglicher grenzüberschreitenden Arbeit – sowie um strategische Fragen.

Wenn internationale Unternehmen beispielsweise ihr Produktionsnetzwerk ausbauen wollen, kann das Global Mobility Management wertvolle Informationen zur Site Selection beisteuern, erklärt Markus Kurth von Mercer. Auch die Kernkompetenzen von Mobility, wie etwa Compliance, werden in manchen Unternehmen bereits stärker genutzt als das früher der Fall war. „Wir sehen einen Trend: Einzelne Tätigkeitsbereiche von HR vernetzen sich stärker, um Kompetenzen der Entsendeverantwortlichen abzurufen. Voraussetzung ist natürlich, dass sich Arbeitgeber des Fachwissens der Global-Mobility-Verantwortlichen bewusst sind.“ Markus Kurth empfiehlt HR und Unternehmen, die Vernetzung aktiv anzupacken. Die aktuelle Situation biete ein enormes Potenzial, sich „neu aufzustellen und einen Wert für die Unternehmensleitung zu schaffen“. Ein wichtiger Hebel liege darin, Talent Management, Workforce Planning und Jobarchitekturen besser mit Mobility zu verknüpfen. Er wünscht sich, dass die Silos aufgebrochen werden. Die einzelnen Bereiche sollten weniger aus organisationaler Perspektive betrachtet werden, sondern aus Sicht der Verantwortlichkeiten. Mit dem Blick auf den Wert für die Organisation bedeute das, Global Mobility nicht nur als Abteilung zu begreifen, sondern als gemeinsame Verantwortung. Denn zum Erfolg eines internationalen Arbeitseinsatzes trage eben nicht nur das Mobility-Team bei, sondern sämtliche Stakeholder wie beispielweise die Entgeltabrechnung, die Steuerabteilung und weitere. „Als Ergebnis dieses Prozesses kann ein neues Service-Delivery-Modell erwachsen, bei dem die für den Erfolg entscheidende Schnittstelle optimal im Sinne einer guten Employee Experience aufgesetzt wird. Wertschätzung und die Kommunikation von Mensch zu Mensch, so zeigen es Mitarbeiterbefragungen, sind für die Beschäftigten von zentraler Bedeutung.“

Globale Workforce erschließen

Dass Global Mobility und Talent Management noch viel enger zusammenarbeiten müssen, bekräftigt auch Michael Weiß von Deloitte. Sein Argument: Transparenz über die weltweit im Unternehmen vorhandene Expertise und die Skills der Mitarbeitenden – also über die globale Workforce – sei enorm wichtig, „weil es unverzichtbar ist in Zeiten des Fachkräftemangels, zu wissen, wo sich die Talente der Zukunft befinden“. Durch lokale Einstellungen vor Ort in den einzelnen Ländern könnten je nach Fallkonstellation auch Kosten durch die Anwerbung von Fachkräften aus anderen Regionen vermieden werden. In vielen Unternehmen sei die internationale Personalgewinnungsstrategie allerdings noch nicht hinreichend optimiert. Hinsichtlich der Rolle der Verantwortlichen des Entsendemanagements stellt er fest, dass „die Ambitionen beratend tätig zu werden und von Business- und HR-Kolleginnen und -Kollegen als kompetenter Partner wahrgenommen zu werden, immer schon vorhanden waren“. Nun treibe der Kostendruck Unternehmen stärker in die Umsetzung. Und dass durch den Einsatz von KI-Tools beim Entsendemanagement künftig Ressourcen für mehr beratende Arbeit entstehen, könne dabei nur hilfreich sein.

Schon jetzt beginnt eine interne Neuaufstellung des Entsendemanagements. David Rooney von EY beobachtet eine Service Delivery Segmentation: Auf der Basis von Purpose-Led-Richtlinien werden unterschiedliche Service-Ansätze festgelegt werden. Strategisch wichtige Expats werden oft inhouse betreut und für ein Junior-Programm biete sich ein Co- oder Full-Outsourcing an. „Auf diesem Weg können Unternehmen besser skalieren und die Betreuung der erfolgstreibenden Entsendungen verstärken.“ Zukünftig sei eine Entwicklung denkbar, bei der im Mobility-Management nicht nur die Richtlinien segmentiert werden, sondern auch die Art und Weise, wie die Richtlinien implementiert werden.

„Um KI-Tools rund um Global Mobility sinnvoll im Unternehmen einzusetzen, bedarf es der Awareness für Prozesse und Daten, Abhängigkeiten und Regulierungen.“ 

David Rooney, International Mobility Executive, EY

Kann KI Entsendemanagement? 

Stand heute seien punktuelle Anwendungsfälle möglich, stellt David Rooney von EY fest. So lasse sich mit KI ein Entsendevertrag vorbereiten oder ein Chat könne über die Eckpunkte von Entsendungen informieren. „In naher Zukunft wird auch die Kostenschätzung von Entsendungen möglich sein, aber noch befinden wir uns auf einer Reise.“ Außerdem warnt er hinsichtlich des Risk Managements davor, KI-Tools blind zu vertrauen: Mit komplexeren Anwendungsfällen seien sie überfordert. „Um grundsätzlich KI-Tools rund um Global Mobility sinnvoll im Unternehmen einzusetzen, bedarf es der Awareness für Prozesse und Daten sowie Abhängigkeiten und Regulierungen.“ Um die Komplexität von Global Mobility zu verstehen und das richtigen Mind Set zu setzen, müssten Mitarbeitende zunächst das notwendige Wissen erlangen, idealerweise durch Schulungen und viel interne Kommunikation.
Wichtig ist Rooney zu betonen: Im Kontakt mit Mandanten und Mitarbeitenden seien persönliche Gespräche nicht zu ersetzen. „Kein Chat kann die Rolle und die Expertise eines erfahrenen Beraters übernehmen.“

Sich bei Riskmanagement und Compliance von einer KI „beraten“ zu lassen, sei im Hinblick auf die Haftung sehr problematisch, betont auch Omer Dotou von BDAE. KI sei als Unterstützung sinnvoll, aber sie könne niemals die Expertise der Beratenden ersetzen. Genau wie sein Vorredner plädiert er dafür, „dass Verantwortliche für internationale Beschäftigung zunächst ein breites Grundwissen über den rechtlich komplexen Bereich Global Mobility erwerben müssen.“ Erst dann seien sie in der Lage, KI-Lösungen auch die richtigen Fragen zu stellen und nach passenden Risk-Lösungen zu recherchieren. BDAE vermittelt die Basiskenntnisse in Inhouse-Schulungen. „Da in vielen Unternehmen die Verantwortlichen für internationale Beschäftigung in Rente gehen und mit ihnen auch das Spezialwissen, erleben wir derzeit einen großen Schulungsbedarf.“

Zuverlässigkeit und Haftung

Der Einsatz von KI-Lösungen für Global Workforce Management ist nur eine Frage der Zeit. Das gleiche gilt für den Einsatz in anderen HR-Aufgabenbereichen. „Auch aus Kostengründen wird kein Unternehmen ohne KI-Tools bestehen können“, prognostiziert Michael Weiß von Deloitte. KI könne heute bereits die für den jeweiligen Fall relevanten Aspekte oder Benefits aus einer Policy ziehen und Vertragsunterlagen erstellen. Die finale Prüfung und Anpassung nehmen das Mobility-Management beziehungsweise Beraterinnen und Berater vor. Nach seiner Kenntnis gäbe es bereits KI-Tools für Mobility, die vornehmlich für große Assignee-Populationen geeignet seien. Aber in naher Zukunft könnten auch kleine und mittlere Unternehmen solche Lösungen nutzen.

Gleichzeitig steht für Michael Weiß aber außer Frage, dass im Kontakt mit Expats beziehungsweise deren Familien ein direkter persönlicher, menschlicher Ansprechpartner in Zukunft nicht wegzudenken ist. „Ein Chatbot löst keine individuellen Probleme.“ In welchem Ausmaß die persönliche Betreuung notwendig ist, sollten die Mitarbeitenden im Idealfall selbst entscheiden. Jedem Assignee müsse es freistehen, die für ihn passende Betreuungsart zu wählen: ob über Self-Service-Plattformen oder lieber Human-Touch-Kanäle.

Noch ist in Sachen KI vieles Zukunftsmusik, denn sie bietet bei Compliance-Themen keine zuverlässige Lösung oder Antwort. Markus Kurth von Mercer: „Bei der Klärung individueller sozialversicherungsrechtlicher Fragestellungen reicht aber eine 90-prozentige Sicherheit nicht. Unternehmen brauchen Gewissheit über die Anforderungen, Möglichkeiten und Konsequenzen.“ Noch komplexer werde es, wenn man sich vor Augen führe, dass ein Assignment nicht nur einen Rechtszweig tangiert, sondern miteinander verbundene Fragen zu steuer-, sozialversicherungs-, arbeits- und aufenthaltsrechtlichen Aspekten aufwirft. Aber er ist sich sicher, „dass Global Mobility in Zukunft auf KI bauen kann“.

„Global Mobility und Talent Management müssen noch viel enger zusammenarbeiten. Transparenz über die weltweit im Unternehmen vorhandene Expertise und die Skills ist enorm wichtig.“ 

Michael Weiss, Director Global Employer Services & Global Mobility, Deloitte

Workation: ein Lauf über glühende Kohlen   

Das Business-Notebook links unterm Arm, rechts die Tasche mit Reise- und Urlaubsgepäck in der Hand und los geht’s ins Ausland: Klingt unkompliziert und ist sehr beliebt. Aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmersicht ist das Angebot von Remote Work jenseits der deutschen Grenzen häufig ein Muss. Unternehmen, die mit ihrer Employer Brand punkten wollen, kommen daran nicht vorbei. Es wäre auch so einfach, aber Remote Working International ist aus sozialversicherungs-, steuer- und arbeitsrechtlicher Sicht ein Lauf über glühende Kohlen. „Bei der ersten Beratung gehen Unternehmen oft davon aus, dass kein Risiko besteht, wenn sie alle rechtlichen Bedingungen für ein 30-tätiges Remote Working aus dem Ausland berücksichtigt haben“, berichtet Markus Kurth von Mercer und ergänzt: „An dieser Stelle müssen wir offen sein: Es bedarf einer gewissen Risikobereitschaft des Unternehmens, um Workation zu ermöglichen.“ Außerdem bedürfe es eines Investments, denn für jede Kombination von Destinationen müssten die Regularien überprüft und nachgehalten sowie die internen Rechtsexperten, beispielsweise aus der Tax-Abteilung, eingebunden werden. Sie könnten die Risikoeinschätzung vornehmen beziehungsweise verstehen und seien damit in der Lage, die Entscheidung zu treffen und die Verantwortung zu übernehmen.

Eine Vereinfachung innerhalb der EU wurde nach der Corona-Pandemie umgesetzt: Mit der A1-Bescheinigung bleiben die Mitarbeiter in der deutschen Sozialversicherung und sie dürfen bei Telearbeit – bis unter 50 Prozent der Arbeitszeit – auch in der deutschen Sozialversicherung verbleiben. Das ist ein Novum und praktisch, aber, so BDAE-Berater Omer Dotou: „Die Vorstellungen, man könnte nun eine Policy für alle Formen von Workation aufsetzen, erfüllt sich nicht. Je nach Dauer und Auslandsstandort gelten andere Regelungen.“ Und für Drittstaatangehörige sei es nochmal viel schwieriger, eine rechtsichere Workation zu ermöglichen als für EU-Staatsangehörige.

Und noch ein Stolperstein: Arbeitgeber, die bisher annahmen, dass das Problem der Betriebsstättengründung nur beim Workation-Format auftritt, irren sich. „Noch brisanter wird es bei hybriden Entsendungen“, warnt David Rooney von EY. „Immer wenn ein Mitarbeiter von einem Land aus für ein anderes Land arbeitet, lauern Gefahren. Arbeitsrechtliche Konsequenzen, sozialversicherungsrechtliche Risiken sowie die unbeabsichtigte Begründung einer Betriebsstätte im ertragsteuerlichen Sinne sind die häufigsten Fallen in der Praxis.“ Auf die individuelle Risikoneigung des Unternehmens zugeschnittene Compliance-Konzepte könnten aber sicherstellen, dass Unternehmen keine übermäßigen Risken eingehen.

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