Ausbleibendes Wirtschaftswachstum, zunehmende Regulierung, hohe Mitarbeitererwartungen – vor diesem Hintergrund müssen Unternehmen ein wettbewerbsfähiges und faires Entgelt designen. Konzernvertreter, Vergütungsberater und eine Benefitsexpertin berichten von Problemen und zeigen Lösungen auf.
Der Begriff „volatil“ hat Hochkonjunktur, wenn es darum geht, die aktuelle wirtschaftliche Situation zu beschreiben. Seit der Corona-Pandemie hat der Ausdruck jedoch an Schrecken verloren, denn für Beschäftigte gab es trotz aller Unwägbarkeiten moderate oder größere Lohnerhöhungen. Zudem federten Einmalzahlungen die gestiegene Inflation ab.
Volatil klingt daher in den Ohren vieler Unternehmen mittlerweile nach beherrschbaren wirtschaftlichen Schwankungen und einem Hauch von unternehmerischer Instabilität – allenfalls als „raues Lüftchen“ mag sich die Lage für gesund aufgestellte Betriebe im Jahr 2025 darstellen. Für andere fühlt sich die derzeitige Konstellation dagegen stürmisch bis existenzbedrohend an: Handelsbarrieren, Strukturwandel, Inflation und weitere Ursachen scheinen – zumindest teilweise – nicht beherrschbar. Für alle Arbeitgeber gilt dennoch: Sie wollen wettbewerbsfähig bleiben, nicht nur hinsichtlich ihrer Produkte und Dienstleistungen, sondern auch für Talente. In dieser Situation vor Gehaltsverhandlungen oder einer neuen Vergütungsgestaltung zu stehen, verlangt klar definierte unternehmensstrategische Ziele und Werte.
Das Wichtigste in Kürze
- Arbeitgeber rücken den Leistungsgedanken in der Vergütungsgestaltung wieder stärker in den Vordergrund. Statt Teamzielen, soll individuelle Leistung stärker berücksichtigt werden.
- Eine faire Bezahlung und Gehaltstransparenz ist Unternehmen unabhängig von der Erfüllung der EU-Entgelttransparenzrichtlinie (EntgTranspRL) wichtig.
- Eine durchdachte und einheitliche globale Jobarchitektur zu entwickeln, auf deren Basis die Stellen vergleichbar sind, ist eine große Herausforderung.
- Total Rewards übernimmt bei der Umsetzung der EntgTranspRL die Rolle eines Rahmengebers und Prozesstreibers.
- Bevor sich KI-Tools in Vergütungsprozessen sinnvoll einsetzen lassen, bedarf es einer sauberen Datenarchitektur und eines Governance-Modells.
- Schlüssel zur Wertschätzung von Benefits sind Wählbarkeit und auf die Bedürfnisse des jeweiligen Beschäftigten zugeschnittene Leistungen.
„Die Berechnung und zusätzliche Offenlegung des bereinigten Gender Pay Gaps entwickeln sich zum Marktstandard. Nur so lassen sich komplexe Vergütungsstrukturen verständlich erklären.“
Sasa Basta, Principal Strategic People Advisory, Mercer
Gehaltsentwicklung aus Beratersicht
Unternehmen vieler Branchen stehen derzeit in Folge des Transformationsprozesses vor einer typischen, aber scheinbar widersprüchlichen Situation: Einerseits müssen sie auf sozialverträgliche Weise Personal abbauen, was mit erheblichen Kosten verbunden sein kann. Andererseits wollen sie Key Employees binden und neue Fachkräfte gewinnen, was sich ebenfalls im Personalbudget niederschlägt. Diese zwei parallelen Entwicklungen beschreibt Dr. Martin Hörtz, Partner und Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Görg. Damit der Umbau gelingt, benötigten Unternehmen seiner Meinung nach vor allem eine durchdachte Entlohnungsstruktur. Die Empfehlung lautet: „Budgets für Vergütungskomponenten, Benefits und Incentivierungsbausteine müssen bedarfsgerecht umgeschichtet und klug verteilt sowie für neu eingeführte Anreizsysteme genutzt werden.“
Eine ähnliche Entwicklung beobachtet Mercer: Einige Unternehmen konzentrierten sich derzeit auf Umstrukturierungen mit Personalabbau, andere planten Kostensenkungen, aber ohne Entgeltbestandteile zu streichen. „Gleichzeitig zeichnet sich ab, dass Arbeitgeber den Leistungsgedanken in der Vergütung wieder stärker priorisieren wollen,“ sagt Sasa Basta, Senior Principal, verantwortlich für Strategic People Advisory bei dem Beratungshaus. Nachdem in den letzten Jahren bei Gehältern eher Teamziele abgebildet wurden, planten Unternehmen nun, die individuelle Leistung stärker zu berücksichtigen.
Mittelständische Unternehmen, die unter Kostendruck stehen, setzen statt auf eine Bruttolohnerhöhung immer häufiger zur Lohngestaltung auf Benefits. Diese Erfahrung macht Magdalena Nübel, Head of Customer-Relationship-Management bei der Benefit-Plattform Belonio. Die zusätzlichen Sachbezüge seien eben nicht nur ein Element des Employer Brandings, sondern vor allem auch aus Kostenperspektive interessant, da viele Benefits sozialversicherungs- und steuerfrei oder steuerbegünstigt sind. Unternehmen entstünden weniger Kosten als bei einer Lohnerhöhung, und bei den Mitarbeitenden komme deutlich mehr netto an.
Info zum Round Table
Für ausgewählte aktuelle Themen lädt die Personalwirtschaft Expertinnen und Experten zu einem Round Table ein. Beim aktuellen Round Table diskutierten die Teilnehmenden über Entwicklungen und Herausforderungen im Bereich Vergütung. Die Expertenrunde wurde von Kirstin Gründel, Redakteurin der Personalwirtschaft, und Erwin Stickling, Herausgeber der Personalwirtschaft, moderiert.
„Für Beschäftigte liegt bei den Vergütungsrunden der Fokus nicht auf Benefits; die prozentuale Vergütungsanpassung ist für sie der entscheidende Faktor.“
Christian Thomas, Head of Compensation Benefits, Lufthansa AG
Gehaltsrunden aus Sicht von Lufthansa und GEA
EU-Entgelttransparenz duldet keinen Aufschub
Die Zeit läuft für Arbeitgeber – und auch für den deutschen Gesetzgeber. Unternehmen mit 250 oder mehr Mitarbeitenden müssen 2027 rückblickend für das Jahr 2026 die erste Meldung über ihr geschlechtsspezifisches Lohngefälle abgeben. Der Gesetzgeber wiederum muss die EU-Entgelttransparenzrichtlinie (EntgTranspRL) bis spätestens 7. Juni 2026 in nationales Recht umsetzen. Er hat zwar einen gewissen Spielraum dabei, wie er sie umsetzt und welche Sanktionsmechanismen er festlegt, aber davon sind die Mindestanforderungen, die Unternehmen nach der EU-Direktive erfüllen müssen, unberührt. Dazu zählen zum Beispiel eine regelmäßige Veröffentlichung der unbereinigte Gehaltsdaten, die interne Transparenz der Vergütungsstruktur, die individuelle Gehaltsauskunft sowie Verdienstangaben gegenüber Bewerberinnen und Bewerbern. Aufschieben ist also keine Option für Unternehmen, denn die Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben ist mit einem hohen administrativen Aufwand verbunden.
Lufthansa steckt gerade mitten im Umsetzungsprozess der Richtlinie. „Wer jetzt erst anfängt, ist spät dran“, sagt Christian Thomas von Lufthansa AG: „Letztlich geht es nicht nur darum, die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen. Auch aus Arbeitgebersicht sind faire Bezahlung und Transparenz ein sehr wichtiges und lohnenswertes Ziel, dem wir uns völlig unabhängig von gesetzlichen Regelungen verpflichtet fühlen.“ Allerdings entstehe durch die Anforderungen ein enormer initialer Aufwand allein für die Datenerhebung. Bei Lufthansa geht es um mehr als 100 000 Mitarbeiter in den verschiedenen Ländern. „Die Corporate Sustainability Reporting Directive und EU-Entgelttransparenzdirektive sind Aufgaben, die uns nachhaltig beschäftigen.“
„Idealerweise sollten HR und Führungskräfte bei der Konzeption der Jobarchitektur beziehungsweise des Job-Grading-Modells frühzeitig mit eingebunden werden.“
Dr. Martin Hörtz, Partner, Fachanwalt für Arbeitsrecht, GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB
Unbereinigte Lohnlücke kommunizieren?
Bei großen Unternehmen ist der Gender Pay Gap ohnehin schon durch die Berichterstattungspflichten der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) transparent – und somit auch für Investoren, Medien und die Öffentlichkeit sichtbar. Ab 2027 gilt die Transparenz gemäß der EntgTranspRL für fast alle anderen Unternehmen (für kleinere Betriebe gibt es eine Übergangsfrist): Sie sind verpflichtet, die geschlechtsspezifische Gehaltslücke an eine nationale Behörde zu berichten und intern zu kommunizieren. Sie müssen zwar nicht den bereinigten Gender Pay Gap veröffentlichen, ihn aber intern analysieren, wenn die unbereinigte Lücke größer als fünf Prozent ist. Zusammen mit den Arbeitnehmervertretungen sind sie dann verpflichtet, die Gründe zu prüfen und Maßnahmen zur Beseitigung zu ergreifen.
Die Mindestanforderung, also lediglich den unbereinigten Gender Pay Gap zu veröffentlichen, ist jedoch nicht unproblematisch. „Unkommentierte geschlechtsspezifische Lohnunterschiede werfen mit hoher Wahrscheinlichkeit Fragen bei Mitarbeitenden auf“, sagt Sasa Basta von Mercer. Der Grund: Der Fachwelt sind die strukturellen Unterschiede (mehr Frauen in Teilzeit, keine Berücksichtigung von Qualifikation, Berufserfahrung oder Position) zwar bekannt, aber der Belegschaft und der breiten Öffentlichkeit in der Regel nicht. „Der Marktstandard entwickelt sich hin zur Berechnung und zusätzlichen Offenlegung eines bereinigten Gender Pay Gaps. Nur so lassen sich komplexe Vergütungsstrukturen verständlich erklären und Vertrauen schaffen“, betont Sasa Basta. Laut Mercer-Berater ist es ratsam, „proaktiv zu handeln und die Zahlen einzuordnen“. Unternehmen, die erst im kommenden Jahr mit der Analyse ihrer Vergütungsstrukturen beginnen und die Meldung zum Gender Pay Gap lediglich als regulatorische Pflichtaufgabe behandelten, „verschenken die Chance, sich als attraktiver und verantwortungsbewusster Arbeitgeber zu positionieren“.
„Es ist Aufgabe der HR-Business-Partner, zusammen mit den Führungskräften die Mitarbeiter entsprechend der vorgegebenen Kriterien den Stellen gleicher Wertigkeit zuzuordnen.“
Niko Lymberopoulos, Vice President Total Rewards & Mobility, GEA Group
Die Kunst, eine stabile Jobarchitektur zu bauen
Die Definition von gleicher und gleichwertiger Arbeit ist Grundlage für eine nicht-diskriminierende und objektive Stellenbewertung – und gleichzeitig Baustein einer Jobarchitektur, die Entgelttransparenz und -gleichheit sicherstellen soll. Um diese Ziele zu erreichen, müssen Arbeitgeber zunächst auf die Vergütungsdaten aller Beschäftigten zugreifen. Da viele Unternehmen mit mehreren HR-Systemen arbeiten, kann es zeitaufwendig sein, diese zusammenzutragen. Bei der GEA Group liegen die Vergütungsdaten aller 18.000 Beschäftigten weltweit in einer globalen Datenbank, was ein großer Vorteil beim Zusammentragen der Daten war. Im nächsten Schritt bestand die große Herausforderung darin, „eine durchdachte und einheitliche globale Jobarchitektur zu entwickeln, auf deren Basis die Stellen vergleichbar sind und die gleichzeitig den unterschiedlichen länderspezifischen Anforderungen genügt“, erläutert Niko Lymberopoulos. Dies ist gelungen: Die Jobarchitektur soll im Sommer ausgerollt werden und ab Januar 2026 weltweit in der Matrixorganisation in allen 60 Ländern regional und divisional gelten. „Ein Selbstläufer ist die Umsetzung der Direktive keinesfalls, oft steckt die Tücke im Detail“, gibt Niko Lymberopoulos zu. So gelten zum Beispiel in vielen Ländern nicht nur unterschiedliche gesetzliche Regelungen, sondern auch andere Vorschriften bei der Mitbestimmung. Zudem komme es in den diversen kulturellen Umfeldern zu divergierenden Einschätzungen von Stellenwertigkeiten, beispielweise aufgrund unterschiedlicher Ausbildungswege. „Es ist sehr wichtig, über Trainings und Enablements ein gleiches Verständnis herzustellen sowie mittels Kalibrierung zu vergleichbaren Ergebnissen zu kommen.“
Die Total-Rewards-Rolle beschreibt Niko Lymberopoulos vor dem Hintergrund der Direktive mit der „eines Rahmengebers und Prozesstreibers“. Er erklärt: „Die Zuordnung der Stellen ist aber Aufgabe der HR-Business-Partner; sie müssen zusammen mit den Führungskräften die Mitarbeiter den Stellen mit gleicher Wertigkeit anhand der vorgegebenen Kriterien zuordnen.“
Idealerweise sollten HR und Führungskräfte bei der Konzeption der Jobarchitektur beziehungsweise des Job-Grading-Modells frühzeitig miteingebunden werden, rät auch Martin Hörtz von Görg: „Die beste Konzeption funktioniert nicht, wenn die operativen Stelleneinwertungen und Gehaltsbandzuordnungen nicht richtig vorgenommen werden, weil zum Beispiel die Kriterien und die Bewertungsaspekte nicht praxistauglich sind.“ Zudem sollte gerade zu Beginn der Anwendung eines neuen oder modifizierten Job-Grading-Modells ein zentraler Kontrollprozess implementiert werden, um eine einheitliche Anwendung sicherzustellen.
Regulierung trifft auch Tarifpartner
Nicht wenige tarifgebundenen Unternehmen gehen davon aus, dass die EU-Entgelttransparenzrichtlinie sie nur am Rande berührt. Das ist so nicht richtig. Martin Hörtz von Görg stellt fest: „Auch in Bezug auf den Tarifbereich und die jeweils einschlägigen Tarifverträge muss vor dem Hintergrund der Entgelttransparenzrichtlinie geschaut werden, wie man sich zum Thema Stelleneinwertung und den dafür maßgeblichen Kriterien verhält.“ Sinnvoll sei es, sich frühzeitig proaktiv mit der Herangehensweise zu beschäftigen. Die Tarifpartner sollten außerdem bereits im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens auf gute Lösungen hinwirken.
Sind im Tarifvertrag bereits transparente und diskriminierungsfreie Vergütungsstrukturen umgesetzt, stehen die Parteien auf der sicheren Seite – vorausgesetzt, die Stellenprofile sind noch aktuell. Auf jeden Fall müssen tarifgebundene Unternehmen aber ebenso die interne Auskunftspflicht und die Berichtspflichten sicherstellen.
Haben Betriebe, die der Entgelttransparenzrichtlinie bisher aus dem Weg gegangen sind, noch eine Chance, pünktlich im Jahr 2027 ihren Gender Pay Gap vorzulegen? Ob das gelingt, ist davon abhängig, ob es im Unternehmen bereits eine Jobarchitektur und ein Grading gibt, auf deren Basis die Wertigkeit von Stellen verglichen werden kann, sagt Mercer-Berater Sasa Basta und ergänzt: „Doch selbst wenn ein solches System vorhanden ist, kann eine Re-Evaluierung notwendig sein, um zu überprüfen, ob die Stellenbeschreibungen noch passen und ob die Zuordnung nach objektiven und nicht-diskriminierenden Kriterien vorgenommen wurde.“ Es werde zeitlich auf jeden Fall eng, wenn noch kein einheitliches Vergütungssystem vorliegt.
Was beim Thema Entgelttransparenz ebenfalls nicht vergessen werden darf: Klarer Durchblick bei den Gehältern bedeutet auch einen kulturellen Change; er geht mit einer neuen Form der Offenheit und Transparenz einher, da Gehaltsdaten gläsern werden (müssen). Martin Hörtz von Görg sagt: „Arbeitgeber und Arbeitnehmer werden sich darauf einstellen müssen, dass dies mit einem neuen Mindset im Unternehmen verbunden sein wird, der ohne eine gute Kommunikation nicht gelingt.“
„Benefits sind nicht nur ein Element des Employer Branding, sondern vor allem auch aus Kostenperspektive interessant, da viele sozialversicherungs- und steuerfrei sind.”
Magdalena Nübel, Head of Customer Relationship Management, Belonio GmbH
Benefits: Gewohnheitsrecht oder Wertschätzung?
Große Unternehmen und auch viele Mittelständler bieten eine breite Palette an Benefits an, von der betrieblichen Altersversorgung (bAV) über einen Kindergartenzuschuss und Maßnahmen der Gesundheitsförderung bis hin zu einem Jobticket. Welche Rolle spielen diese Nebenleistungen heute? Erhöhen sie die Mitarbeiterzufriedenheit und -bindung? „Entscheidend für den Impact von monetären Benefits ist, dass der Vorteil von Mitarbeitenden wahrgenommen wird“, argumentiert Magdalena Nübel von Belonio. Das klinge einfach, scheitere aber trotzdem in vielen Unternehmen. Der Schlüssel zur Wertschätzung der Zusatzleistung sei Individualität und Wählbarkeit. Wenn Mitarbeitende ihr Benefit-Budget selbst verteilen können, komme der Mehrwert an. Bei der Entscheidung, welche Zusatzleistungen Arbeitgeber anbieten wollen, sind aus Sicht von Magdalena Nübel vor allem zwei Aspekte zu berücksichtigen: Für welche Werte steht das Unternehmen, und welche Botschaften möchte es nach außen und innen tragen? Und welche internen Zielgruppen, je nach Lebensphase der Beschäftigten, sollen angesprochen werden? Liegen die Antworten darauf vor, könne mit dem Kunden zusammen auf Grundlage der finanziellen Rahmenbedingungen ein passendes, wirksames Konzept entwickelt werden.
Es liegt jedoch im Charakter von Benefits, dass sie als Gewohnheit wahrgenommen werden. Beschäftigten sei nicht immer bewusst, dass diese Zusatzleistungen nicht selbstverständlich sind, merkt Sasa Basta an. Eine aktuelle Mercer-Studie zeigt, dass ein Großteil der Unternehmen Benefits als wichtig sowohl für die Bindung als auch für die Gewinnung von Talenten beurteilt. Allerdings bietet weniger als ein Fünftel der Unternehmen voll- oder teilflexible Leistungen an, „sprich: Benefits werden immer noch gleichmäßig über alle Zielgruppen verteilt und nicht entlang der Bedürfnisse der Zielgruppe“.
Aus Mitarbeitersicht liegt bei den Vergütungsrunden der Fokus nicht auf Benefits, „die prozentuale Vergütungsanpassung ist für sie der entscheidende Faktor“, gibt Christian Thomas von Lufthansa zu bedenken. Für das Unternehmen seien Benefits dagegen ein wesentliches Differenzierungsmerkmal im Markt, das die Identifikation mit dem Unternehmen stärke. Kulturprägend für Lufthansa ist das Thema Mobilität, daher seien die Mobilitäts-Benefits ein immens wichtiges Tool im Portfolio. „Ebenso ist Sicherheit ein Wert, der in der DNA des Unternehmens verankert und auch Mitarbeitern ein sehr wichtiges Anliegen ist. Dies spiegelt sich in unseren Benefits – von der bAV bis zu Gesundheitsprogrammen.“
Eine ähnliche Haltung vertritt Niko Lymberopoulos: „Benefits sind kein Steuerungsinstrument, aber trotzdem sehr wichtig, wenn sie mit der Strategie verknüpft sind.“ Die GEA Group hat einen „Benefits Guidance“ entwickelt. Er ist abgeleitet von der Employer Value Proposition, die festgelegt hat, wofür das Unternehmen steht. Damit verknüpft sind drei Global Flagship Benefits: Erstens ein Voluntary Day; zweitens der All-Staff-Bonus, ein Erfolgsbeteiligungsplan, bei dem jeder Beschäftigte abhängig von der Zielerreichung in den vergangenen Jahren 700 bis 800 Euro erhielt (bei vorzeitiger Zielerreichung wird aus dem Sonderbonus ein vierstelliger Beitrag); das dritte Benefit ist ein EAP (Employer Assistance Program), das weltweit sichergestellt wird.
Arbeitsrechtler Martin Hörtz von Görg plädiert für eher anlassbezogene Boni, da die Incentivierungswirkung einer Fixgehaltserhöhung nach drei Monaten verpuffe. Gleiches gelte für Benefits, die nach einer gewissen Zeit oft als Standard wahrgenommen werden. „Nach Erreichung von Meilensteinen wie zum Beispiel erfolgreichen Projektabschlüssen werden Zusatzleistungen als große Anerkennung wertgeschätzt, die auch Anreizwirkungen entfalten können.“ Komponenten wie Funktions- beziehungsweise Rollenzulagen, Leistungsanerkennungs- oder Partizipationsprämien zählen zu den verschiedenen Belohnungsmöglichkeiten, so dass Unternehmen situationsabhängig reagieren können.
KI auf dem Radar
Kommunikation, Chatbot, KI-Agent: Viele Aufgaben können KI-Tools dem HR- und Comp-&-Ben-Management bereits abnehmen. Aber gibt es schon Lösungen, die dem Reward-Management bei Neueinstellungen auf dem Dashboard ein internes Gehaltsmatching, das Risikoprofil und den Marktvergleich anzeigen? Das ist noch Zukunftsmusik. Doch viele Hintergrundarbeiten, die HR heute „manuell“ erledigt, werden durch Künstliche Intelligenz (KI) unterstützt oder übernommen. Christian Thomas von Lufthansa geht davon aus, dass KI zukünftig Stellenbewertungen vornehmen, zu einer objektiveren Stellenbewertung beitragen und damit auch eine bessere Grundlage für faire Vergütungsstrukturen legen kann. Vorausgesetzt, die Datenlage im Unternehmen sei gut genug, um eine KI damit arbeiten lassen zu können, wendet Sasa Basta von Mercer ein. Vergütungsdaten seien oft fragmentiert, historisch gewachsen und nicht in einer einheitlichen Struktur verfügbar. „Ohne eine saubere, gut kuratierte Datenbasis laufen KI-Modelle Gefahr, bestehende Ungleichheiten zu reproduzieren oder falsche Empfehlungen auszusprechen.“ Darüber hinaus fehle es häufig an Transparenz über die Entscheidungslogik von KI-Systemen, aber Transparenz sei ein wesentliches Kriterium im sensiblen Compensation-&-Benefits-Bereich. „Bevor sich eine KI in Vergütungsprozessen sinnvoll einsetzen lässt, muss zunächst ein hoher Reifegrad in der Datenarchitektur und im Governance-Modell erreicht werden.“
Auch aus diesem Grund beherrschen KI-Tools Personalkosten- oder andere Budgetplanungen noch nicht. Was sich bereits bewährt, sind KI-Tools beispielsweise für Jobarchitekturen, Job Descriptions und Job Adverts, sagt Niko Lymberopoulos von GEA. HR und Comp & Ben könnten derzeit noch mehr Chat Bots nutzen, um die Hotlines zu entlasten. „Theoretisch ist das zwar mit Self-Service-Lösungen schon möglich, doch die Beschäftigten wollen immer auch einen persönlichen Ansprechpartner.“
KI-Tools können künftig zum Beispiel auch dabei unterstützen, die passende Benefit-Konstellation für einzelne Mitarbeitende – etwa basierend auf deren Familienstand und Position – vorzuschlagen, prognostiziert Magdalena Nübel von der Plattform Belonio: „In der Praxis sehen wir jedoch, dass viele Unternehmen beim Benefit-Management noch nicht im digitalen Zeitalter angekommen sind.“ Papierschecks für den Essenszuschuss werden per Hand verteilt und die Gutscheine an der Tankstelle persönlich gekauft und verteilt. Der nächste logische Schritt für Arbeitgeber liege zunächst einmal darin, Plattformlösungen zu nutzen – zentral, digital und gut verknüpft mit dem HR-System. Der Dokumentationsaufwand entfalle dabei, und die Administration werde wesentlich komfortabler.
Bevor KI sinnvoll im Unternehmenskontext eingesetzt werden kann, sollten aber noch zwei Bedingungen erfüllt sein: Das entsprechende Know-how und eine KI-Konzepten sollten vorhanden sein und, so mahnt Martin Hörtz von Görg: „Unternehmen müssen Mitarbeitenden einen klaren und transparenten Rahmen für die Nutzung von KI vorlegen.“
Fotos: Bernd Roselieb