Da musste der 40-Jährige vermutlich erst einmal tief Luft holen: Sein Eilantrag auf Einstellung in den mittleren Dienst der Vollzugspolizei wurde vom Verwaltungsgericht (VG) Berlin abgeschmettert – weil er offenbar gekifft hatte. Er selbst sah sich jedoch gesundheitlich für den Dienst geeignet. Die Konzentration von Tetrahydrocannabinol-Carbonsäure (THC-COOH) im Blut sprach eine andere Sprache. Eine Untersuchung im September 2017 hatte einen Wert von 300 ng/ml des Cannabis-Abbauprodukts zutage gefördert. Der Polizeipräsident lehnte ihn wegen Polizeidienstuntauglichkeit ab
Im Januar 2018 hatte sich der Mann ein zweites Mal beworben – und wurde am 27. März wieder abgelehnt. Ohne neuerliche Untersuchung vermerkte der Polizeiarzt: „Kein Jahr abstinent.“ Den Richtlinien für Suchterkrankungen bei der Berliner Polizei zufolge ist aber genau dies nötig. Dagegen erhob er Klage und begehrte vorläufigen Rechtsschutz. Seine Eile war verständlich, weil er die für die Einstellung geltende Höchstaltersgrenze von 40 Jahren zu reißen drohte. Im Februar und März durchgeführte Tests würden belegen, dass er keinerlei Drogen konsumiere.
Polizist muss Auto fahren können
Die Richter am VG ließen seinen Traum, Polizist zu werden, allerdings in Rauch aufgehen. Die Argumentation klingt auf den ersten Blick etwas überraschend, wenngleich sie nicht verkehrt ist: Cannabiskonsum könne die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen in Zweifel ziehen. Autofahren zähle aber zu den Aufgaben von Polizeivollzugsbeamten. Wer weniger als ein Jahr abstinent sei, sei damit auch nicht uneingeschränkt polizeidienstfähig.
Dass der Mann behauptete, kein Konsument zu sein, nahm ihm das Gericht angesichts der festgestellten Blutwerte nicht ab. Wie sich sein Konsumverhalten seit September 2017 entwickelt habe, stehe nicht fest. Seine eigens vorgelegten Untersuchungsergebnisse seien nur von „geringem Aussagewert“, wenn sie außerhalb eines Drogenkontrollprogramms entstanden seien. Er habe zudem nicht glaubhaft machen können, dass die Polizei seine Bewerbung fehlerhaft abgelehnt hat. An der gesundheitlichen Eignung könne es mangeln, wenn der Betroffene aktuell den Anforderungen nicht genügt. Dem Dienstherrn stehe dabei ein weiter Einschätzungsspielraum zu. „Nicht zu beanstanden ist, dass der Antragsgegner Drogensüchtige für polizeidienstunfähig hält“, heißt es in der Abschrift des Beschlusses. Der festgestellte THC-Carbonsäure-Wert sei zwar kein Anzeichen für Drogensucht, „sondern nur für den Konsum von Cannabis“. Aber die Polizei habe den Bewerber nicht als Drogensüchtigen abgelehnt, sondern weil sie ihn aufgrund des zuvor konsumierten Cannabis für polizeidienstuntauglich hielt.
„Bierchen wird auch toleriert“
Die Entscheidung findet der Deutsche Hanfverband (DHV) ungerecht. Vize-Geschäftsführer Florian Rister sagte der Taz: „Bewerber, die abends ein Bierchen trinken, werden von der Polizeibehörde schließlich auch toleriert.“ Für einen Feierabendjoint habe das gleichfalls zu gelten. Der im konkreten Fall festgestellte Wert lasse auf „zwei bis drei Joints“ schließen, die eine Woche bis drei Monate vor der Blutentnahme geraucht wurden,, führte Rister gegenüber der Zeitung weiter aus. Laut Straßenverkehrsordnung würde aber lediglich als fahruntüchtig gelten, wer aktives THC im Blut habe, das sich dort maximal zehn Tage halte. Er schließt mit einer gewagten These: Würden andere Branchen ähnliche Maßstäbe an Bewerber anlegen wie die Polizei, ließen sich kaum noch Kraftfahrer finden. Inwiefern die Entscheidung des VG Berlin auch als Signal für die Einstellungsbereitschaft von (ehemaligen) Cannabisbiskonsumenten bei anderen Landespolizeibehörden angesehen werden kann, sei bestenfalls abzuschätzen, heißt es im Portal „Deutsche Anwaltauskunft“. Es liege allerdings die Vermutung nahe, dass Bewerber in Bayern oder BadenWürttemberg im Zweifelsfall eher auf weniger als auf mehr Nachsicht stoßen werden.
„Wer Polizist werden möchte, kann keine Drogen konsumieren.
Das geht im Polizeibereich gar nicht“, unterstrich
jedenfalls der thüringische Innenminister Georg Maier
(SPD) gegenüber der Leipziger Volkszeitung. Auslöser war
der Fund von Cannabis an der Polizeischule in Meiningen
im November 2017. Unter Verdacht standen vier 18 bis 20
Jahre alte Polizeianwärter.
Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 4. Juli 2018 (Az.: VG 26 L 130.18)
David Schahinian arbeitet als freier Journalist und schreibt regelmäßig arbeitsrechtliche Urteilsbesprechungen, Interviews und Fachbeiträge für die Personalwirtschaft.