Erfolgt eine Zielvorgabe erst zu einem so späten Zeitpunkt im Kalenderjahr, dass sie ihre Anreizfunktion nicht mehr sinnvoll erfüllen kann, ist sie so zu behandeln, als sei sie überhaupt nicht erfolgt. Der Mitarbeiter kann dann einen Anspruch auf Schadensersatz geltend machen. Das geht aus einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln hervor (LAG Köln, Urteil vom 06.02.2024, Aktenzeichen 4 Sa 390/23). Gemäß dem Urteil ist die Zielvorgabe als verspätet anzusehen, wenn das Geschäftsjahr bereits zu mehr als drei Vierteln abgelaufen ist. Eine Anreizfunktion der Zielvorgabe wird nicht per se dadurch ausgeschlossen, dass die unterlassene Zielvorgabe unternehmensbezogene Ziele betrifft, befand das Gericht.
Schadensersatzklage vor dem LAG erfolgreich
Das LAG Köln hatte über die Klage eines Arbeitnehmers zu entscheiden. Für dessen Arbeitsverhältnis war ein Fixgehalt plus eine variable Vergütung vereinbart. Vertraglich vorgesehen war, dass der Mitarbeiter bis zum 1. März des Kalenderjahres eine zuvor mit ihm besprochene Zielvorgabe erhält, die sich aus Unternehmenszielen und individuellen Zielen zusammensetzt. Gemäß der Vereinbarung richtet sich der variable Gehaltsbestandteil nach dem Erreichen der Zielvorgabe. Für das Kalenderjahr 2019 versäumte der Arbeitgeber eine rechtzeitige Zielvorgabe. Eine konkrete Vorgabe der unternehmensbezogenen Ziele erfolgte dem Beschäftigten gegenüber erst im Herbst 2019. Nach Ansicht des LAG Köln begründet die verspätete bzw. nicht erfolgte Zielvorgabe eine Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers.
Anreizfunktion der Zielvorgabe konnte nicht mehr erfüllt werden
Das LAG schloss sich in seinem Urteil der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts an, wonach eine Zielvereinbarung spätestens nach Ablauf der Zeit, für die ein Arbeitgeber mit einem Arbeitnehmer Ziele zu vereinbaren hat, nicht mehr möglich ist. Eine Zielvereinbarung könne entsprechend dem Leistungssteigerungs- und Motivationsgedanken ihre Anreizfunktion nur dann erfüllen, wenn der Arbeitnehmer bereits bei der Ausübung seiner Tätigkeit die von ihm zu verfolgenden Ziele kenne und wisse, auf das Erreichen welcher persönlicher und unternehmensbezogener Ziele der Arbeitgeber in dem jeweiligen Zeitraum besonderen Wert lege und deshalb bereit sei, bei Erreichung dieser Ziele den zugesagten Bonus zu zahlen. Eine der Leistungssteigerung und dem Motivationsgedanken und damit dem Sinn und Zweck einer Zielvereinbarung gerecht werdende Aufstellung von Zielen für einen vergangenen Zeitraum sei deshalb nicht möglich, so das Gericht.
ist freier Journalist aus Biberach/Baden und schreibt regelmäßig News und Artikel aus dem Bereich Arbeitsrecht.