Personalwirtschaft: Herr Schöning, Sie bieten einen Workshop an, der HR gegen rechts stärken und im Umgang mit radikalen Äußerungen im Betrieb schulen soll. Wie kam es dazu?
Andreas Schöning: Die Idee kam spontan nach einer Session bei einem Barcamp im Jahr 2016, die ich gemeinsam mit der Rechtsanwältin Nina Diercks initiiert hatte. Da ging es um einen Fall, in dem ein Mitarbeiter eines Unternehmens sich radikal in sozialen Medien geäußert hatte. Der Arbeitgeber wurde massiv aufgefordert, Stellung zu beziehen, er stand unter Druck.
Und?
Schlussendlich hat sich der Arbeitgeber klar distanziert, die Aussagen verurteilt. Soweit ich weiß, zog das Ganze außerdem arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich.
Sie beschreiben einen Fall, in dem schon etwas passiert ist. Aber gehen wir einen Schritt zurück: Wie verhindert man solche Äußerungen?
Zunächst gilt: Wir sprechen bei dem Thema von radikalen Äußerungen generell – egal ob sie von rechts oder links kommen. Und natürlich: Wenn in dem Kontext etwas sinnvoll ist, dann Prävention. Dabei machen Schulungen Sinn, aber auch so einfache Dinge wie Aushänge am Schwarzen Brett oder Infos im Intranet, in denen das Unternehmen klar Stellung bezieht. Entscheidend ist ein offener und gezielter Umgang mit dem Thema, die Kommunikation darf keinerlei Fragen offen lassen.
Müssen Arbeitgeber auch dann etwas tun, wenn sie keine radikalen Umtriebe erkennen?
Es ist leider so, dass radikale Äußerungen oder Diskriminierung sehr häufig vorkommen, ohne als solche erkannt zu werden (Lesen Sie auch „Die braune Gefahr„). Deshalb lohnt es zumindest, sich zu hinterfragen. Grundsätzlich ist aber nicht nur der Arbeitgeber gefordert. Zivilcourage findet durch jeden einzelnen Mitarbeiter oder jede einzelne Mitarbeiterin statt – oder eben nicht.
Wo setzt Ihr Workshop „HR gegen Rechts“ genau an?
Ich versuche zu vermitteln, wie das Problem zu lösen ist. Zunächst geht es darum, das Schweigen zu durchbrechen. Als beim Barcamp zum Beispiel ein Unternehmer von Diskriminierung berichtet hat, haben viele gesagt: „Das gibt es bei uns auch.“ Weiterhin ist zu klären, wo Meinungsfreiheit aufhört und rechtswidrige Hetze anfängt.
Was justiziabel ist, sollte den Gerichten überlassen werden
– Firmen sollen ja keine Paralleljustiz aufbauen. Als dritten Schritt gilt es, einen Krisenplan festzulegen, der genau klärt, was passiert, wenn es zu rassistischen Sprüchen kommt. Außerdem versuche ich, den Teilnehmern die Angst zu nehmen, sich zu klaren Werten zu bekennen.
Ist das Problem heute größer als früher, oder wirkt das nur so?
Das Jahr 2016 war eine Zäsur. Nachdem 2015 viele Flüchtlinge gekommen waren, gab es gerade online viele radikale Äußerungen. Die Stimmung war aufgeheizt. Zwischenzeitlich war die offensichtliche Hetze etwas zurückgegangen, aktuell kommt das Thema aber leider wieder verstärkt vor. Und gegen radikale, aber sachlich formulierte Aussagen lässt sich bisweilen noch schwierig vorgehen.
Welche Rolle spielt HR in diesem Problemfeld?
Wenn HR nur Personalverwalter ist, kann es nicht funktionieren. Es gibt Unternehmen, die erkannt haben, dass HR mit am Tisch sitzen muss, wenn wichtige Entscheidungen fallen. Nur so lassen sich nachhaltig ein vernünftiges Betriebsklima und eine klare Kommunikationskultur durchsetzen.
Viele Firmen veröffentlichen wohlformulierte Statements gegen Rassismus, aber der Arbeitsalltag ändert sich dadurch kaum. Wie gelingt der Schritt hin zur Umsetzung?
Unternehmen müssen klar Stellung beziehen. Aber ein solches Statement ist nur etwas wert, wenn es mit Leben gefüllt wird. Soziales Greenwashing darf nicht das Ziel sein. Die leisen Maßnahmen sind wichtig, Fortbildungen, Gespräche – aber vor allem eine klare Haltung. Die entscheidet am Ende des Tages.