Bild: LG Electronis
Unter den 200 obersten Führungskräften des koreanischen Mischkonzerns LG Electronics ist der Jurist Oliver Grohmann einer von zwei Ausländern und der einzige in der Konzernzentrale. Nach einer langen Karriere bei Daimler wurde der HR Allrounder im Sommer letzten Jahres als Vice President Global HR nach Seoul gerufen, um sich um alle 40.000 Mitarbeiter außerhalb Koreas zu kümmern.
Sage einer, Karriere brauche viele Wechsel: Oliver Grohmann ist 47 Jahre alt und hat nach ersten Stationen als Anwalt gerade mal drei Konzerne von innen gesehen. Nach zwei Jahren Lufthansa und 16 Jahren Daimler arbeitet der vom Jurist zum Personaler gewandelte Berliner seit letztem August bei LG in Seoul. Das Unternehmen beschäftigt rund 80.000 Mitarbeiter und gehört zu den weltweit führenden Herstellern für Verbraucherelektronik, mobile Kommunikation, Haushaltsgeräte und, neu, für die Automobilindustrie. Grohmann ist zuständig für die Personalarbeit in 90 Ländern. Etwa die Hälfte des Monats verbringt der Globetrotter außerhalb von Korea. „Irgendwo brennt es immer“, sagt der Personaler. Sein HR-Team umfasst insgesamt rund 600 Mitarbeiter, ganze zwölf davon sitzen in Seoul.
Die Aufgabe sei extrem spannend, sagt Grohmann.
Ziel ist es, den traditionellen Konzern mit seiner starken Produktpalette zu transformieren und fit zu machen für die Zukunft.
Das scheint keine leichte Aufgabe. Der Deutsche beschreibt eine noch immer hierarchische Kultur unter dem Primat der Seniorität, exzellent organisiert, aber mit Vorsicht gegenüber allem, das „anders“ ist. Er sieht sich als Exot in der Zentrale – auch wenn er die letzten fünf Jahre als oberster Personaler für Daimler und Mercedes-Benz Cars in Singapur verbracht und die asiatische Kultur dabei gut kennengelernt hat. Anstatt dem Ruf nach Stuttgart zu folgen, ließ er sich auf die Herausforderung Seoul ein. Der Vater zweier Teenies hatte sich noch mal einem ganz anderen Land und ganz anderen Aufgaben stellen wollen. Man sagt über Auslandsmanager: They never come back. Auch Grohmann könnte für die Heimat verloren sein.
Verstehen lernen – aber dennoch anders sein dürfen
Am Anfang hieß es für ihn: Organisation und Kultur verstehen, seine Ideen vorstellen und zwischendurch mit einem Knopf im Ohr den Meetings in der Zentrale folgen. Grohmann lernt zwar ein wenig Koreanisch, aber ohne die Hilfe von Dolmetschern geht es nicht. Verständnis und Vertrauen brauche Zeit. „Man schaut schon kritisch hin, weil ich anders bin. Manchmal bemerke ich, dass mein Team etwas anders verstanden hat, als ich es gemeint habe.“ Der Deutsche möchte grundsätzlich alle Meinungen hören, auch oppositionelle. Das ist eher unüblich in Korea. Andersartigkeit wird kritisch beäugt.
Das gilt auch für die Personalarbeit. „LG arbeitet mit den modernen Instrumenten der Personalarbeit, aber zum Teil mit anderen Ausprägungen“, erklärt Grohmann. „Auf Überschriftenebene ist vieles mit den Ansätzen anderer multinationaler Konzerne vergleichbar. Aber wenn man in die Details einsteigt, gibt es Unterschiede.“
Zum Beispiel bei Stellenbesetzungen. „In westlichen Unternehmen schreibt man Stellen aus, lädt Bewerber ein und stellt damit sicher, dass die Interessen von Unternehmen und Mitarbeiter zusammenfließen“, erläutert der Personaler. „In Korea werden Stellen oft nicht ausgeschrieben. Vielmehr wählt der Vorgesetzte für den Mitarbeiter aus und der vertraut darauf, dass sein Chef schon die richtige Entscheidung trifft.“
Seine größte Aufgabe sei, die Internationalisierung des Unternehmens voranzutreiben. „Jahrelang hat es sehr gut funktioniert, koreanische Führungskräfte in die Märkte zu schicken“, sagt Grohmann. „Jetzt müssen wir die Zusammensetzung des Führungsteams verbreitern. Wir brauchen mehr Vielfalt im Executive Bereich.“ Auch mit Themen wie Work Life Balance, flexible Arbeitszeiten und Vertrauensarbeitszeit täten sich traditionelle Koreaner schwer. Dennoch: „LG ist ein tolles Unternehmen mit besten Produkten und hervorragenden Mitarbeitern“, sagt Grohmann.
Veränderung braucht Zeit, Geschick und viel harte Arbeit. Aber ich bin sicher, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
Die Bretter, die der Deutsche zu bohren hat, dürften zu den dickeren gehören.
Autorin: Christine Demmer, Freie Journalistin, Värnamo/Schweden
Dieser Beitrag ist Teil I unserer Serie Personaler im Ausland. Lesen Sie hier die anderen Teile:
› Teil IV: „Eigentlich wollte ich nur zwölf Monate bleiben“ – Anja Siedhoff bei CEPSA, Spanien