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Arbeitgeber müssen verstehen, was Mitarbeiter wollen

Prof. Dr. Tobias Dauth, Gruppenleiter am Fraunhofer-Zentrum für Internationales Management und Wissensökonomie und Professor an der Handelshochschule Leipzig (HHL).
Foto: © HHL
Prof. Dr. Tobias Dauth, Gruppenleiter am Fraunhofer-Zentrum für Internationales Management und Wissensökonomie und Professor an der Handelshochschule Leipzig (HHL).
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Bis vor kurzem galt Unternehmenskultur als nicht oder nur schwer messbar. Prof. Dr. Tobias Dauth, Gruppenleiter am Fraunhofer-Zentrum für Internationales Management und Wissensökonomie (IMW) und Professor an der Handels- hochschule Leipzig (HHL), hat jetzt sieben Dimensionen identifiziert, die eine positiv geprägte Kultur kennzeichnen und im Rahmen von Mitarbeiter- befragungen Auskunft über den Ist-Zustand und die Entwicklung geben.

Personalwirtschaft: Kommunikation, interessante Aufgaben, Vorgesetztenverhalten, Kollegenzusammenhalt, Work Life Balance, Arbeitsatmosphäre und Arbeitsbedingungen – diese Faktoren sind nach Ihren Erkenntnissen ausschlaggebend für eine positive Unternehmenskultur. Zusätzlich zur aktuellen Stimmung der Mitarbeiter können sie seit kurzem mit dem neuen Feedback-Tool von > Kununu Engage wöchentlich abgefragt werden. Geht es dabei nicht vor allem um die Zufriedenheit der Mitarbeiter?
Tobias Dauth: Das muss ich mit einem klaren „Nein“ antworten. Unsere Schlüsselfaktoren sind bewusst breit gefasst, weil wir nicht davon ausgehen, dass ausschließlich die Zufriedenheit der Mitarbeiter über eine gute (oder schlechte) Unternehmenskultur entscheidet. Lassen Sie es mich so formulieren: Viele der Treiber, die wir messen, können die Mitarbeiterzufriedenheit beeinflussen. Aber Unternehmenskultur geht über Mitarbeiterzufriedenheit hinaus. In den Interviews, die wir durchgeführt haben, haben wir übrigens viele Aspekte guter Unternehmenskultur identifiziert. So prägen beispielsweise die Feedbackkultur und der Kommunikationsstil zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern die Kultur eines Unternehmens. Aber auch hier gilt: Ein „guter Draht zum Chef“ führt nicht automatisch zu einer guten Unternehmenskultur.

Welche Kennzahlen zur Unternehmenskultur bekommen Unternehmen konkret an die Hand, wie werden sie abgebildet?
Sie können sich das so ähnlich wie ein „Kultur-Cockpit“ vorstellen. Jeder einzelne Schlüsselfaktor wird in zehn bis zwölf Indikatoren übersetzt, die gemessen und grafisch aufbereitet werden. So sehen Vorgesetzte quasi in Echtzeit, an welcher Stelle es Probleme gibt. Bei der Dimension „Vorgesetztenverhalten“ können wir beispielsweise messen, ob die Mitarbeiter genügend Zeit für Abstimmungen mit ihrem Chef haben und ob es möglich ist, auch private Themen mit dem Vorgesetzen zu besprechen.

Anhand der wöchentlichen Auswertungen oder auch im Zeitverlauf erkennen Arbeitgeber also, wo es hakt und wo Handlungsbedarf besteht und können, sofern möglich (die meisten Dimensionen lassen sich ja nicht ad hoc ändern), darauf einwirken?
Richtig. Natürlich gibt es einige Faktoren, die Arbeitgeber nicht andauernd und kurzfristig ändern können, zum Beispiel das Gehalt der Mitarbeiter. Aber viele unserer Indikatoren beziehen sich auf alltägliche Situationen, die durchaus „steuerbar“ und verbesserungsfähig sind. In unseren Interviews haben wir zudem gelernt, dass schon kleine Signale eine große Wirkung haben können: Regelmäßige After-Work-Aktivitäten können den Teamgeist (und auch die Mitarbeiterzufriedenheit) positiv beeinflussen – eine Maßnahme, die viele Unternehmen sehr schnell umsetzen können.

Durch eine positive Unternehmenskultur und hohe Mitarbeiterzufriedenheit soll vor allem das Mitarbeiter-Engagement gesteigert werden. Es gibt Studien, nach denen nur 15 Prozent der Arbeitnehmer als wirklich motiviert gelten und 70 Prozent Dienst nach Vorschrift machen. Das Engagement hängt nicht nur von der Unternehmenskultur ab, sondern auch von persönlichen Einstellungen. Wie schätzen Sie die Möglichkeiten ein, über eine positive Unternehmenskultur Einfluss zu nehmen, wenn keine intrinsische Motivation vorhanden ist? Oder geht es Ihrer Erfahrung nach ohnehin vorrangig darum, die engagiertesten Mitarbeiter zu binden?
Da haben Sie natürlich recht. Unternehmenskultur ist kein Allheilmittel für alle Probleme des Personalmanagements. Die in Ihrer Frage – zumindest indirekt – enthaltene Aussage, dass viele Mitarbeiter eher unmotiviert sind, akzeptiere ich aber nicht. Es ist doch eine zentrale Aufgabe eines Arbeitgebers, die Fähigkeiten, Kompetenzen und Neigungen der Mitarbeiter zu identifizieren und diese dann so einzusetzen, dass beide Seiten mit ihrer jeweiligen Situation zufrieden sind. Unser Tool setzt genau hier an und ermöglicht es Unternehmen zu verstehen, was Arbeitnehmer wollen, um gute Leistungen zu bringen und eben nicht in den Dienst-nach-Vorschrift-Modus zu verfallen.

Gibt es bereits Rückmeldungen von Unternehmens- und/oder Mitarbeiterseite zum neuen Feedback-Tool?
Ja. Wir hatten bereits einige Gespräche mit Arbeitnehmern und Arbeitgebern, die uns klar signalisiert haben: „Wir brauchen das, was ihr hier entwickelt, dringend in unserer täglichen Arbeit“. Mitarbeiter, weil sie relevante Themen, die sie beschäftigen, anonym und rasch intern aufzeigen können. Und Unternehmen, weil sie Probleme frühzeitig identifizieren und schnell darauf reagieren können.

Wie anonym sind die Bewertungen wirklich? Vor allem wenn es nicht unternehmensweit, sondern nur in einzelnen Teams eingesetzt wird, sind bestimmte Freitextangaben dann nicht doch einzelnen Mitarbeitern zuzuordnen. Besteht da nicht die Möglichkeit, dass Mitarbeiter nicht ehrlich sind?
Grundsätzlich gilt: Die Umfrage läuft komplett anonymisiert ab und lässt keine Rückschlüsse auf den einzelnen Mitarbeiter zu. Nur so können wir erreichen, dass die Mitarbeiter realistische Einschätzungen abgeben und offen sind.

Ute Wolter ist freie Mitarbeiterin der Personalwirtschaft in Freiburg und verfasst regelmäßig News, Artikel und Interviews für die Webseite.