Das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) hat den Sammelband „Managing Expatriates“ herausgegeben, der die Arbeits- und Lebensbedingungen von Expatriates verbessern soll. Etwa, indem neben der Theorie auch Hinweise für die praktische Realisierung der Erkenntnisse vermittelt werden: Wann, wenn nicht jetzt während der Corona-Pandemie mit stark eingeschränkter Reisetätigkeit wäre eine bessere Gelegenheit für Unternehmen, ihre Prozesse bei Auslandsentsendungen zu prüfen und gegebenenfalls zu optimieren? Wir berichten über den frei zum Download stehenden Sammelband. Und sprechen mit Dr. Heiko Rüger, Mitherausgeber, über die Hintergründe und Ziele des Werks.
Personalwirtschaft: Warum haben Sie dem Thema eine so umfangreiche Publikation gewidmet?
Dr. Heiko Rüger: Das Wissen darüber, welche Faktoren die Erfolgsaussichten eines Auslandsaufenthaltes erhöhen oder verringern können, beruht häufig nur auf wenigen Studien mit teilweise geringen Fallzahlen. Mit dem Band sollte daher die bestehende Forschung zu internationalen Entsendungen ergänzt und erweitert werden. Die vorgestellten Analysen basieren auf vier großen Forschungsprojekten zu Auslandsentsandten aus dem öffentlichen und privaten Sektor. Insgesamt wurden mehr als 7.000 Personen in über 90 Ländern befragt und auf diese Weise vielfältige kulturelle Kontexte berücksichtigt. Darüber hinaus wurden, im Unterschied zu den meisten bisherigen Studien, verschiedene Indikatoren für den Erfolg von Entsendungen verwendet, wie Job-Performance, Arbeitszufriedenheit, Anpassung vor Ort oder subjektive Lebensqualität. Zum einen sollte das theoretische Verständnis für Erfolgsfaktoren von Entsendungen erweitert werden. Zum anderen sollten anhand fundierter Forschungsergebnisse Hinweise für evidenzbasierte Entscheidungen in der Praxis gegeben und damit zu einer Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen von Auslandsentsandten beigetragen werden.
Welche Kernerkenntnisse erachten Sie als besonders wichtig?
In der Praxis bestehen vielfach Annahmen über bestimmte Sachverhalte, wie beispielsweise hinsichtlich der Rolle, die bestimmte Merkmale von Beschäftigten für den Erfolg von Entsendungen spielen. So wird häufig angenommen, dass insbesondere ältere und weibliche Entsandte sowie solche, die von ihren Familien begleitet werden, weniger flexibel und leistungsfähig sowie insgesamt weniger gut vor Ort angepasst seien. Die Zielsetzung des Bandes bestand auch darin, einige dieser Stereotype zu hinterfragen und mit empirischen Daten zu überprüfen. So zeigen die Untersuchungen, dass Ältere, Frauen sowie Entsandte, die von ihren Familien begleitet werden, im Vergleich zu Jüngeren, Männern sowie Entsandten, die ihre Familien nicht mit ins Ausland nehmen, ähnliche hohe Mobilitätskompetenzen aufweisen und keineswegs geringeren Erfolg auf Entsendungen haben.
Die Zielsetzung des Bandes bestand auch darin, einige dieser Stereotype zu hinterfragen und mit empirischen Daten zu überprüfen.
Zum Entstehungszeitpunkt war noch keine Rede von einer Corona-Pandemie. Welche Auswirkungen hat sie Ihrer Ansicht nach auf den Umgang mit Expatriates? Gibt es dazu schon Forschungen?
Bislang gibt es dazu kaum empirische Studien. Auch darüber, wie sich die Zahl der internationalen Entsendungen infolge der Corona-Pandemie entwickeln wird, lassen sich gegenwärtig nur Vermutungen anstellen. Verschiedene Gründe sprechen jedoch dafür, dass die Zahl der Entsandten abnehmen wird. Folglich wird es bei den künftigen Generationen von Entsandten mehr denn je darauf ankommen, dass die Entsendungen erfolgreich verlaufen. Damit steigt auch die Relevanz, die wissenschaftlichen Erkenntnissen zu den Erfolgsfaktoren von Entsendungen zukommt. Als ein entscheidender Faktor ist dabei die schnelle Anpassung der Entsandten vor Ort anzusehen. Daher ist zukünftig mehr Forschung notwendig zu der zeitlichen Entwicklung der Anpassung der Entsandten vor Ort und zu den Faktoren, die diese beeinflussen.
David Schahinian arbeitet als freier Journalist und schreibt regelmäßig arbeitsrechtliche Urteilsbesprechungen, Interviews und Fachbeiträge für die Personalwirtschaft.