Neue Technologien und der demographische Wandel verändern die Arbeitswelt radikal und werden auch in Zukunft unsere Lebensweise unaufhaltsam beeinflussen – das gilt genauso für unsere Berufe. Die digitale Wirtschaft kann in diesem Kontext als Vorreiterbranche verstanden werden, in der bereits heute die Stellenprofile der Zukunft gefragt sind.
Jobs mit bisher unbekannten Namen, wie „Programmatic Advertising Manager“, „Digital Designer“ oder „Data Strategist“ stehen immer häufiger auf den Suchlisten der Unternehmen. Wodurch sich diese neuen Berufe und die Arbeit in einer aufstrebenden Branche auszeichnen, haben der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) e. V. und die Beratungsgesellschaft Kienbaum in einer gemeinsamen Studie erforscht.
Die Branche boomt: Unternehmen mit digitalen Geschäftsmodellen geht es überdurchschnittlich gut – keine Überraschung angesichts der zunehmenden Digitalisierung aller Lebensbereiche. Die digitale Wirtschaft bündelt Unternehmen, die digitale Geschäftsmodelle betreiben oder deren Wertschöpfung auf dem Einsatz digitaler Technologien beruht. Diese aufstrebende Branche benötigt Mitarbeiter mit spezifischen Kompetenzen und ausgeprägtem Digital-Know-how. In der digitalen Wirtschaft haben sich daher neue Berufsbilder und Jobprofile entwickelt, über die bisher nur wenig Transparenz besteht.
Was verdienen Digitalspezialisten in einer bestimmten Position, wie lange arbeiten sie dafür? Wo in Deutschland sind die Gehälter in der digitalen Wirtschaft besonders hoch, wo eher unterdurchschnittlich? Für Unternehmens- und Personalchefs sind solche Informationen wertvoll, denn Digitalexperten sind rar auf dem Arbeitsmarkt, und angemessene Gehälter dienen als wichtige Argumente im Kampf um digitale Köpfe.
Typische Jobprofile: Marketing und Sales
Die digitale Wirtschaft setzt ihren Personalschwerpunkt auf Jobprofile im digitalen Marketing und Vertrieb: Onlinemarketingmanager, Projektmanager Online und Digital-Sales-Manager sind die häufigsten Jobs in der digitalen Wirtschaft. Dass rund jeder achte Befragte Onlinemarketingmanager ist, liegt einerseits an der generischen Ausrichtung dieses Jobprofils. In kleineren und mittleren Unternehmen sind die Fachkräftefunktionen weniger spezifiziert. So übernimmt zum Beispiel ein Onlinemarketingmanager mehrere Aufgabenbereiche im digitalen Marketing. Andererseits zeigen die vielen Vertriebs- und Marketingmitarbeiter, dass die Branche stark auf die Möglichkeiten und innovativen Vertriebswege des Internets ausgelegt ist und entsprechende Fachkräfte benötigt.
Ein Unternehmen, das digitale Dienstleistungen oder Produkte anbietet, sollte auch in der Außendarstellung Wert auf moderne digitale Formate legen. Das haben die meisten Branchenvertreter erkannt. Weniger stark vertreten als eigenständige Jobs sind dagegen Yield-Manager, Programmatic-Trader und Social-Media-Planer. Es ist allerdings gut denkbar, dass andere Mitarbeiter deren Aufgaben übernehmen. Um beim vorherigen Beispiel zu bleiben, wird ein Onlinemarketingmanager in einem kleineren Digitalunternehmen auch für die Planung der Social-Media-Aktivitäten verantwortlich sein.
Insgesamt zeigt die Studie, dass die digitale Wirtschaft klassische Jobprofile wie Kundenbetreuer, Projektmanager oder Marketingmanager quasi digital auflädt, sie also um digitale Aspekte ergänzt. Die Mitarbeiter müssen spezifische Digitalkompetenzen aufweisen, um ihre Aufgaben im digitalen Bereich richtig umsetzen zu können. Diese Entwicklung kann als zukunftsweisend für eine Vielzahl von Berufen in der gesamten Wirtschaft verstanden werden, da sich im Zuge der Digitalisierung weitere Unternehmen der digitalen Wirtschaft zuwenden werden, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Hier werden ähnliche Jobprofile entstehen.
Spitzenverdiener in der digitalen Wirtschaft
Stillstand bedeutet Rückschritt in der sich stetig weiterentwickelnden digitalen Wirtschaft. Unternehmen haben das verstanden und legen besonderes Augenmerk auf Innovation und Business-Development. Gerade in diesen Funktionen arbeiten Senior-Fachkräfte mit dem höchsten Gehalt. Eine weitere Gleichung, die für das Gehaltsgefüge der digitalen Wirtschaft gilt, lautet: Je komplexer die Aufgabe und je stärker der Strategiebezug, umso höher die Vergütung. Rein operative Jobprofile, zum Beispiel im Marketingbereich, sind hingegen auf der unteren Gehaltsstufe der Digitaljobs zu finden. Bei dem Ausschnitt des Gehaltsreports (siehe Kasten auf der nächsten Seite oben rechts) wurden nur Gehälter von Senior-Spezialisten, das heißt, von sehr erfahrenen Mitarbeitern mit mehr als fünf Jahren Berufserfahrung gegenübergestellt.
Gleiche Chancen und gleiches Gehalt für Frauen und Männer im Beruf sind wichtige Ziele in der aktuellen politischen und gesellschaftlichen Debatte. Der Blick auf einzelne Branchen und Berufe gibt im Kleinen Aufschluss darüber, wo es auf dem Weg zur Geschlechtergleichstellung bereits gut läuft und an welchen Stellen noch Verbesserungen notwendig sind. In der digitalen Wirtschaft arbeiten insgesamt mehr Frauen in Spezialistenpositionen als in anderen Branchen in Deutschland. So liegt der Frauenanteil in der digitalen Wirtschaft bei 39 Prozent, in branchenübergreifenden Betrachtungen dagegen nur bei 23 Prozent. In der digitalen Wirtschaft arbeiten viele junge Frauen. Unter den Mitarbeitern bis 30 Jahre ist der Frauenanteil sogar höher als der Anteil an Männern. Bei den 36- bis 40-Jährigen ist allerdings etwa ein Drittel der Fachkräfte weiblich.
Bei Gehaltsunterschieden zwischen Männern und Frauen handelt es sich, statistisch gesehen, oft um eine unbereinigte Entgeltlücke, die auf verschiedenen Vergleichsfaktoren basiert und durch schlecht vergleichbare Berufe vergrößert wird. Deshalb müssen die Gehälter von Frauen und Männern in gleichen oder ähnlichen Berufen und auf gleichen oder ähnlichen Karrierestufen verglichen werden. Betrachtet man ausschließlich die häufig vorkommende Position des Onlinemarketingmanagers, in der 55 Prozent aller Mitarbeiter männlich und 45 Prozent weiblich sind, ergibt sich folgendes Bild: In Unternehmen mit weniger als 100 Mitarbeitern verdienen Frauen und Männer ungefähr gleich viel. Auf Senior-Level liegt das Gehalt von Frauen im Schnitt leicht über dem der Männer, auf Experienced-Level leicht unter dem Niveau der Männer.
Viele wollen flexibel arbeiten
Nur Grundgehalt plus variable Vergütung? Da geht häufig noch mehr. Viele Mitarbeiter profitieren von Zusatzleistungen, die Leben und Arbeit erleichtern. Wie sehen solche Benefits konkret in der digitalen Wirtschaft aus? Flexible Arbeitszeitmodelle sind ein beliebter Benefit in der digitalen Wirtschaft. 60 Prozent der Fachkräfte greifen darauf zurück und können so ihre Arbeitszeit dem Privatleben ein Stück weit anpassen. Mitarbeiter und Arbeitgeber benötigen für die Umsetzung flexibler Arbeitszeiten allerdings klare Regelungen, um eventuelle Nachteile für beide Seiten zu vermeiden. Der am weitesten verbreitete Benefit sind Weiterbildungsmöglichkeiten. Etwa drei von vier Mitarbeitern haben die Chance, sich auf Kosten des Arbeitgebers weiter zu qualifizieren, was natürlich auch einen positiven Effekt auf den Wissensstand im Unternehmen hat.
Zeit, die man für seinen Beruf aufwendet, muss nicht unbedingt mit der Stundenanzahl übereinstimmen, die im Arbeitsvertrag festgehalten ist. In der digitalen Wirtschaft beträgt die vertragliche Arbeitszeit bei einer Vollzeitstelle im Durchschnitt 39 Stunden pro Woche. Eine Stunde pro Arbeitstag, also fünf Stunden in der Woche, arbeiten Fachkräfte zusätzlich. Zwischen Männern und Frauen gibt es bei den Überstunden keine Unterschiede. Mit steigendem Joblevel bzw. Alter nimmt die tatsächliche Arbeitszeit in der digitalen Wirtschaft leicht zu. Ein Senior-Spezialist kommt zum Beispiel auf durchschnittlich sieben Überstunden pro Woche. Bei Mitarbeitern mit bis zu zwei Jahren Berufserfahrung (Junior) sind es drei Stunden, die länger gearbeitet werden. Geschäftsführer und Führungskräfte in der digitalen Wirtschaft machen deutlich mehr Überstunden. Geschäftsführer sind mit 54 Stunden die Spitzenreiter, Führungskräfte arbeiten im Schnitt 49 Stunden in der Woche.
Bild einer Branche
In einer jungen Branche mit meist jungen Kollegen zusammenzuarbeiten ist typisch für die digitale Wirtschaft. Die Digitalfirmen verfolgen mit innovativen Businessideen einen Wachstumskurs und versuchen, ihre neuen Produkte und Dienstleistungen mit Hochdruck im Markt bekanntzumachen. Dafür setzen sie auf digitale Experten in Onlinemarketing und Sales. Firmen haben verstanden, wie wichtig es ist, Neukunden zu werben und über Onlinekanäle sowie digitale Medien auf sich aufmerksam zu machen.
Innovation schreibt die digitale Wirtschaft auch auf der Produktseite groß und vergütet das entsprechend: Mitarbeiter im Business-Development und Innovationsmanagement können mit den höchsten Gehältern rechnen. Innovationsmanager sind mit einem Durchschnittsgehalt von 100.000 Euro mit Abstand die Topverdiener unter den Senior-Fachkräften der Branche.
Mitarbeiter in der digitalen Wirtschaft legen darauf Wert, ihre Arbeitszeit flexibel gestalten zu können. Diese Flexibilität ist ein beliebter Benefit der Branche. Noch häufiger profitieren Digitalmitarbeiter von Weiterbildungsangeboten über den Arbeitgeber und davon, dass sie ihre Mobile-Devices auch privat nutzen können.
Den gesamten Studienbericht „Arbeiten in der Digitalen Wirtschaft“ finden Sie im Kienbaum-Shop: www.kienbaumshop.com/digitale-wirtschaft-2016
Christian Maria Huntgeburth,
Head of Global Sales Data,
Kienbaum Consultants International
christian-maria.huntgeburth@kienbaum.de
Sebastian Pacher,
Senior Consultant
Kienbaum Consultants International
Barbara Kolocek,
Referentin Digital Business,
Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) e. V.
Harald Fortmann,
Botschafter Bildung & Personalentwicklung,
Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) e. V.