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Total Rewards bei Axel Springer SE

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Frau Löhmann, Sie arbeiten seit 2007 für Axel Springer. Wie schafft man es, in einer so fluktuierenden Funktion wie der der Expertin für Compensation & Benefits (CB) so lange einem Arbeitgeber treu zu bleiben?

Ruth Löhmann:
Diese Frage höre ich immer wieder, aber für mich ist meine Tätigkeit der großartigste Job der Welt. Axel Springer hat sich in den zwölf Jahren, in denen ich hier arbeite, extrem verändert und permanent weiterentwickelt. Wir waren ursprünglich ein eher homogen aufgestelltes Unternehmen. Heute sind wir eine börsennotierte SE mit mehr als 16.000 Mitarbeitern in rund 180 Gesellschaften und über 40 Ländern weltweit. Das bedeutet auch für die Compensation & Benefits-Funktion, sich immer wieder auf neue Herausforderungen und unterschiedliche Bedürfnisse einzustellen. Ich konnte in meiner bisherigen Zeit neue CB-Projekte – unter anderem unser globales Aktienbeteiligungsprogramm, unsere neue variable Vergütung und eine neue betriebliche Altersversorgung – proaktiv entwickeln und umsetzen. In diesem Zeitraum hat sich das Unternehmen kulturell stark weiterentwickelt und ist immer digitaler geworden. Heute ist Axel Springer ein Medien- und Technologieunternehmen mit vielfältigen, erfolgreichen Medienmarken und Rubrikenangeboten, Unternehmensformen und Entwicklungsstadien. Dieser Prozess verändert die CB-Funktion, und CB muss Antworten und Lösungen für vielfältige Geschäftsmodelle und Menschen finden.

Sie haben ursprünglich Betriebswirtschaftslehre an der Universität Frankfurt studiert und sind bereits früh in Kontakt mit Vergütungsthemen gekommen.

Ruth Löhmann: Ja, angefangen hat alles am dortigen Lehrstuhl für Organisation & Management. Hier habe ich meine praxisorientierte Diplomarbeit über aktienbasierte Vergütung für das Top-Management in einem divers strukturierten Konzern geschrieben. Das Thema war Anfang der 2000er Jahre für Deutschland noch Neuland, und der Fall mg technologies ag war sehr spannend. Über diese Diplomarbeit wurde ich Werkstudentin bei mg technologies und konnte mithelfen, das Vergütungssystem für die Top-Führungskräfte zu optimieren. Anschließend bin ich zur T-Online International AG nach Darmstadt gewechselt und habe mich dort erstmals mit der ganzen Bandbreite der Vergütungskomponenten beschäftigt. In diese Zeit fiel der Merger von T-Online mit der Deutschen Telekom. Ich konnte einen internationalen Konzern von innen kennenlernen, wollte aber nicht in die Holding gehen, sondern habe ein Angebot von Axel Springer angenommen, den CB-Bereich neu aufzubauen.

Welche Projekte liegen gerade auf Ihrem Schreibtisch?

Ruth Löhmann: Wir befinden uns mitten in der Angebotsfrist eines Übernahmeangebots durch den Investor KKR bei Axel Springer. Deshalb mussten wir zuerst unser Mitarbeiteraktienprogramm so flexibel anpassen, damit unsere Teilnehmer auch die Möglichkeit zur Annahme das Angebots haben. Ansonsten ist unser Team mit vier CB-Schwerpunkten beschäftigt. Erstens schließen wir gerade die Einführung einer neuen  variablen Vergütung ab. Zweitens fungieren wir innerhalb des Konzerns als Berater für die HR-Verantwortlichen und Führungskräfte und bieten ihnen unsere individuellen Produkte und Lösungen an. Drittens wird das Thema „New Work = New Pay“ immer wichtiger. Und viertens kümmern wir uns um die persönlichen Belange unserer Mitarbeiter, indem wir beispielsweise für den durch den Axel-Springer-Neubau deutlich erweiterten Standort Berlin moderne Modelle der Kinderbetreuung weiterentwickeln.

Sie leiten nicht mehr nur das CB-Ressort, sondern auch das Total Rewards & Performance-Management. Wie kamen Sie zu den neuen Aufgaben?

Ruth Löhmann: 2018 hat sich Axel Springer intern neu strukturiert. Aus HR wurde so People & Culture, und hier bildet Total Rewards zusammen mit Performance-Management einen Bereich. Wir haben damals gemeinsam ein „Manifest für People & Culture“ erarbeitet. Darin haben wir den Rahmen für unser Handeln und unsere Zusammenarbeit festgelegt, wir haben Begriffe wie Purpose und Mission für uns definiert. Auf diesem Weg wollten wir für uns klären, wie unter anderem unsere Führungskräfte und unsere Mitarbeiter ihr Potenzial voll und frei entfalten können und wie es uns gelingt, neue Talente zu gewinnen und zu binden. Wir bieten dafür unsere CB-Produkte und -Services an, aber beraten auch die zum Unternehmen gehörenden Gesellschaften. Dabei geht es natürlich um beinharte Vergütungsthemen, doch das Angebotsportfolio ist deutlich größer und umfasst auch Angebote für Beruf und Familie, New Work, Mobility oder das Gesundheitsmanagement. Wichtig ist uns, agiles und flexibles Arbeiten zu ermöglichen. Es geht bei Total Rewards also um einen ganzheitlichen Ansatz, um die Mitarbeiter zu halten und zu motivieren, indem wir ihnen vielfältige, individuelle Angebote unterbreiten, die zur Individualität der zu Axel Springer gehörenden Unternehmen und der dort arbeitenden Menschen passen.

Wie homogen und wie heterogen sind die Vergütungsmodelle bei Axel Springer?

Ruth Löhmann: Unsere Unternehmen und Bereiche sind unterschiedlich groß und befinden sich in unterschiedlichen Entwicklungsphasen. Deshalb können wir – abgesehen beispielsweise von unserem Aktienbeteiligungsprogramm sowie landesweiten Regelungen wie etwa Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen – keine Vergütungsmodelle nach dem Prinzip des „One Size fits all“ über die gesamte Organisation stülpen. Vielmehr müssen wir schauen, welche Vergütungsmodelle und -elemente sinnvoll sind. Eine junge, agile Einheit mit digitalen Produkten in der Start-up-Phase benötigt andere Vergütungselemente als eine profitable Medienmarke. Zudem sehen wir natürlich an unseren internationalen Standorten viel Diversität in der Vergütung, vor allem bei der variablen Komponente. Es gilt, diese Vielfalt zu managen und zu unterstützen.

Das klingt nach New Work.

Ruth Löhmann: New Work ist für Axel Springer ein Riesenthema, nicht zuletzt am Standort Berlin, wo der Axel-Springer-Neubau ein weiterer Katalysator für den kulturellen Wandel des Unternehmens werden wird. Nicht nur in der Vergütung, sondern auch in der Karriereplanung steckt mehr Flexibilität. Mitarbeiter verbleiben im Schnitt kürzer als früher in ihrer Funktion, sie übernehmen rascher neue Aufgaben oder Funktionen, oft auf Projektbasis. Auch die Arbeitszeiten und -modelle werden heute flexibler und individueller gestaltet, etwa über Sabbaticals oder Doppelspitzen. Für solche New-Work-Ansätze benötigen wir auch New-Pay-Lösungen. Die setzen vor allem bei flexiblen Benefits an, die wir in einigen Bereichen schon anbieten, aber noch nicht gruppenweit.

Warum tun sich Flexible-Benefits-Modelle mit individuellen Mitarbeiterbudgets in Deutschland immer noch so schwer?

Ruth Löhmann: Für straff durchstrukturierte Konzernorganisationen mag es einfacher sind, Flexible-Benefits-Modelle in Reinform einzuführen und zu managen. Für ein so heterogen strukturiertes Unternehmen wie Axel Springer mit unterschiedlichen Vergütungsplänen ist das kaum möglich. Fragen nach Budgets oder nach dem Verzicht der Mitarbeiter auf Teile ihres Fixgehalts müssen geklärt werden. Wie soll ein Flexible-Benefits-Modell konkret umgesetzt werden? Wie flexibel ist es gestaltet, um auch noch in den nächsten Jahren positiv zu funktionieren und nicht zu bremsen? Am Beispiel Mobility, einem extrem innovativen und schnelllebigen Markt, wird diese Problematik deutlich. Alle Komponenten und Prozesse eines Flexible-Benefits-Modells müssen miteinander verbunden werden, um richtig zu funktionieren. Auch muss die Diversität der Mitarbeiter mit ihren unterschiedlichen Lebensmodellen darin abgebildet werden. Ich sehe am Markt bislang noch kein Modell, das dabei hilft, Flexible Benefits einfacher zu gestalten, einzuführen und zu managen.

Axel Springer hat vor einiger Zeit die variable Vergütung neu ausgerichtet.

Ruth Löhmann: Ja, wir haben die variable Vergütung auf Basis von Zielvereinbarungen gemeinsam mit dem Bereich Corporate-Development neu ausgerichtet, unter anderem individuelle Ziele abgeschafft und die Incentivierung auf Konzernziele und Bereichsziele hervorgehoben. Wichtig war uns dabei, bereichsübergreifendes Arbeiten und Transparenz zu fördern sowie Fehlincentivierung zu vermeiden. Vor diesem Hintergrund legen wir zusammen mit unseren Kollegen von Collaboration Learning & Transformation großen Wert auf die Erweiterung des Kommunikationstools Objectives and Key Results, kurz OKR, um bei Bedarf kurzfristiger steuern zu können. So können wir beispielsweise Themen und Ziele für die nächsten drei bis vier Monate gemeinsam definieren und umsetzen. Letztlich ist es wichtig, Benefits und andere Total-Rewards-Elemente auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter zuzuschneiden und mehr Flexibilität bei den Vergütungsmodellen zuzulassen.