Herr Maassen, TRUMPF vollzieht aktuell die digitale Transformation. Wie sieht der neue strategische Ansatz konkret aus?
Oliver Maassen: TRUMPF ist ein Hochtechnologie- und Maschinenbauunternehmen. Wenn wir im digitalen Zeitalter Maschinen miteinander vernetzten und die Mitarbeiter dabei außen vorließen, dann wäre das fahrlässig. Wir haben uns daher gefragt, was die digitale Arbeitswelt für die Kompetenzen der Mitarbeiter bedeutet. Dabei haben wir die Fähigkeiten identifiziert, die für die Digitalisierung relevant sind, und haben dann überlegt, wie wir diese Kompetenzen fördern können. Wir haben in der Hierarchie ganz oben angefangen, indem wir in den vergangenen Monaten rund 1.300 Führungskräfte in Sachen digitale Transformation geschult haben. Begonnen haben wir mit den Top 100, und dann haben wir, nach unten kaskadierend, alle Führungskräfte weltweit zu unserer Jahresschulung nach Ditzingen geholt und die Manager in Asien und Amerika zentral in den jeweiligen Regionen geschult. Inhaltlich geht es um unsere Digitalisierungsstrategie und ihre Auswirkungen auf unsere Unternehmenskultur. Damit wir weltweit eine einheitliche Strategie ausrollen können, haben wir sie im Vorfeld auf regionale Besonderheiten abgeklopft, etwa beim Thema Führung und agiles Arbeiten. Dadurch haben wir Aspekte identifiziert, die wir in den einzelnen Ländern und Regionen beachten müssen, ohne die Digitalisierungsstrategie in Regionalversionen aufsplittern zu müssen. Unsere Führungskräfte sollen nach den Schulungen die Mitarbeiter informieren und diese in den Transformationsprozess einbinden. Dies erfolgt nicht mehr zentral orchestriert, so dass wir hier immer wieder nachhaken werden, damit die Informationen zur digitalen Transformation jeden Mitarbeiter erreichen.
An welchen Stellen setzt TRUMPF die digitale Transformation im Hinblick auf Führungskräfte und Mitarbeiter bereits um?
Oliver Maassen: Ein konkretes Beispiel findet sich in der Berufsausbildung. Dort beschäftigen wir einen eigenen Ausbilder nur für Digitalthemen, einen ehemaligen Mitarbeiter unserer IT. Er betreut die Führungskräfte in Fragen der digitalen Ausbildung ebenso wie unsere Auszubildenden während ihrer Lehrzeit. Er fördert die digitalen Kompetenzen unserer Auszubildenden, damit sie in der Lage sind, digitale Systeme selbst zu steuern. Diese jungen Leute sind Digital Natives im besten Sinne. Sie bringen in der Anwendung schon sehr viel Digitalisierungs-Knowhow mit. Wir als Arbeitgeber müssen dafür sorgen, dass die Digital Natives ihre digitale Grundveranlagung einbringen können. Deshalb zählt das Thema Digitalisierung zu den Lerninhalten in der Ausbildung und den dualen Studiengängen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Arbeitgeber auf diesem Weg nicht genug Unterstützung erhalten. Wir fungieren leider immer noch als Reparaturbetrieb von Schule, Elternhaus und Hochschule. Beispielsweise sind Berufsschulen immer noch nicht in der Lage, Digitalisierung in adäquater Weise als Lerninhalt anzubieten. Hier mangelt es noch überall an Infrastruktur, damit Deutschland und Europa in Sachen Digitalisierung eine weltweit führende Rolle einnehmen. Auch in Studiengängen sollte Digitalisierung stärker eingebaut sein.
Welche Rolle wird Europa bei der Digitalisierung und den Themen, die sich daraus ableiten, in Zukunft einnehmen?
Oliver Maassen: Ich sehe die Innovationsfähigkeit bei IT, Digitalisierung, Künstlicher Intelligenz und ähnlichen Themen mit großer Sorge. Europa ist heute zwischen den beiden großen Blöcken der Weltwirtschaft eingeklemmt, zwischen Asien und den USA. Im Maschinenbau hat Asien gewaltig aufgeholt. Die USA sind uns bei Onlineplattformen und ähnlichen Technologien meilenweit voraus. Auch beim Thema Künstliche Intelligenz drohen wir Europäer abgehängt zu werden, wenn wir nicht aufpassen. Wir bei TRUMPF versuchen, in unseren Märkten und Branchen für unsere Kunden durch Innovationen erlebbar zu machen, was Digitalisierung für uns bedeutet und wie wir sie in Produkten und im Service umsetzen. Dabei stehen wir unter einem hohen globalen Wettbewerbsdruck, der in den kommenden Jahren nicht abnehmen wird.
Sie sprechen von Innovationen und globalem Wettbewerb. Wo überzeugt Europa durch Wettbewerbsvorteile?
Oliver Maassen: Ich kann nur für TRUMPF sprechen. Wir haben uns durch Innovationen und Qualität bei unseren Kunden über Jahrzehnte hinweg ein hohes Ansehen und eine starke Vertrauensbasis erarbeitet. Diese Basis hilft uns beispielsweise dann, wenn Kunden uns angesichts der digitalen Vernetzung ihrer Maschinen fragen, wie wir mit ihren Daten umgehen. Beim Datenschutz besitzen wir einen deutlichen Vorteil gegenüber Wettbewerbern aus anderen Weltregionen, in denen der Datenschutz lockerer gehandhabt wird.
Zurück zur Digitalisierungsstrategie von TRUMPF: Was sind die Kerngedanken der neuen Ausrichtung?
Oliver Maassen: Arbeiten in der digitalen Welt funktioniert anders als in traditionellen Organisationen und verlangt auch nach einer anderen Art der Führung. TRUMPF ist ein traditionelles Familienunternehmen, und wir wollen und müssen uns verändern. Wir stimmen Führung stärker auf die Digitalisierung und auf agiles Arbeiten ab. Diese Veränderung müssen wir vornehmen, um in unserem Kerngeschäft und bei Innovationen nicht ins Hintertreffen zu geraten. Aus Veränderungen in der Technologie leiten wir Veränderungen in Kultur, Organisation, Führung und Kompetenzen ab. Für uns bei HR ist es eine enorme Herausforderung, alle unsere Mitarbeiter weltweit auf diesem Weg mitzunehmen. Auch sind die kulturellen Restriktionen nicht außer Acht zu lassen. Wir als Arbeitgeber müssen das Thema Digitalisierung dessen ungeachtet an allen unseren Standorten mit der gleichen Haltung voranbringen. Wir rollen die kulturellen Veränderungen einmal komplett über die TRUMPF-Welt aus.
Was bedeutet die Digitalisierungsstrategie für den einzelnen Mitarbeiter?
Oliver Maassen: Jeder Mitarbeiter muss sich in Zukunft lebensbegleitend weiterbilden, um mit der digitalen Arbeitswelt Schritt zu halten. Doch wir bei TRUMPF gehen weg von der bisherigen Form des Lernens. Bislang fand Weiterbildung zu 80 Prozent in der Form des klassischen Trainings statt, während lediglich 20 Prozent selbst gesteuert wurden. In Zukunft stellen wir auf 70 – 20 – 10 um. Demnach werden 70 Prozent des Lernens aus Erfahrungen „On the Job“ stammen. 20 Prozent umfasst das Lernen „Near the Job“. Dabei geht es um Reflexion und Gespräche mit der Führungskraft und dem Team. Nur noch 10 Prozent werden organisationelles Lernen und Trainings ausmachen. Neu sind auch viele Formate. Wir haben 25 innovative Lernformate in der Organisation vorgestellt und die Mitarbeiter gebeten, sie nach der Relevanz für sie selbst zu bewerten. Anhand dieser Schwarmintelligenz können wir die favorisierten Formate auswählen. Grundsätzlich wollen wir die Stärken unserer Mitarbeiter stärken, weniger an ihren Schwächen arbeiten. Wir sind mit unserer Digitalisierungsstrategie aber noch nicht am Ende. Die Menschen verändern sich im beruflichen Umfeld schneller und häufiger als früher, die Beschäftigungsverhältnisse werden zeitlich kürzer und vielfältiger. Auch auf diesen Wandel müssen wir reagieren.