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Wir sind für Corona nicht zuständig …

Frau in sterilem Schutzanzug und Atemmaske streckt ratlos Hände aus
In Verbindung mit dem Corona-Virus sind einige Fragen offen, vor allem herrscht hierzulande Ratlosigkeit hinsichtlich der Frage, an wen sich Unternehmen wenden können.
Foto: © marchsirawit/StockAdobe

Die letzten Zahlen von 2009 sagen: Die Notfallplanung in deutschen Unternehmen stagniert. Nur jeder zweite Betrieb verfügt über einen Pandemieplan (Studie „Themenkompass Pandemie 2009“ im Auftrag des IMWF Instituts für Management- und Wirtschaftsforschung und des F.A.Z.-Instituts), auch wenn 61 Prozent die eigene Auftragsabwicklung gefährdet sehen, sobald ein erheblicher Teil der Mitarbeiter krankheitsbedingt ausfällt. Und weil es wichtig ist, dass die Vorbereitung nicht erst anfängt, wenn der Krisenfall eingetreten ist, habe ich nachgefragt:

Die Odyssee beginnt

Mit großem Vertrauen in das deutsche Gesundheitssystem und das Corona-Notfallmanagement von Jens Spahn starte ich die Recherche beim Robert Koch Institut (RKI) und erfahre von einer kompetenten Dame: „Wir sind leider nicht zuständig.“ Aber sie hilft weiter. Für die Anfrage sei das BKK, das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, die perfekte Anlaufstelle.

Optimistisch wähle ich die Nummer vom BKK und höre die spontane Antwort: Dafür sei das RKI zuständig. Auf meinen Einwand, dort sei ich an sie verwiesen worden, bittet man mich etwas ratlos, die Anfrage doch schriftlich zu stellen. Die Antwort verblüfft: Keine Zuständigkeit, die läge bei den Bundes- beziehungsweise bei den Gesundheitsbehörden der Länder. Eigentlich logisch, denke ich und schäme mich für meine Unkenntnis – auch wenn ich mich frage, ob denn das BKK keine Bundesbehörde ist. Nun gut, ich beschließe ganz oben zu starten.

Zwischen Unkenntnis und Unwille

Flugs die Nummer der Pressestelle des Bundesgesundheitsministeriums gewählt und als Antwort erhalte ich auf meine Frage zunächst großes Schweigen. Dann aber werde ich mit einem schnippischen Fachreferenten verbunden. Ich muss die Frage mehrmals wiederholen, da er den Begriff „betriebliche Pandemieplanung“ nicht versteht, aber irgendwann erklärt er apodiktisch: „Wenn es um Betriebe und Vorsorge geht, liegt die Zuständigkeit immer beim örtlichen Gesundheitsamt.“ Nicht restlos überzeugt lege ich auf und mache die Probe aufs Exempel.

In den Gesundheitsämtern im Landkreis Bad Tölz und Miesbach klingelt das Telefon ins Leere, was daran liegen mag, dass es bereits nach 15 Uhr ist, also nicht in der Kernarbeitszeit. Bei der Pressestelle der Münchener Verwaltung werde ich weitergereicht an das Referat für Gesundheit und Umwelt. Die Pressestelle des Gesundheitsreferats kann aus dem Stehgreif nichts zum Thema sagen und bittet um eine Mail. Kurz überlege ich, ob ich mit der Meldung eines fiktiven Corona-Falls in meinem Betrieb schneller ans Ziel komme, verwerfe aber den Gedanken sofort… Die dann folgende Auskunft lautet: „Rufen Sie im Referat für Arbeit und Wirtschaft an.“ Dort wiederum verweist man mich eher ungehalten, ob meiner Unkenntnis, an das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege.

Immerhin: Auf der Homepage ist zu erkennen, der Virus hat dort großflächig eine Heimat. Für besorgte Bürgerinnen und Bürger wurde eine Telefon-Hotline eingerichtet. Die sehr freundliche und außerordentlich engagierte Pressereferentin gesteht aber: Extra Hinweise für Betriebe gebe es nicht. Jedoch sei der Internetauftritt der „Task Force Infektiologie“ vorbildlich. Ich erfahre beim Lesen, dass die Task-Force als operative Einheit im Krisenfall tatsächlich immer in Alarmbereitbereitschaft ist. Gleichwohl dient sie nicht als Informationsquelle für Wirtschaftsbetriebe.

Zum Schluss gibt sie mir den Tipp: „Fragen Sie im Staatministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie nach, die sind für Unternehmen zuständig.“ Ein Blick auf die Website verrät mir: Zum Suchbegriff Corona gibt es keine Ergebnisse, also spare ich mir den Anruf… 

Die Schweiz zeigt, wie es geht

Übrigens: Handbücher zum Thema Pandemievorsorge gibt es eine einige in Deutschland. Wohl dem Geschäftsführer oder Arbeitsmediziner, der in einer akuten Krisensituation schnell lesen kann! Glücklich dürfen sich dagegen Unternehmen in der Schweiz schätzen: Sowohl das Bundesamt für Gesundheit (BAG) als auch das Staatssekretariat für Wirtschaft in der Schweiz (SECO) richten sich explizit an Unternehmen mit „FAQ: Pandemie und Betriebe“. Beide Websites bietet Checklisten und bearbeitbare Word-Vorlagen für die konkrete, individuelle Planung für Unternehmen jeder Größenordnung (https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/krankheiten/ausbrueche-epidemien-pandemien/pandemievorbereitung/pandemiehandbuch.html).

Meine Empfehlung an die zuständigen deutschen Bundes- und Landesbehörden: Verweisen Sie doch demnächst einfach auf die Schweizer Websites.Dann könnte vielleicht der Satz von Jens Spahn seine Berechtigung bekommen: „Deutschland ist gut auf den Virus vorbereitet.“


Über die Auswirkungen der Corona-Epidemie für Unternehmen sprachen wir mit Dr. Bernd Calaminus, Leiter Arbeitssicherheit bei EnBW Energie Baden-Württemberg, in › diesem Interview.

Christiane Siemann ist freie Journalistin und Moderatorin aus Bad Tölz, spezialisiert auf die HR- und Arbeitsmarkt-Themen, die einige Round Table-Gespräche der Personalwirtschaft begleitet.

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