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„Algorithmen im Bewerbungsprozess – Traum oder Alptraum?“ – so lautete die aktuelle women&work-Umfrage, die im Umfeld der gleichnamigen Messe durchgeführt wurde. Die Ergebnisse zeigen eine vehemente Ablehnung von Künstlicher Intelligenz im Bewerbungsprozess. Die Auswahl durch Menschen sowie persönliche Ansprechpartner sind den Frauen entschieden wichtiger.
96,4 Prozent der befragten Frauen haben nicht mehr Vertrauen in die Auswahlentscheidung Künstlicher Intelligenzen über ihre Bewerbung, als wenn Menschen die Selektion vornehmen. Mit 90,1 Prozent lehnt es die deutliche Mehrheit ab, dass Algorithmen über die Einstellung und den weiteren Karriereverlauf entscheiden. Auch die derzeit oft geäußerte Ansicht, dass KI-Systeme/Software-Programme für gerechtere Auswahlverfahren sorgen, teilen 90,9 Prozent nicht. „Da die KI-Systeme von einigen wenigen Menschen programmiert werden, die meistens nicht mal im Personalbereich des jeweiligen Unternehmens arbeiten, halte ich die Systeme für sehr fehleranfällig“, schreibt eine Teilnehmerin. An der Online-Umfrage vom 15. Mai bis zum 30. Juni haben 111 Frauen teilgenommen.
Vorbehalt: Technik kann nicht zwischen den Zeilen lesen
Die meisten Befragten (89,2 Prozent) halten auch Chat-Bots, Spracherkennungsprogramme oder automatisierte Abgleiche von Lebenslaufdaten mit Stellenbeschreibungen für gar nicht oder nur zum Teil sinnvoll. Der Einsatz könne bei harten Faktoren wie Ausbildung, Zusatzqualifikationen oder fachlichen Schwerpunktangaben sinnvoll sein, so eine Meinung, doch die Fähigkeit, zwischen den Zeilen lesen zu können, behalte man ausdrücklich dem Menschen vor. Drei Viertel der Befragten (75,7 Prozent) möchten selbst auch nicht von einem Roboter rekrutiert werden. Fast genauso viele (73 Prozent) stimmen der Aussage nicht zu, die Kommunikation von Mensch zu Maschine sollte Standard werden.
Kein Vertrauen in Künstliche Intelligenz und Algorithmen
Dem Statement „Wenn Künstliche Intelligenzen über meine Bewerbung entscheiden, vertraue ich dem Ergebnis mehr, als wenn Menschen die Entscheidung treffen“ können sich mehr als zwei Drittel (68,5 Prozent) nicht anschließen. 66,7 Prozent lehnen den algorithmisch automatisierten Abgleich ihrer Bewerbungsdaten, Stärken und Kompetenzen mit den Anforderungen des Unternehmens ab. Standardisierte Verfahren und Auswertungen seien absolut kontraproduktiv, schreibt eine Teilnehmerin, denn Flexibilität und die Fähigkeit, auf spontane Situationen sowie den jeweiligen Gesprächs- und Verhandlungspartner einzugehen, würden immer wichtiger. Auch Möglichkeiten zur Vorab-Information über Chatbots oder Video-Interviews durch automatisiert gestellte Fragen, die beantwortet werden müssen, sind für 64,9 Prozent der befragten Frauen keine Option. Immerhin vier von zehn Teilnehmerinnen (40,5 Prozent) sind Online-Formularen auf Karrierewebseiten positiv gegenüber eingestellt.
Der menschliche Faktor soll im Recruiting am wichtigsten bleiben
Für die Mehrheit der Frauen sollte der menschliche Faktor im Bewerbungsprozess auch künftig an erster Stelle stehen. 88,3 Prozent bevorzugen die Möglichkeit der persönlichen Kontaktaufnahme mit potenziellen Arbeitgebern auf Veranstaltungen und wünschen sich persönliche Ansprechpartner auf Karrierewebseiten. Drei von vier Teilnehmerinnen (75,7 Prozent) möchten nach wie vor auch beim Erstkontakt zu einem Unternehmen mit einem Menschen von Angesicht zu Angesicht sprechen können. 57,7 Prozent können sich aber ein Video-Interview mit einer realen Person vorstellen. Wenn Arbeitgeber exzellente Mitarbeitende gewinnen wollen, sollten sie sich auch die Zeit nehmen, mit diesen ins Gespräch zu kommen, das habe auch etwas mit Wertschätzung zu tun, findet eine der Befragten.
In einer Epoche, in welcher der Mensch Gefahr läuft, durch die Digitalisierung abgehängt zu werden, spiegeln Frauen einen deutlich humanistischen Zeitgeist, der sich parallel zur technologischen Entwicklung durchsetzt und den Arbeitgeber bei der „Candidate Journey“ von Frauen unbedingt berücksichtigen müssen,
kommentiert Melanie Vogel, Initiatorin der > women&work, die Befragungsergebnisse. Ethische Werte und Moral spielten bei Frauen nicht nur bei der Wahl des zukünftigen Arbeitgebers eine immer wichtigere Rolle, sondern auch bei der Art und Weise der Bewerbungs- und Einstellungsverfahren, so Vogel.
Ute Wolter ist freie Mitarbeiterin der Personalwirtschaft in Freiburg und verfasst regelmäßig News, Artikel und Interviews für die Webseite.