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„Gute Absageschreiben sind ehrlich, empathisch und individuell“

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Personalwirtschaft: Herr Rütten, Sie knöpfen sich gerade das Thema Absageschreiben vor – warum ist das Thema wichtig?
Marcel Rütten: Das Thema ist ja ehrlicherweise gar nicht neu, sondern gehört vielmehr zu den absoluten Basics in der Personalgewinnung. Bewerberinnen und Bewerbern abzusagen, gehört daher zum Tagesgeschäft für Arbeitgeber aller Art. Schließlich bewerben sich im Normalfall mehr Kandidatinnen und Kandidaten als es offene Vakanzen im Unternehmen gibt.

Und wo liegt dann das Problem?
Viele Unternehmen tun sich schwer damit, wertschätzend abzusagen und die volle Wirkung für das Employer Branding zu entfachen, die hiervon ausgehen kann. Mit den Veränderungen am Arbeitsmarkt gehen aber auch veränderte Erwartungen der Kandidaten in Sachen Kommunikation einher.

Wieso sollte HR Zeit und Mühe auf besonders gelungene Schreiben an Personen verwenden, die man doch ohnehin nicht beschäftigen möchte? Ist das nur eine Frage der guten Form und des Respekts? 
Eine Absage ist im Grunde genommen nur eine Momentaufnahme in einem sehr eingeschränkten Kontext. Nur weil jemand für eine konkrete Stelle eine Absage erhält, ist das doch noch lange keine Entscheidung, die für alle Zeit gilt und schon gar nicht für jede Stelle im Unternehmen. Außerdem ist ein Kandidat, der heute noch nicht das gewünschte Profil und die Kompetenzen mitbringt, vielleicht in zwei bis drei Jahren genau der Experte, den wir für unseren Fachbereich benötigen. Von daher hat eine Absage auch immer die Funktion, eine Tür zwischen Unternehmen und Kandidaten offen zu halten. 

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Welche Auswirkungen hat eine Absage auf die Candidate Experience und das Employer Branding?
Das ist relativ einfach erklärt: Behalte ich als Kandidat den Arbeitgeber in positiver Erinnerung, werde ich das Unternehmen als Kandidat in Zukunft tendenziell wieder in Betracht ziehen und mich erneut bewerben, sobald ich eine passende Stelle entdecke. Doch auch der umgekehrte Fall ist denkbar: Mache ich als Kandidat eine schlechte Erfahrung, dann werde ich mich vermutlich nicht noch einmal bewerben. Ganz im Gegenteil: Ich teile meine negative Erfahrung in meinem Freundeskreis oder durch eine Bewertung auf Kununu und vermeide im Zweifel auch zukünftig dort Kunde zu sein. 

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Was zeichnet denn ein gutes Absageschreiben überhaupt aus? Gibt es dafür allgemeingültige Kriterien? 
Außergewöhnlich gute Absageschreiben sind ehrlich, empathisch und individuell formuliert – fernab von Standardphrasen und Massenmails ohne jeglichen Bezug. Außerdem können Absagen auch Eindruck machen. Hier zählt, ob das Schreiben zur Arbeitgebermarke passt, klar und respektvoll formuliert ist und ob Tonalität und Stil Vertrauen aufbauen. Ein gutes Anschreiben schließt außerdem wie gesagt keine Tür, sondern lässt sie offen für zukünftige Gelegenheiten. Arbeitgeber haben über diesen Kanal also die Möglichkeit, Feedback zu geben, Perspektiven aufzuzeigen und Kontaktmöglichkeiten in Aussicht zu stellen. 

Wie individuell kann und darf ein Absageschreiben sein – ohne dass es unter Umständen arbeitsrechtlich schwierig werden kann
Sehr sogar! Grundsätzlich gilt hier: Je individueller ich kommuniziere, desto stärker ist das Band zu meinen Kandidaten. In manchen Unternehmen wird das AGG häufig als Vorwand vorgeschoben, kein individuelles Feedback geben zu können. Das halte ich für maximal schwierig, weil es im Umkehrschluss bedeutet, dass ich eines Diskriminierungsmerkmale wie Alter, Geschlecht, Religion, Herkunft, Behinderung oder sexuelle Identität erfüllen würde. 

Wir beobachten mitunter eine Art „Klassen-System“ bei den Absagen: 1. Klasse für Kandidaten, die es nur knapp nicht geschafft haben, aber grundsätzlich interessant sind. Für sonstige Bewerber eine eher lieblose Standard-Antwort als 2. Klasse. Sehr häufig ist die „Holzklasse“: gar keine Antwort. Hat HR da Nachholbedarf? 
Absolut! Die gute Nachricht ist: Ich kann trotz starker Individualisierung mit Kommunikationsvorlagen arbeiten. Jedes halbwegs moderne Bewerbermanagementsystem lässt es nämlich zu, dass ich unzählige Templates anlegen kann, die ich je nach Qualität der Bewerbung und/oder Bewerbungsschritt individualisiert für mich nutzen kann. So muss ich nicht jedes Mal auf der grünen Wiese starten, sondern halte einen riesigen Fundus an Textbausteinen vor, die eine Individualisierung meiner Kommunikation ermöglichen. 

Sie suchen gerade öffentlich nach Beispielen für besonders gelungene Absagen, Wie ist die Resonanz auf diese Initiative? Gibt es schon viele Beispiele?
Ja, total! Es haben sich schon sehr viele Unternehmen beteiligt. Von sehr kleinen Unternehmen bis hin zu globalen Konzernen ist da alles bei. Wir freuen uns aber, wenn wir noch viele weitere Beispiele erhalten! Die Frist dazu läuft noch bis zum 18. Juli 2025. Sollten wir merken, dass noch einige Unternehmen mehr ihre Best Practices einreichen möchten, würden wir die Frist eventuell sogar noch ein klein wenig verlängern. 

Und was geschieht mit den Beispielen? 
Die besten Absageschreiben werden auf der Messe Zukunft Personal ausgezeichnet. Dabei achten wir vor allem auf die Kriterien Wertschätzung und Individualität, Nachhaltigkeit und Perspektive sowie Tonalität und Branding. Außerdem werden sie im Rahmen eines Buchprojekts abgedruckt und publiziert, bei dem wir die Studienergebnisse, die wichtigsten Erkenntnisse aus den Arbeitgeberbewertungen, Handlungsempfehlungen, Checklisten, ChatGPT-Prompts und vieles mehr veröffentlichen werden. 

Herr Rütten – nun zu Ihnen: Was war die schönste Absage, die Sie je bekommen haben?
Das hat sich bisher ehrlicherweise immer angefühlt wie Zahnschmerzen. Von daher warte ich noch auf die schönste Absage an mich. 

Info

Christina Petrick-Löhr betreut das Magazinressort Forschung & Lehre sowie die Berichterstattung zur Aus- und Weiterbildung. Zudem ist sie verantwortlich für die redaktionelle Planung verschiedener Sonderpublikationen der Personalwirtschaft sowie den Deutschen Personalwirtschaftspreis.