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Jo Diercks: „Als Blogger darf ich ein bisschen Freigeist sein“

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Joachim „Jo“ Diercks ist nicht nur Geschäftsführer von Cyquest und gefragter Speaker, sondern auch Blogger. Mit seinem Recrutainment-Blog erreicht der Recruiting-Experte nach eigenen Angaben eine fünfstellige Zahl von Leserinnen und Lesern im Monat. In dieser Woche wurde er bei den HR Top Voices in der Kategorie „Blogs“ ausgezeichnet.

Wir sprechen mit Ihm über seinen Werdegang als Blogger, seine Motivation und seine Vorgehensweise.

Herr Diercks, wenn man die Bloglandschaft anschaut und mit der vor zehn Jahren vergleicht, könnte man sagen: Blogs sind tot. Wieso gibt es das von Ihnen betriebene Recrutainment-Blog noch?
Mir war es immer wichtig, mein eigenes Medium zu haben. Es ist doch so: Als Facebook damals aufkam, fragten alle, ob man noch Karriereseiten braucht. Danach war eine zeitlang Twitter ein unglaublich relevanter Kanal. Facebook wird heute kaum noch genutzt und Twitter ist unglaublich toxisch. Da kann man gar nicht mehr hin, ohne dass man sich anschließend duschen möchte.

Aber Sie sind doch selbst auch sehr aktiv in den sozialen Netzwerken, zum Beispiel bei Linkedin.
Ja, ich nehme das gerne alles mit. Aber ich bin trotzdem froh, dass ich zusätzlich meine eigene Plattform habe. Wer weiß, was sich Linkedin noch ausdenkt in den nächsten Jahren. Deshalb ist der Kern der Dinge, die ich online von mir gebe, mein Blog. Auch wenn die Diskussionen dazu dann manchmal auf Linkedin stattfinden.

Wie sind Sie eigentlich zum Bloggen gekommen?
Das war im Frühjahr 2007, also vor mittlerweile siebzehneinhalb Jahren. Da habe ich einfach mit einer WordPress-Installation angefangen, weil ich das Gefühl hatte, ich brauche einen Kanal, um mein Mitteilungsbedürfnis zu befriedigen. Das war damals noch relativ rudimentär, Dreizeiler und einfache Terminankündigungen waren keine Seltenheit. Und dann hat das mit der Zeit – auch durch den Austausch mit anderen Blogs – eine Eigendynamik entwickelt.

Was hat sich damals verändert?
Ich habe gemerkt, dass das, was ich schreibe, Menschen interessiert. Ich hatte auf einmal Reichweite, was wiederum zu dem Gefühl führte, jetzt auch liefern zu müssen. Dadurch hat sich das dann mit der Zeit auch etwas professionalisiert.

Das Blog ist Teil Ihrer Arbeit, oder?
Ja, es ist zwar auch eine persönliche Leidenschaft, aber ich befülle es auch und vor allem während der Arbeitszeit. Denn natürlich zahlt das alles auch auf die Sichtbarkeit von Cyquest ein.

Können Sie quantifizieren, wie viel Zeit Sie ins Bloggen investieren?
Ich habe das nie wirklich getrackt, aber ich würde schätzen, dass es im Schnitt ein halber Tag pro Woche ist. Also alles andere als ein Vollzeitjob, aber irgendwie immer im Hinterkopf.

Wie meinen Sie das?
Na ja, es kommt durchaus vor, dass ich eigentlich gerade ein Angebot schreiben soll oder einen Vortrag vorbereiten muss. Dann kommt von irgendwo ein Thema, bei dem ich das Gefühl habe, das ich dazu etwas schreiben muss. Und schon schreibe ich zwei Stunden an einem Artikel.

Einen langfristigen Redaktionsplan gibt es also nicht?
Nein. Ich glaube, da darf ich als Blogger ein bisschen Freigeist sein. Klar, gibt es bei einigen Themen lange Linien – über KI habe ich das erste Mal vor zehn Jahren geschrieben. Und die berufliche Orientierung ist ein Herzensthema, das immer wieder vorkommt. Außerdem veröffentliche ich gerne Fundstücke und Skurrilitäten aus der Welt der Personalgewinnung.

Die Themen generieren sich ansonsten in Ihrem Berufsalltag?
Ja, genau. Ich bin viel auf Veranstaltungen unterwegs und auch sonst gut vernetzt. Immer wieder kommt es vor, dass ich zum Beispiel nach einem Gespräch weiterrecherchiere und mich wundere, dass ich im Netz noch nichts zu einer bestimmten Frage finde. Und dann schreibe ich es auf – denn in einem Blog muss ja nicht alles fertig beantwortet sein, das ist das schöne. Manchmal ist es auch nur ein Gedankenanstoß, damit jemand anderes diesen weiterdenkt oder ergänzt.

Welche Blogs – außer Ihrem eigenen – sind für Sie eine Pflichtlektüre?
Hier könnte ich natürlich die üblichen Blogs aufzählen – also Gero Hesses Saatkorn, die Blogs von Tim Verhoeven, Marcel Rütten, Stefan Scheller und Henner Knabenreich auch. Das waren in der Vergangenheit oft Leute, wo ich das Gefühl hatte, dass sie mich zum Weiterdenken anregen. Zum Glück sind in der Vergangenheit auch andere Leute dazu gekommen, erfreulicherweise auch Frauen. Zum Beispiel Sarah Böning, Madeleine Kern oder Anja Lüthy. Die haben zwar alle keine Blogs, aber ihre Linkedin-Präsenzen sind toll.

Und was würden Sie einem Personaler oder einer Personalerin raten, der oder die jetzt auch ein HR-Blog starten will?
Zuallererst: Blogs sind und bleiben eine wichtige Quelle. Übrigens auch in Zeiten von KI, denn sie sind eine beliebte Trainingsquelle für Sprachmodelle. Ansonsten ist tatsächlich mein ganz banaler Rat: Fang an, zu schreiben, probiere dich aus – und rechne damit, auch mal Gegenwind zu bekommen, weil Leute etwas anders sehen als du. Und noch ein Tipp: Hol dir jemanden an die Seite, der oder die sich mit Technik auskennt. Denn die Administration eines Blogs ist zwar machbar, aber mitunter auch viel Arbeit.

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Info

Matthias Schmidt-Stein koordiniert die Onlineaktivitäten der Personalwirtschaft und leitet gemeinsam mit Catrin Behlau die HR-Redaktionen bei F.A.Z. Business Media. Thematisch beschäftigt er sich insbesondere mit den Themen Recruiting und Employer Branding.