Aktuelle Ausgabe neu

Newsletter

Abonnieren

Offboarding: Verabschiedet und vergessen oder Botschafter?

Artikel anhören
Artikel zusammenfassen
Teilen auf LinkedIn
Teilen per Mail
URL kopieren
Drucken

Es ist Dienstagabend, als Jana zum letzten Mal ihren Laptop zuklappt. Fünf Jahre lang war sie Teil des Marketingteams. Jetzt verlässt sie das Unternehmen für eine neue Herausforderung. Doch es fühlt sich nicht nach einem endgültigen Bruch an. Ihr Team hat eine kleine Abschiedsparty organisiert. Die Geschäftsführung bedankt sich persönlich für ihren Einsatz. Und im Gespräch mit der HR-Abteilung lernt Jana das Alumni-Netzwerk des Unternehmens kennen. „Wir bleiben in Kontakt“, heißt es. Und das fühlt sich tatsächlich so an.

Tobias erlebt den gleichen Tag ganz anders. Sein Vertrag läuft aus, aber das Ende fühlt sich an wie eine Randnotiz. Kein Feedbackgespräch, keine offizielle Verabschiedung. Nur eine E-Mail mit den letzten organisatorischen Schritten: Laptop und sonstige IT sowie Zugangskarten abgeben, fertig. Als er später auf Linkedin sieht, dass seine Position längst neu besetzt ist, fühlt er sich bestätigt: „Hier war ich nur eine Nummer.“

Was nach dem Austritt bleibt

Unternehmen investieren viel Zeit und Energie in das Onboarding neuer Mitarbeitender. Doch wenn jemand geht, wird oft nur noch das Nötigste getan. Dabei sollten ehemalige Mitarbeitende keine „geschlossenen Akten“ sein. Denn sie spielen oft langfristig eine wertvolle Rolle. Sie können Botschafter der Unternehmenskultur sein, im positiven wie im negativen Sinne. Ziemlich sicher werden sie mit ihrem Umfeld darüber sprechen, wie es bei ihrem Ex-Arbeitgeber so war – und nicht selten schreiben sie darüber auch auf Bewertungsplattformen. Damit sind sie Multiplikatoren für das Employer Branding ihres ehemaligen Arbeitgebers.

Zudem können sie wertvolle Rückkehrer, sogenannte „Boomerang Employees“, sein. Meist kehren sie dann mit neuen Erfahrungen und frischem Blick zurück. Ein wichtiger Faktor für Arbeitgeber, was Inspiration und Innovation betrifft.

Die Frage ist also nicht, ob sich der Umgang mit ehemaligen Mitarbeitenden auswirkt, sondern wie. Und wie die Trennung zur langfristigen Bereicherung für beide Seiten wird.

Info

Positive Employer Brand durch wertschätzenden Abschied

Jana hatte einen strukturierten Exit-Prozess. Die Message: „Wir schätzen dich auch nach deinem Weggang.“ Das ist dann auch Ton und Stimmung, mit denen sie das Unternehmen verlässt. Ein lachendes und ein weinendes Auge sind dabei, aber die positive Stimmung überwiegt. Monate später empfiehlt Jana eine Freundin für eine offene Stelle ihres alten Arbeitgebers. „Ich hatte dort eine tolle Zeit, und sie gehen wertschätzend mit Leuten um“, schreibt sie in einer Nachricht. Und als sie Jahre später selbst eine neue Stelle sucht, fällt ihr wieder ihr ehemaliger Arbeitgeber ein. Denn die Beziehung zu den ehemaligen Kollegen bestand weiterhin. Verhältnismäßig schnell ist Jana wieder an Bord. Ein langes Onboarding ist gar nicht nötig. Denn Jana ist mit der Unternehmenskultur, den Prozessen und den internen Abläufen bereits vertraut. Ein klarer Vorteil für beide Seiten, der auf gegenseitigem Respekt und Wertschätzung basiert.

Tobias hingegen erlebte das Gegenteil. Ohne Feedbackgespräch, ohne Abschied, ohne echte Anerkennung verließ er das Unternehmen mit einem bitteren Beigeschmack. Zwei Wochen später schreibt er eine kritische Bewertung auf kununu. Darin warnt er vor einer „kühlen Unternehmenskultur ohne Wertschätzung“. Und weiter: „Die tun zwar so, als wärst du Familie – aber wenn du gehst, bist du Luft für die. Da hört man nie wieder was.“ Sein ehemaliger Arbeitgeber hat damit nicht nur einen potenziellen positiven Markenbotschafter verloren und einen negativen „gewonnen“. Er verpasst auch die Chance auf eine wertvolle Beziehung, die später reaktiviert werden kann. 

So gelingt ein professionelles Offboarding

Ein gelungener Abschied beginnt in der Regel mit einem strukturierten Exit-Gespräch. Dabei geht es nicht nur darum, Laptop und Zugangskarten zurückzugeben, sondern um einen ehrlichen Austausch. Eine kleine Verabschiedung – sei es eine kleine Feier, ein gemeinsames Mittagessen oder mindestens ein Dankeschön – ist das nötige Minimum an Wertschätzung.

Eine weitere zunehmend wichtige Methode zur Aufrechterhaltung einer guten Beziehung zu ehemaligen Mitarbeitenden sind Alumni-Netzwerke. Viele Unternehmen, besonders in der Beratung oder IT-Branche, pflegen gezielt den langfristigen Kontakt zu ehemaligen Mitarbeitenden. Hierfür gibt es spezialisierte Softwarelösungen. Die ist in ohnehin häufig eingesetzten Applicant Tracking Systemen (ATS) wie SAP SuccessFactors oder Workday bereits integriert. Sie helfen Arbeitgebern bei der aktiven Pflege ihres Netzwerks. Ebenso existieren weitere eigenständige Lösungen, die unabhängig von großen, vollumfänglichen ATS funktionieren und auf Alumni-Beziehungen spezialisiert sind.

Spannende neue Entwicklungen zeigen, dass Metaverse-Ansätze sich ebenfalls für das Alumni-Management eignen. Virtuelle Alumni-Lounges in Plattformen wie Spatial.io ermöglichen es beispielsweise, sich unabhängig von Ort und Zeit zu vernetzen. Künstliche Intelligenz wird das Alumni-Management ebenfalls verändern. KI-gestützte Matching-Algorithmen können gezielt passende Job-Opportunitäten für ehemalige Mitarbeitende identifizieren. Personalisierte Kommunikation und maßgeschneiderte Angebote werden durch KI-gestützte Analysen möglich. Auch mobile Apps gewinnen zunehmend an Bedeutung. Sie ermöglichen Alumni den direkten Zugriff auf Netzwerk-Features, Events und Job-Börsen über das Smartphone. Push-Benachrichtigungen und In-App-Messaging fördern dabei die kontinuierliche Interaktion. Innovative Engagement-Formate wie Online-Mentoring-Programme, virtuelle Fachvorträge und hybride Networking-Events werden das Alumni-Management der Zukunft prägen. Dabei setzen immer mehr Unternehmen auf spezialisierte Alumni-Plattformen, statt etwa auf Linkedin-Gruppen.

Info

Fazit: Ein Abschied muss kein Abschied für immer sein

Jana bleibt auch nach ihrem Weggang mit dem Unternehmen verbunden und profitiert vom Netzwerk. Tobias hingegen sieht seine alte Firma nur noch als negatives Beispiel.

Der Unterschied? Unternehmen, die ehemalige Mitarbeitende nicht einfach vergessen, profitieren langfristig von ihrem Netzwerk und prägen nachhaltig das Image als guter Arbeitgeber. Ein unschlagbarer Vorteil, gerade in Zeiten starken Wettbewerbs und fehlender Arbeitskräfte. Wenn Unternehmen ihre Ehemaligen auch in Zukunft als Partner betrachten, bleiben Wohlwollen und Loyalität erhalten. Denn eines ist sicher: Ein guter Abschied bleibt bei Mitarbeitenden in Erinnerung – ein schlechter allerdings noch viel länger.

Alles zum Thema

Employer Branding für KMU

Marcus Merheim ist Gründer und Geschäftsführer von hooman Employer Marketing. In seiner Kolumne „Employer Branding für KMU“ erklärt er, wie Mittelständler mit limitierten Ressourcen eine erfolgreiche Arbeitgeberidentität schaffen können.