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Round Table: Personalberatung

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Bewerbungsgespräch per Zoom
Foto: © insta_photos / stock.adobe.com

Personalberatung – sie trägt das Wörtchen „persönlich“ gewissermaßen schon im Namen. Kein Wunder also, dass die Corona-Krise und die damit verbundenen Schutz- und Abstandsmaßnahmen auch die Headhunter zu einer stärkeren Verlagerung ihrer Aktivitäten ins Netz gezwungen haben. In Gänze ist das sicherlich kein erstrebenswerter Dauerzustand, aber einige digitale Prozesse werden zweifelsohne auch nach der Pandemie bleiben. Insgesamt ist die Stimmung in der Branche konstant bis gut, der Ausblick optimistisch.

Das liegt nicht zuletzt an der Klientel, die die Teilnehmenden am Round Table überwiegend zu ihrer Zielgruppe zählen: Entscheider, Führungskräfte und Spezialisten. Ihre Stellen wurden und werden in turbulenten Phasen seltener weggekürzt als beispielsweise die von Fachkräften. Auch und gerade in Krisenzeiten braucht es starke und qualifizierte Persönlichkeiten, um das Schiff auf Kurs zu halten.

Etwas hat sich allerdings schon verändert: Es wurden noch mehr Prozesse einer Besetzung digitalisiert, bis hin zur Vorstellung von Kandidatinnen und Kandidaten bei den Unternehmen. Hier ist vieles in Bewegung gekommen, was vor zwei Jahren oft noch undenkbar war. Einige Vorteile liegen auf der Hand: Zeit- und Kostenersparnisse etwa durch weniger Reisen.

Trau, schau, wem

Gleichzeitig führte die Krise auch dazu, dass sowohl die suchenden Unternehmen als auch die potenziellen neuen Mitarbeitenden ihre Entscheidungen noch stärker prüfen als sie das ohnehin schon getan haben. Zudem herrscht nicht überall Optimismus. Manche Branchen waren und sind so stark von der Pandemie betroffen, dass es für sie mitunter ums nackte Überleben geht. Nicht immer hat das nur etwas mit den jüngsten Entwicklungen zu tun. Denkt man beispielsweise an die Industrie oder die Automobilbranche, ist die Transformation schon lange vorher angestoßen worden.

Auch für die Personalberatungen und Executive Searcher selbst ist der Wettbewerb härter geworden, berichten die Expertinnen und Experten unisono. Häufige Videokonferenzen haben dazu beigetragen, dass Vorstellungsgespräche manchmal als weniger verbindlich wahrgenommen werden als persönliche Gespräche, zu denen man anreisen muss. Hinzu kommt, dass der digitale Weg weniger aufwendig für die suchenden Unternehmen ist. Sie fragen viel häufiger mehrere Beratungen an, anstatt sich vertrauensvoll mit einer ihnen bekannten zufriedenzugeben.

Geld allein macht nicht (mehr) glücklich

Die Krise, so war häufiger zu lesen, hat auch dazu geführt, dass sich zunehmend mehr Menschen die Sinnfrage stellen. Ein Eindruck, der von den Headhuntern nur zum Teil bestätigt wird. Es werde zwar viel mehr hinterfragt und größerer Wert auf den eigenen Gestaltungseinfluss gelegt. Geld sei aber nach wie vor ebenfalls ein wichtiger Faktor. Beteiligungsmodelle könnten hier ein guter Mittelweg sein: Sie ermöglichen eine nachhaltigere Bindung ans Unternehmen und im besten Fall auch einen entsprechenden finanziellen Gewinn für die Führungskraft.

In puncto nachgefragter Kompetenzen hat sich indes weniger verändert, als man vermuten könnte. Resilienz und fachliche Expertise waren schon vorher hilfreich und wurden oft vorausgesetzt. Auch das Führen auf Distanz und das Zugestehen von mehr Eigenverantwortung für die Mitarbeitenden wurden mit Corona nicht neu erfunden. Sie haben aber an Stellenwert gewonnen. Sichtbar wurde in der Krise vor allem, wie wichtig Führungsfähigkeiten wie Empathie oder Kommunikationsfähigkeit sind. Zuvor standen sie häufig nur auf dem Papier, nun waren sie unweigerlich in der Praxis gefragt. Auf Seite der Kandidatinnen und Kandidaten gab es ebenfalls Verschiebungen, aber keine grundlegenden Veränderungen. Dass das Homeoffice mittlerweile auch für Führungskräfte kein Ding der Unmöglichkeit mehr ist, zählt beispielsweise dazu.

Kulturelles Matching geht nicht nebenher

Womit sich der Fokus unweigerlich auf die Unternehmenskultur richtet: Eine langjährige Geschäftsbeziehung zu ihren Kunden ist eine Möglichkeit für Personalberater, ein gutes Verständnis für sie zu entwickeln. Gleiches gilt für das Pflegen von Netzwerken auf Kandidatenseite. Hilfreich beim kulturellen Matching ist darüber hinaus ein systematisches Erwartungsmanagement – auf beiden Seiten. Eine zeitaufwendige Aufgabe, die sich aber lohne.

Wie es für die Personalberatungen in den kommenden Monaten weitergeht, vermochte niemand unterschriftsreif zu prognostizieren. Grundsätzlich aber überwiegt der Optimismus, dass es für die Wirtschaft wieder aufwärts geht und damit auch wieder mehr Stellen zu besetzen sind. Manche Errungenschaften der Digitalisierung werden nachhaltig bleiben, auch wenn der persönliche Kontakt, sobald möglich, wieder etwas von seiner Relevanz zurückgewinnen wird. Künftig muss noch stärker austariert werden, welche Wege und Kanäle für alle Beteiligten in einem Besetzungsprozess die jeweils besten sind.

David Schahinian arbeitet als freier Journalist und schreibt regelmäßig arbeitsrechtliche Urteilsbesprechungen, Interviews und Fachbeiträge für die Personalwirtschaft.