Mitarbeiterbindung gilt als Grundpfeiler, um die Fluktuationsrate im Unternehmen gering zu halten. Doch inwiefern kann eine gute Bindung zwischen Mitarbeitenden und Unternehmen auch das Recruiting positiv beeinflussen? Tobias Heberlein, Geschäftsführer von Absolventa und FUNKE Works, spricht darüber im Interview.
Herr Heberlein, die Lage am Recruitingmarkt ist weiter angespannt, viele Unternehmen klagen über Schwierigkeiten bei der Personalsuche. Welche Trends beobachten Sie aktuell?
Man merkt, dass Mitarbeiterbindung und Employee Wellbeing aktuell mehr als zuvor im Fokus von HR-Teams stehen. Und das zu Recht: Hohe Fluktuationsraten sind schon immer schädlich und teuer für Unternehmen gewesen, doch aktuell verstärken sich die negativen Folgen aufgrund des Arbeitskräftemangels zusätzlich. Der Markt hat sich mehr und mehr spezialisiert, deshalb muss man Jobangebote gezielter platzieren, um erfolgreich zu rekrutieren.
Sie sind mit der Online-Jobbörse Absolventa Spezialist im Bereich Recruiting von Professionals. Mitarbeiterbindung und Recruiting scheinen im ersten Moment gegensätzlich zu sein. Gibt es dennoch Verbindungen?
Mehr als man auf den ersten Blick vermuten würde. Eine starke Bindung zwischen Angestellten und dem Unternehmen zahlt sich auch im Recruiting aus. Zufriedene Mitarbeitende sind die besten Testimonials – sowohl in der offiziellen Unternehmenskommunikation als auch bei persönlichen Empfehlungen für offene Stellen. Ohne zufriedene und motivierte Angestellte ist erfolgreiches Employer Branding kaum möglich.
Wie hoch würden Sie den Wert von Employer Branding einschätzen?
Enorm hoch. Wir haben die Nutzer:innen von Absolventa gefragt, wie wichtig ihnen die Beschreibung des Unternehmens in Stellenanzeigen ist. Das Ergebnis: Mehr als 70 Prozent erachten die Darstellung des Arbeitgebers als wichtig – ein Großteil davon sogar als mitentscheidend dafür, ob sie sich um eine Stelle bewerben oder nicht. Meiner Meinung nach ist Employer Branding mittlerweile Pflicht für Unternehmen, denn nur so kann man sich von der Konkurrenz abheben. Und ebenso wichtig ist es für das Recruiting, die eigenen Mitarbeitenden mit den Employer-Branding-Maßnahmen abzuholen und zu motivieren.
Info

Inwiefern ist dies für das Recruiting wichtig?
Motivation und Commitment sind sowohl für die Mitarbeiterbindung als auch für den Gewinn neuer Talente mitentscheidend. Vor allem jüngere Menschen legen viel Wert darauf, sich mit ihrer Arbeit identifizieren und einen Sinn darin erkennen zu können. Dieser Faktor sollte also auch beim Recruiting, beispielsweise in Stellenanzeigen, nach außen transportiert werden, um einen zusätzlichen Anreiz zu bieten.
Wodurch entsteht emotionale Identifikation?
Bei einigen Unternehmen funktioniert das bereits über die attraktiven Produkte, die sie vertreiben. Oder durch ihre Identität, wie beispielsweise bei Profi-Fußballklubs. Sinnstiftende Arbeit ist natürlich grundlegend mit NGOs verknüpft. Doch auch alle anderen Unternehmen können hohes Commitment bei ihren Mitarbeitenden erreichen, indem sie für eine angenehme Arbeitsatmosphäre und kollegiale Stimmung im Team sorgen. Mit einem kommunikativen Führungsstil, einem angemessenen Workload sowie einer positiven Fehlerkultur wächst die Wertschätzung gegenüber dem Unternehmen. Und mit ihr wächst die Identifikation.
Gibt es noch weitere Aspekte, die sowohl in die Mitarbeiterbindung als auch -gewinnung einzahlen?
Zielgruppengerechte und individualisierte Benefits werden in Zukunft noch wichtiger für beide Bereiche. Das geht auch aus dem Trendence-Report 2023 hervor. Wir haben die rasante Entwicklung hin zu flexibleren Arbeitszeiten und -umfeldern in den vergangenen Jahren bereits erlebt. In vielen Unternehmen gibt es schon reine Remote Worker – warum sollten diese nicht auch spezielle Benefit-Pakete erhalten? Es ist nur logisch, dass für diese Mitarbeitenden zum Beispiel Mobilitätszuschüsse weniger wichtig sind als für Angestellte, die regelmäßig zur Arbeitsstätte pendeln. Auch Unterscheidungen zwischen Professionals und Azubis sind sinnvoll. Individuelle Benefits können die Attraktivität für neue Kandidat:innen sowie bestehende Arbeitnehmende enorm steigern.
