Das gleiche Einkommen für die gleiche Tätigkeit ist nur eine Facette der Equal-Pay-Problematik, die sich durch strukturiertes Vergütungsmanagement relativ leicht beheben lässt. Die wirklichen Auslöser für den Gender Pay Gap reichen tiefer.
Die aggregierte Durchschnittsvergütung von Frauen gegenüber Männern in der gesamten Organisation verdeutlicht die eigentlichen Ursachen: Sie bringt eine Unterrepräsentierung von Frauen in besser bezahlenden Industriezweigen und generell höher bezahlten Führungsrollen in den Unternehmen zutage. So gesehen ist der Gender Pay Gap ein Symptom von strukturellen Talent-Management-Problemen – und nicht nur des Vergütungsmanagements. Die Ursachen für diese Situation sind vielfältig: Sie reichen von gelebter Tradition und den kulturellen Normen, die Männer bevorzugen, über die Ablehnung von Diversity-Programmen bis hin zur sogenannten Unconscious Bias, also der unbewusst verzerrten Wahrnehmung, die Personalentscheidungen zum Nachteil von Frauen beeinflusst.
Warum Diversity, Inklusion und Equity vorantreiben?
Unternehmen sollten sich daher über die reine Gender-Pay-Gap-Thematik hinaus aktiv für eine Verankerung von Diversity, Inklusion und Equity (DI&E) einsetzen, um unterschiedliche Märkte flexibel und erfolgreich bedienen zu können. Unter Diversity verstehen wir das komplette Spektrum menschlicher Unterschiede (Kultur, Fähigkeiten, Problemlösestrategien etc.). Inklusive Unternehmen generieren aus Diversität Synergien in der Zusammenarbeit und wirtschaftlichen Mehrwert, indem sie jeder Person das Arbeitsumfeld (Equity) gibt, das diese motiviert, mit ihrer Leistung zum Erfolg des Ganzen beizutragen.
- Business Case: Ein gut geführtes DI&E-Management optimiert nachweislich die Leistung von Individuen, Teams und Organisationen und schafft auf diesem Weg einen Wettbewerbsvorteil.
- Wirtschaftlicher Erfolg: Diverse Studien von Korn Ferry sowie anderen Marktteilnehmern haben gezeigt, dass Unternehmen mit ethnisch diversen Führungsteams eine 33-prozentig höhere Wahrscheinlichkeit haben, die Profitabilität zu verbessern. 87 Prozent der angesehensten Unternehmen erkennen den positiven Einfluss von DI&E auf ihre Geschäftsergebnisse. Eine Steigerung von null auf 30 Prozent Frauen in Führungspositionen kann die Profitabilität um 15 Prozent steigern.
- Innovation: Die Fähigkeit, Dinge anders zu sehen und zu denken, ist ein unabdingbares Erfolgskriterium in einer sich schnell verändernden Welt. Diverse Teams, die ihre Unterschiede kultivieren und nutzen, können homogene Teams in deren Leistung und Innovationskraft überholen. Die Innovationskraft von Organisationen mit mehr als einem Fünftel an Frauen in Führungspositionen steigt signifikant an. Diverse und inklusive Organisationen sind tendenziell schneller am Markt und haben eine 75 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit, dass sich ihre Ideen in neue Produkte überführen lassen. Überdurchschnittlich diverse Unternehmen berichten von einem 19 Prozent höheren Umsatz aus Innovationen.
- Kundenfokus: Teams, die den Strukturen ihrer Kunden entsprechen, haben eine deutlich höhere Wahrscheinlichkeit, deren Anforderungen besser zu verstehen. Frauen sorgen zum Beispiel für 70 Prozent der globalen Konsumgüterbeschaffung. Wer hier diversen Teams aus bislang unterrepräsentierten Personengruppen und also auch mehr Frauen den Weg in die Führungsetagen ebnet, bleibt auf der Höhe der Trends, und dies nicht nur im Konsumgüterbereich.
- Markenimage: Kunden erwarten zunehmend, dass Unternehmen, von denen sie kaufen, transparent und fair sind. Klare und nachhaltige Anstrengungen, die Balance zwischen den Geschlechtern herzustellen und Diversität an sich zu leben, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit die externe Reputation der Marke stärken und indirekt eine höhere und diversere Gruppe von Jobsuchenden anziehen. Zum Arbeitgeber der Wahl zu werden, dürfte dann nur noch ein kleiner Schritt sein.
- Allerdings sind 48 Prozent der Mitarbeitenden nicht überzeugt davon, dass die DI&E-Regelungen der eigenen Unternehmen dazu beitragen, die talentiertesten Personen anzuziehen, anzustellen und zu halten. Weiter glauben nur die Hälfte der Beschäftigten, dass ihre Unternehmen bei der Entwicklung von Personen mit unterschiedlichen Hintergründen in Führungspositionen einen guten Job machen.
Häufig festgestellte Fehler bei DI&E
Wir beobachten nicht selten, dass Unternehmen davon ausgehen, mit einem Programm alle Probleme lösen zu können. Oder aber dass DI&E nur eine reine Aufgabe des Personalmanagements ist. Eine Verwendung von Metriken ist häufig zu eng, nur auf die obersten Führungsebenen konzentriert und vernachlässigt damit eine mögliche Schieflage in niedrigeren Führungsebenen beziehungsweise der Gesamtbelegschaft. Häufig werden zwar die Symptome identifiziert und mit Initiativen angegangen, aber die eigentlichen Probleme werden nicht klar herausgearbeitet. Der Versuch, die Mitarbeitenden und nicht die hemmenden organisationalen Strukturen zu ändern, wirkt nicht oder nur kurzfristig. Auch wird der tatsächliche Erfolg solcher Programme mangels fehlender Evaluationen nicht ausreichend nachverfolgt. Wo solche vorliegen, besteht oft kein klarer Plan, welche Aktionen für künftige Maßnahmen daraus abgeleitet werden müssen. Diesen zähen Prozess, der sich in Unternehmen über Jahre etabliert hat, gilt es zu unterbrechen, und durch neue, innovative Lösungen zu ersetzen.
Was Organisationen konkret tun können
- Überdenken Sie zunächst, wie Sie rekrutieren, entwickeln und befördern. Unbewusst verzerrte Wahrnehmungen im Auswahl- und Beförderungsprozess müssen überwunden werden.
- Stellen Sie sicher, dass jede Person fair bezahlt wird. Starten Sie mit einem klaren und robusten Stellenbewertungsansatz.
- Untersuchen Sie aus arbeitsrechtlicher Sicht die Vergütungsstrategie, deren Ausgestaltung und Anwendung, insbesondere hinsichtlich leistungsabhängiger Parameter. Damit können Sie sicherstellen, dass bestimmte Personengruppen nicht systematisch benachteiligt werden.
- Holen Sie aktiv unterrepräsentierte Gruppen in Ihre Talent Pipeline und halten diese zum Beispiel durch speziell aufgesetzte High-Potential-Programme.
- Eine umfassende Untersuchung der Normen, Werte und Unconscious Bias in Ihrer Organisation, die bestimmte Gruppen bevorzugen, ist ein effektiver erster Schritt hin zur Schaffung einer echten diversen und inklusiven Kultur. Zusätzlich benötigen Sie eine geteilte Verantwortung von Unternehmensleitung, zwischen Führungskräften in der Linie und unterrepräsentierten Gruppen, um diesen Wandel umzusetzen.
- Damit DI&E-Programme funktionieren, müssen Top-Führungskräfte verantwortlich zeichnen und das Thema in die Gesamtstrategie ihres Unternehmens integrieren. Dies bedeutet auch, klare Ansagen zu machen, welche Ziele mit diesem Wandel erreicht werden sollen, und wie sich die Organisation und das Geschäft dadurch verändern werden.
Holger Jahn
Senior Client Partner
Korn Ferry
holger.jahn(*)kornFerry(.)com
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Dr. Dagmar Flinspach
Head of Diversity, Equity & Inclusion
Korn Ferry
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Manuel Stepp
Relationship Manager Digital Lead of Diversity, Equity & Inclusion Compass
Korn Ferry
Manuel.Stepp(*)kornferry(.)com
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