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Was Mitarbeitenden wichtig ist

Beschäftigte in Deutschland wünschen sich mehr Flexibilität beim Thema Benefits. Die Mehrheit der Befragten möchte sie nach ihren persönlichen Bedürfnissen auswählen und abhängig von ihrer Lebenssituation anpassen können. Diese inhaltliche und zeitliche Flexibilität ist bislang aber nur in den wenigsten Unternehmen gegeben.

Wenn es um die Bedürfnisse und Präferenzen verschiedener Mitarbeitergruppen geht, spielen längst nicht mehr nur Alter oder Karrierestufe eine Rolle. Die Anforderungen innerhalb der Belegschaft sind heute so vielfältig wie nie zuvor, und oftmals basieren die Unterschiede nicht nur auf sozio-demografischen Faktoren. Stattdessen fallen beispielsweise Persönlichkeitsmerkmale oder die individuelle Lebenssituation stärker ins Gewicht. Zum Beispiel wird das Angebot einer Kinderbetreuung von vielen Mitarbeitenden, gerade in Ballungsgebieten, sehr geschätzt. Für diejenigen ohne Kinder hat dieses Benefit aber keinen wirklichen Wert, da sie es nicht in Anspruch nehmen. Auch was andere Zusatzleistungen wie individuelle Mobilität, langfristige Vorsorgeplanung oder Risikobereitschaft angeht, gibt es relevante Unterschiede zwischen Arbeitnehmenden. Klar ist: Das Individuum rückt immer stärker in den Fokus.

Die meisten Unternehmen setzen flexible Benefits oft noch mit einem großen Angebot an freiwilligen Sozial- und Nebenleistungen gleich, dessen Adminis-tration ohne digitale Unterstützung nicht zu stemmen ist. Daher findet man bei den meisten Arbeitgebern in Deutschland ein historisch gewachsenes Benefits-Angebot, das für alle Mitarbeitenden gleichermaßen – manchmal mit Einschränkungen auf bestimmte Gruppen – zur Verfügung steht.

Durch die Digitalisierung wird eine Transformation von Benefits-Angeboten erst möglich. Mit ihr eröffnen sich Spielräume, um völlig neue Welten der Zusatzleistungen zu erschaffen. Die Einführung flexibler Konzepte bietet darüber hinaus sowohl für den Arbeitgeber als auch für die Mitarbeitenden Vorteile.

Administrative Prozesse vereinfachen

Für den Arbeitgeber eröffnet sich die Möglichkeit, das historisch gewachsene Benefits-Angebot neu zu überdenken, zielgerichtet an die Mitarbeiterbedürfnisse anzupassen und möglicherweise zu verschlanken. Administrative Prozesse können dabei deutlich vereinfacht beziehungsweise sogar vollständig automatisiert werden. Auch eine unübersichtliche Kostensituation im aktuellen Benefits-Angebot, verursacht durch eine Kombination aus arbeitgeber-, arbeitnehmer- und mischfinanzierten Leistungen, kann durch eine Überführung in Budgets deutlich transparenter gestaltet werden.
Auch für Mitarbeitende ergeben sich neue Möglichkeiten, um sich mit den angebotenen Benefits auseinanderzusetzen. Über digitale Benefits-Plattformen stehen ihnen alle wichtigen Informationen zentral zur Verfügung. Die Auswahl der Benefits beziehungsweise das Beantragen von bestimmten Leistungen ist deutlich vereinfacht und entspricht idealerweise dem privaten Nutzerverhalten, ähnlich dem Online-Shopping.

Grundsätzlich sollten Unternehmen das Thema Benefits, insbesondere flexible Benefits, strategisch neu denken – und zwar aus einer holistischen Perspektive. Hierzu empfiehlt es sich, neben den Compensation-&-Benefits-Verantwortlichen auch andere HR-Funktionen, wie zum Beispiel Talent Akquisition oder Employee Relations in die Konzeption einzubeziehen. Welche Benefits passen zu unserem Unternehmen und unterstreichen die eigenen Unternehmenswerte? Was ist uns wichtig? Welche Absicherung möchten wir unseren Mitarbeitenden gewähren? Allerdings reicht der Blick nach innen nicht mehr aus. Wer kritische Talente gewinnen oder halten will, muss auch deren Präferenzen und Vorstellungen hören und berücksichtigen, um Employer of Choice zu bleiben und ein Angebot zu unterbreiten, das sowohl der Employer Value Proposition (EVP) beziehungsweise dem Corporate Branding entspricht als auch zu den Erwartungen der Mitarbeitenden passt.

Die Unternehmen haben dabei in der Hand, wie viel Flexibilität sie gewähren möchten. Sind alle Benefits gleichermaßen frei wählbar, oder gibt es bestimmte Leistungen, die für die Mitarbeitenden  verpflichtend sind? Die Gründe, bestimmte Leistungen bindend anzubieten, können hierbei unterschiedlicher Natur sein, zum Beispiel um der sozialen Verantwortung als Arbeitgeber gerecht zu werden oder um globale Konsistenz in ausgewählten Bereichen herzustellen.

Darüber hinaus sollte auch das Konzept zur Umsetzung der Flexibilisierung gut durchdacht werden. Bietet man klassisch ein Budget an, mit dem die Beschäftigten die Benefits ihrer Wahl finanzieren können? Besteht die Möglichkeit, bestimmte Leistungen gegeneinander einzutauschen, oder folgt man neuen Ansätzen, wie beispielsweise dem „Opting-Over“?

So kann HR die Individualisierung umsetzen

Die Ausgangssituation in den meisten Unternehmen ist oft unübersichtlich. Häufig verfügen sie über ein gewachsenes Angebot an Zusatzleistungen, die entweder kollektiv- oder individualrechtlich geregelt sind. Typische, von Arbeitgebern in Deutschland angebotene Benefits, sind beispielsweise die betriebliche Altersvorsorge (arbeitgeber- oder entgeltumwandlungsfinanziert), Risikoversicherungen (Leben, Unfall, Arbeitsunfähigkeit, Invalidität), Arbeitszeitkonten (Gleitzeitkonten/Flexi-Konten/Zeitwertkonten), Dienstwagen, Firmenparkplätze, Firmenfahrrad, Kantinenbezuschussung/Essensgutscheine, Zuschuss zu Sporteinrichtungen, Betriebsfeiern (Weihnachtsfeiern/Sommerfest) und Kinderbetreuung.

Nehmen wir an, ein Unternehmen möchte das Benefits-Angebot für seine Mitarbeitenden bei gleichen Kosten erweitern, um ihren Präferenzen gerecht zu werden. Die bestehenden Benefits sollen um den Kauf zusätzlicher Urlaubstage, Rauchentwöhnungsprogramme und die Nutzung moderner Mobilitätskonzepte (inklusive ÖPNV) ergänzt werden. Zusätzlich soll die Nutzung der Benefits in einem strategisch definierten Rahmen zur personalisierten Nutzung freigegeben werden.

Der Arbeitgeber hat nun folgende Möglichkeiten:

  • Eine „große“ Lösung, die auf die parallele Neugestaltung einzelner oder mehrerer Betriebsvereinbarungen/Zusagen fokussiert. Dies kann kompliziert und langwierig sein und stellt einzelne Verhandlungserfolge der Vergangenheit ins Risiko.
  • Eine „smarte“ Lösung: Beim Opting-Over wandeln Arbeitnehmer ihre Ansprüche auf einzelne Benefits in ein Brutto-Benefits-Budget um, das sie anschließend (eventuell ergänzt durch weitere Gehaltsbestandteile) entsprechend ihrer Präferenz verwenden können. Aus arbeitsrechtlicher Sicht kann die Umsetzung von Opting-Over auf unterschiedlichen Wegen erfolgen.
  • Als einzelvertragliche Lösung mit der Einräumung von (Ab-)Wahlrechten und mit dem Vorteil, dass auch Abweichungen von kollektivrechtlichen Regelungen zulässig und daher einfacher zu gestalten sind.
  • Als kollektivrechtliche Lösung mit dem Abschluss einer übergeordneten Flexibilisierungsbetriebsvereinbarung oder der Verwendung tariflich geregelter Entgelte (für Benefits ist eine Öffnungsklausel erforderlich). Bei diesen Wegen gilt, dass die Besonderheiten der bAV beachtet werden müssen.
  • Eine weitere Alternative liegt in der Erweiterung der Mitbestimmung durch Schaffung einer „Gesamtvergütung“. Dabei muss eine Verklammerung beziehungsweise gegenseitige Abhängigkeit der einzelnen Benefits vermieden werden.

Auch Tarifverträge setzen auf mehr Benefits-Flexibilität

Seit 2020 bietet der Tarifvertrag Chemie mit dem „Zukunftsbetrag“ mehr Flexibilität, wenn es um Benefits geht. Der Arbeitgeber stellt hier jedem Tarifarbeitnehmer für das Kalenderjahr einen jährlichen Zukunftsbetrag in Höhe eines monatlichen Tarifentgelts zur Verfügung.

Arbeitgeber und Betriebsrat wählen zur Umsetzung des Tarifvertrags mindestens zwei der folgenden Zwecke aus:

  • Langzeitkonten
  • Tarifliche Altersvorsorge
  • Aufstockung Berufsunfähigkeitszusatzversicherung
  • Qualifizierung
  • Gesundheitsmaßnahmen
  • Freistellung
  • Zusatzmodule Pflegezusatzversicherung
  • Auszahlung

Der Mitarbeitende wählt aus der jeweiligen Vorgabe seinen Verwendungszweck entsprechend der individuellen Präferenz aus. Die Wahl muss bis spätestens 31. Oktober erfolgt sein.

Grundsätzlich sollten Unternehmen das Thema Benefits, insbesondere flexible Benefits, strategisch neu denken – und zwar aus einer holistischen Perspektive.

Aber nicht nur Tarifverträge gehen auf die individuellen Präferenzen der Beschäftigten ein und ermöglichen eine Auswahl, auch der Markt der Benefit-Provider orientiert sich an der Vielzahl der Präferenzen unterschiedlicher Mitarbeiter. Im Bereich Sport finden sich Anbieter, die nicht nur eine bestimmte Aktivität fokussieren, sondern die Mitgliedschaft in mehreren Institutionen, wie beispielsweise dem lokalen Fußballverein bis zu Fitnessstudios in ganz Deutschland, ermöglichen. Auch Mobilitätsanbieter bieten Mitarbeitenden smarte Apps, über  die sie sich im Rahmen eines vom Arbeitgeber definierten Budgets mit Mobilitätsarten ihrer Präferenz fortbewegen können. Vom öffentlichen Nahverkehr über E-Scooter, das Firmenfahrrad bis hin zum Mietwagen können sie flexibel entsprechend ihrem Bedürfnis wählen.

Flexibilität ist nicht nur in der neuen Arbeitswelt ein zentraler Bestandteil, der durch die Pandemie nochmals enorm an Bedeutung gewonnen hat, auch in der Benefits-Landschaft bieten flexible Modelle zahlreiche Vorteile für Arbeitnehmer wie auch für Arbeitgeber. Ein Benefits-Angebot, das die Werte des Unternehmens widerspiegelt und die Lebenssituation sowie die persönlichen Bedürfnisse der Mitarbeitenden berücksichtigt, lässt sich dank digitaler Tools und Möglichkeiten effizient etablieren und bietet Arbeitgebern die Möglichkeit, bei gleichen Kosten neue Benefits einzuführen, ohne alle Zielgruppen des Unternehmens berücksichtigen zu müssen.

Eva Lawless
Head of Benefits Transformation
Mercer Deutschland GmbH
eva.lawless(*)mercer(.)de
www.mercer.com