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Abgrenzung zwischen Geldleistung und Sachbezug

Am 13. April 2021 hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) das langersehnte Schreiben zur Abgrenzung zwischen Geldleistung und Sachbezug und Anwendung der Regelungen des § 8 Abs. 1 Satz 2 und 3 und Abs. 2 Satz 11 zweiter Halbsatz EStG erlassen. Es soll bestehende Unklarheiten beseitigen und Zweifelsfragen beantworten.

Die Frage nach dem Vorliegen von Bar- oder Sachlohn im Einzelfall ist ein Dauerbrenner in der steuerlichen Beratungspraxis sowie ständiger Gegenstand von Lohnsteueraußenprüfungen. Auch die Gerichte hatten sich regelmäßig mit Fragen zur Qualifizierung von Bar- und Sachlohn auseinanderzusetzen. Zuletzt erfolgte dies in den Urteilen vom 7. Juni 2018 (VI R 13/16) und 4. Juli 2018 (VI R 16/17). In diesen beiden Urteilen entschied der Bundesfinanzhof (BFH), dass die Gewährung eines Krankenversicherungsschutzes in Höhe der geleisteten Beiträge Sachlohn darstellt, wenn der Arbeitnehmer aufgrund des Arbeitsvertrages von seinem Arbeitgeber ausschließlich Versicherungsschutz und nicht auch eine Geldzahlung verlangen kann. Zahlt der Arbeitgeber seinem Mitarbeiter hingegen einen Zuschuss für dessen private Zusatzkrankenversicherung, wendet er Geld und keine Sache zu. Entscheidend ist in solchen Fällen also, ob der Arbeitgeber als Versicherungsnehmer für seine Mitarbeiter eine Zusatzkrankenversicherung abschließt (Arbeitgeber als Vertragspartner der Versicherungsgesellschaft) und die Beiträge direkt an das Versicherungsunternehmen zahlt (Sachlohn). Leistet der Arbeitgeber jedoch nur einen Barzuschuss zu einer von dem Arbeitnehmer selbst abgeschlossenen Zusatzkrankenversicherung, liegt Barlohn vor. Dieser Auffassung hat sich auch die Finanzverwaltung angeschlossen und wendet die genannten Grundsätze auf alle entsprechenden Sachverhalte an.

Gesetzliche Neuregelung § 8 Abs. 1 S. 2 und 3 EStG

Im Nachgang zu den beiden genannten BFH-Urteilen, wurde § 8 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) durch das „Jahressteuergesetz 2019“ (Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften) um die Sätze 2 und 3 ergänzt. Seit dem 1. Januar 2020 enthält § 8 Abs. 1 EStG in Satz 2 eine gesetzliche Definition von Barlohn und in Satz 3 eine Regelung zur Behandlung von Gutscheinen und Geldkarten. Nun ist klargestellt, dass zu den Einnahmen in Geld zweckgebundene Geldleistungen, nachträgliche Kostenerstattungen, Geldsurrogate und andere Vorteile, die auf einen Geldbetrag lauten, zählen.

Da Gutscheine und Geldkarten nach dieser Definition als Geldsurrogate beziehungsweise Vorteile, die auf einen Geldbetrag lauten, immer Barlohn darstellen würden, bedurfte es einer Rücknahme dieser Definition, nach der Gutscheine und Geldkarten auch weiterhin als Sachlohn gelten. Die Neuregelung stellt für die Anerkennung als Sachbezug dann aber doch ganz bestimmte Voraussetzungen auf. Sie führt zu einer Einschränkung, sodass Gutscheine und Geldkarten nur noch unter bestimmten Voraussetzungen als Sachbezug anerkannt werden.

Gutscheine und Geldkarten als Sachbezug

Nach dem Gesetzeswortlaut sind solche Gutscheine und Geldkarten begünstigt, die ausschließlich zum Bezug von Waren oder Dienstleistungen berechtigen und die Kriterien von  § 2 Abs. 1 Nummer 10 des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes (ZAG) erfüllen. Danach lassen sich Gutscheine und Geldkarten in drei Gruppen untergliedern:

  1. Begrenzter Kreis von Einsatzstellen (gem. § 2 Abs. 1 Nummer 10 Buchstabe a ZAG) wie zum Beispiel wiederaufladbare Geschenkkarten für den Einzelhandel, Centergutscheine oder Kundenkarten, „City-Cards“ oder Stadtgutscheine.
  2. Sehr begrenzte Palette an Waren oder Dienstleistungen (gem. § 2 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b ZAG) wie zum Beispiel Gutscheine oder Geldkarten begrenzt auf Kraftstoff, Ladestrom., Fitnessleistungen, Streamingdienste für Film und Musik, Zeitungen und Zeitschriften, einschließlich Downloads oder Beautykarten.
  3. Bestimmte Einsatzmöglichkeiten für soziale oder steuerliche Zwecke (gem. § 2 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. c ZAG) wie zum Beispiel Verzehrkarten in einer sozialen Einrichtung, Essensgutscheine, Restaurantschecks, arbeitstägliche Zuschüsse zu Mahlzeiten, Behandlungskarten für ärztliche Leistungen, Reha-maßnahmen, Karten für betriebliche Gesundheitsmaßnahmen.

Nicht zuletzt aufgrund der deutlichen Verschärfung ist die gesetzliche Neuregelung seit Inkrafttreten heftig umstritten. Die zusätzliche Anforderung an Gutscheine und Geldkarten führte in der Praxis zu erheblicher Unsicherheit, weil unklar war, wie genau die einzelnen Kriterien auszulegen sind und wo diese ihre Grenzen finden. Hier schafft das BMF-Schreiben nun Abhilfe, indem es Beispiele aufführt, die unter die einzelnen Varianten zu fassen sind.

Nichtbeanstandungsregelung

Insbesondere für Kartenanbieter von sogenannten Open-Loop-Systemen (Prepaid-Karten im Netz von Visa und Mastercard) gab es keine Klarheit, ob diese Karten per se keinen Sachbezug mehr darstellen oder wie sie  ausgestaltet sein müssen, damit sie die gesetzlichen Anforderungen erfüllen. Für diese Anbieter enthält das BMF-Schreiben eine erfreuliche Regelung, nach der Gutscheine und Geldkarten die Kriterien des ZAG erst ab dem 1. Januar 2022 verpflichtend erfüllen müssen, damit sie als Sachbezug zu werten sind. Somit gelten derzeit die bisherigen Grundsätze zu Gutscheinen und Geldkarten fort, sodass auch bislang in Verkehr gebrachte Open-Loop-Karten noch bis zum 31. Dezember 2021 als Sachbezüge anerkannt werden.

Gutscheine und Geldkarten, die ab 2020 keinen Sachbezug mehr darstellen

Nach dem BMF-Schreiben explizit ausgenommen als Sachbezug sind Gutscheine und Geldkarten, die nicht ausschließlich zum Bezug von Waren oder Dienstleistungen berechtigen. Ebenso Geldkarten und Wertguthabenkarten in Form von Prepaid-Kreditkarten mit überregionaler Akzeptanz ohne Einschränkungen hinsichtlich der Produktpalette. Stets als Geldleistung zu behandeln sind somit insbesondere Gutscheine oder Geldkarten, die

  • über eine Barauszahlungsfunktion verfügen, wobei es nicht beanstandet wird, wenn verbleibende Restguthaben bis zu 1 Euro ausgezahlt werden können,
  • über eine eigene IBAN verfügen,
  • für Überweisungen (zum Beispiel PayPal) verwendet werden können,
  • für den Erwerb von Devisen verwendet werden können oder
  • als generelles Zahlungsinstrument hinterlegt werden können.

Sachbezugsfreigrenze

Die Unterscheidung zwischen Geldleistung und Sachbezug ist nicht zuletzt deshalb entscheidend, da Geldleistungen grundsätzlich (lohn-)steuerpflichtig sind und die Anwendung einiger steuerlicher – insbesondere auch begünstigender – Vorschriften nur im Falle von Sachbezügen möglich ist. Dies gilt beispielsweise für die Sachbezugsfreigrenze von derzeit noch 44 Euro. Voraussetzung hierfür ist, dass die Sachbezüge zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt werden. Erfreulich: Ab 2022 wird die monatliche Freigrenze auf 50 Euro erhöht.

Sachbezugskategorien ab 2022

teuerlich begünstigungsfähige Sachzuwendungen im Rahmen der dann geltenden 50-Euro-Freigrenze lassen sich ab 2022 ausschließlich über Gutscheine und Geldkarten realisieren, die nur in einem begrenzten Kreis an Akzeptanzstellen eingelöst werden können oder deren Warenpalette sehr begrenzt ist.

Das BMF-Schreiben unterscheidet beim ZAG-Kriterium „begrenzter Kreis an Akzeptanzstellen“ zwischen Gutscheinen, die dazu berechtigen, Waren aus der eigenen Produktpalette des Ausstellers zu beziehen (Rz. 9a). Das wäre beispielsweise bei einem Originalgutschein oder einer Guthabenkarte einer bundesweiten Drogeriekette der Fall. Eine Begrenzung der Einlösbarkeit auf eine bestimmte Region oder auf Deutschland insgesamt ist hier nicht gefordert.

Im BMF-Schreiben werden darüber hinaus solche Gutscheine und Geldkarten als Sachbezug definiert, die nur in einer bestimmten inländischen Stadt oder Region einsetzbar sind (Rz. 9b). Die Sachbezugskarten können dann bei allen regionalen Akzeptanzstellen eingelöst werden, mit denen der Kartenemittent Akzeptanzverträge unterhält. Dies ermöglicht in der Praxis in der jeweiligen Region oder Stadt weiterhin eine bunte Einlösevielfalt. In einem Merkblatt zum ZAG hatte die BaFin für Stadtgutscheine auch eine Postleitzahlensystematik aufgestellt. Im BMF-Schreiben stellt die Finanzverwaltung allerdings klar, dass sie allein für die lohn- und einkommensteuerliche Auslegung der ZAG-Kriterien zuständig ist. Die Steuerfreiheit für Sachbezüge ist insofern kein Selbstzweck, sondern legitimiert sich aus Sicht der Finanzverwaltung nur dann, wenn der Sachbezugscharakter angemessen gewahrt ist. Ein Anbieter von Sachbezugskarten, der entsprechende Akzeptanzverträge unterhält, wird vor diesem Hintergrund eine entsprechende regionale Fokussierung ermöglichen.

Beim ZAG-Kriterium „sehr begrenzte Palette von Waren oder Dienstleistungen“ fordert das BMF-Schreiben zwar keine Akzeptanzverträge und auch keine Begrenzung auf das Inland. Allerdings muss das angebotene Warenspektrum eben sehr begrenzt sein. Lassen sich mit dem Gutschein neben Kleidung, Accessoires und Parfüm beispielsweise auch Gartenartikel oder ein Fußball kaufen, wäre die Begrenzung schon überschritten.

Was gilt für Tankgutscheine?

Ein reiner Tankgutschein (Tankkarte) kann zum Bezug von Waren und Dienstleistungen

  • entweder bei einer bestimmen Tankstellenkette (bspw. nur bei Shell) oder
  • in einem Tankstellennetzwerk (zum Beispiel bei Aral, Shell, Total, Esso, Avia und Jet) eingelöst werden.

Bis 31. Dezember 2021 kann jeder Tankgutschein weiter genutzt werden. Da bis zum Jahresende keine Beschränkung vorgenommen werden muss, bieten viele Sachbezugskarten allerdings eine viel breitere Verwendungsauswahl. Ab dem 1. Januar 2022 kann weiterhin ein Tankgutschein ausschließlich einer bestimmen Tankstellenkette eingelöst werden. Arbeitgeber müssten diese Gutscheine selbst beziehen und an die Mitarbeiter verteilen oder ein entsprechendes (digitales) Dienstleistungsangebot eines Gutscheinanbieters nutzen.

Ein Tankgutschein, der in einem Tankstellennetzwerk unterschiedlicher Marken eingelöst werden kann, funktioniert ab 2022 nur dann noch, wenn der Arbeitgeber unmittelbar selbst mit den Tankstellen abrechnet. Unternehmen werden diese Umsetzung aus Administrationsgründen aber wohl eher meiden. Nutzbar könnte auch eine „Themenkarte“ für eine sehr begrenzte Waren- oder Dienstleistungspalette sein. Dann dürfte in einer Vielzahl von Tankstellen aber wirklich nur getankt oder Motoröl bezahlt werden und nicht die Autowäsche oder der Schokoriegel aus dem Tankstellenshop. In der Praxis ist genau dies technisch leider zumeist nicht zuverlässig realisierbar.

Bei einer Stadt- beziehungsweise Regionenkarte, die nur in einem begrenzten Kreis von Einlösestellen über Akzeptanzpartnerverträge einsetzbar ist, wären auch weiterhin unterschiedliche Tankstellen nutzbar, sofern diese entsprechend regional eingebunden sind.

Amazon-Gutschein sind kein Sachbezug

Das BMF-Schreiben definiert klar, dass Sachbezugsguthaben eines Onlinehändlers nicht als Sachbezug gelten, wenn es auch für Produkte von Fremdanbietern (zum Beispiel Marketplace) nutzbar ist. Amazon-Gutscheine in der bislang bekannten Form stellen demnach ab 2022 keinen Sachbezug mehr dar.

Ganz generell kollidieren solche „Breitband-Onlineangebote“ in gewisser Weise zudem auch mit der Gesetzesbegründung zum Jahressteuergesetz 2019. Hier betonte der Gesetzgeber nämlich explizit, dass mit der steuerlichen Begünstigung beim Sachbezug „speziell kleine und mittelständische Unternehmen vor Ort gefördert werden“ sollen.

Dieser Aspekt dürfte angesichts der Corona-Pandemie noch wichtiger geworden sein. Arbeitgeber können ihren Beschäftigten also einen motivierenden steuer- und sozialversicherungsfreien Sachbezug gewähren und gleichzeitig nachhaltig Gewerbetreibende in der Region unterstützen.

Fazit

Auch wenn es mehr als ein Jahr seit Inkrafttreten der Neuregelung gedauert hat, bis das BMF ein entsprechendes Anwendungsschreiben herausgegeben hat, so ist dieses doch zu begrüßen, da es dem Rechtsanwender einen Eindruck von der Auffassung der Finanzverwaltung vermittelt.

Durch die Vielzahl an Beispielen für die neue Definition von Barlohn und die einzelnen Fallgruppen des § 2 Absatz 1 Nummer 10 ZAG, die den Anwendungsbereich der Varianten verdeutlichen, wird die gesetzliche Regelung handhabbarer. Die Finanzverwaltung hat mit der Übergangsregelung zudem Zeit für Anpassungen gegeben.

Klar ist, dass Gutscheine und Sachbezugskarten ab dem Jahr 2022 restriktiver gehandhabt werden müssen. Erfreulicherweise gibt es Umsetzungswege sowie Gutschein- und Kartenlösungen von Anbietern, die auch im Übergang zum kommenden Jahr eine nahtlose Weiternutzung der Steuerfreigrenzen ermöglichen.

Theresa Voit
Steuerberaterin
BANSBACH GmbH
theresa.voit(*)bansbach-gmbh(.)de
www.bansbach-gmbh.de

George Wyrwoll
Unternehmenskommunikation und Regierungsbeziehungen
Sodexo Benefits and Rewards Services
george.wyrwoll(*)sodexo(.)de
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