Vor der Implementierung eines Vergütungssystems ist es unverzichtbar, sich mit dessen Zielen auseinanderzusetzen. Diese sind einerseits bei der konkreten Ausarbeitung handlungsleitend und stellen andererseits ein Kernelement im Kommunikationsprozess mit Mitarbeitern und Führungskräften dar. Ziele, die häufig ganz oben auf der Unternehmensagenda stehen und realisiert werden sollen, sind:
- Attraktivität und Bindung der Leistungsträger
- Kostensteuerung/Kostenflexibilität
- Verhaltensdifferenzierung
- Leistungsdifferenzierung
- Fairness und Nachvollziehbarkeit
Der Prozess zur konkreten Entwicklung eines Vergütungssystems umfasst im Kern fünf Elemente, wobei für jedes Element zahlreiche technische Ausgestaltungs-varianten bereitstehen.
Das Stellenbewertungssystem
Nach welchem Verfahren sollen Funktionswertigkeiten ermittelt werden? Analytisch über einen Punktemechanismus oder in einem summarischen Verfahren? Welche weiteren Instrumente sollen mit der Stellenbewertung verknüpft werden? Was sind die Konsequenzen für die Ausgestaltung des Systems? Die Erfahrung zeigt, dass Ausgestaltungen, die in Unternehmen A sehr gut funktionieren, für Unternehmen B nicht passen. So neigen etwa ingenieursgeprägte Organisationen zu analytischen Stellenbewertungsverfahren, da die Grundgedanken der Verfahren kompatibel mit der Herangehensweise in deren fachlichen Belangen sind.
Die Vergütungsstruktur
Hier geht es darum, welche Regeln anzuwenden sind, um die Gehälter der Mitarbeiter zu ermitteln. In welcher Ausprägung sollen der Markt und die interne Perspektive berücksichtigt werden? Sind Gehaltsbänder geeignet? Falls ja: Kann die Organisation mit dem Spielraum bei der Gehaltsfestlegung umgehen, der durch ein Bändersystem entsteht? Oder braucht es konkrete Aussagen darüber, was ein Mitarbeiter auf einer Stelle verdienen soll? Wie lassen sich Fairness und Nachvollziehbarkeit gewährleisten? Bei der Ausgestaltung des Systems ist der Blick auf den Markt und den Wettbewerb hilfreich, für Vergütungsstrukturen sogar unverzichtbar.
Nur wenn die eigenen Vergütungsniveaus marktorientiert festgelegt werden, kann das Unternehmen sicher sein, auch bei Fachkräftemangel und demographischer Entwicklung mit seinem Vergütungssystem attraktiv zu bezahlen. Gerade der Fachkräftemangel wird über kurz oder lang Druck auf die Einstellgehälter und die Gehälter für Spezialistenfunktionen entstehen und sie nach oben entwickeln lassen.
Performancemanagement und Prozesse
Unternehmen bewegen sich beim zielgerichteten Einsatz von Personalinstrumenten und Prozessen in unterschiedlichen Stadien, von Ad-hoc-Maßnahmen über Einzelelemente und Systeme bis hin zu integrierten Prozessen. Die Weiterentwicklung bestimmter Instrumente oder die Etablierung neuer Instrumente muss sich mit den bestehenden Systemen und Erfahrungen verzahnen, um die Organisation weder zu überfordern noch zu unterfordern. Dabei sind die Leitfragen: Auf welcher Basis soll eine Leistungseinschätzung von Mitarbeitern erfolgen? Was soll sie beinhalten? Passen individuelle Zielvereinbarungen, oder ist eine Bewertung der Aufgabenerfüllung sinnvoller? Mit welchem Zeithorizont sollten die Ziele vereinbart werden?
Jahresbezogene Ziele können für Unternehmen im Mobilfunkumfeld, deren Geschäft im Monatsrhythmus taktet, ein zu langer Zeithorizont sein. Für den Hersteller industrieller Großanlagen, bei dem sich der Erfolg eines Projekts erst nach über zehn Jahren herausstellt, ist der Jahreszeitraum möglicherweise zu kurz. Sollen Verhaltensaspekte oder Kompetenzmodelle berücksichtigt werden? Welche Folgeprozesse sollen durch das Performancemanagement gesteuert werden? Wie ist die Verknüpfung mit dem Talentmanagement und Potenzialprozessen?
Die Vergütungssteuerung
Die Verknüpfung der Performance mit der individuellen Leistungsentwicklung kann unterschiedlich erfolgen. Bei der Mehrzahl der tariflichen Regelungen gibt es keinen Zusammenhang zwischen Gehaltsanpassung und Leistung. Die Erhöhung erfolgt in einem unabhängigen, extern vorgegebenen Prozess und wird pauschal durchgeführt. Sofern tarifliche Vorgaben nicht existieren, können Unternehmen frei gestalten. Ein festgelegter, zumeist rechnerischer Mechanismus liegt zahlreichen Gehaltsmatrizen zugrunde. Ein bestimmtes Leistungsergebnis wird kombiniert mit der Position eines Mitarbeiters in einem Gehaltsband und führt nach einer mathematischen Formel zu einem Gehaltserhöhungssatz. Manche Unternehmen versehen diese Matrizen mit Entscheidungsspielräumen für Führungskräfte, wodurch aus dem mathematischen Modell ein zu begründendes Modell wird. Die erbrachte Leistung als Ergebnis eines Performancemanagementsystems findet unmittelbar Berücksichtigung.
In anderen Modellen wird die Gehaltsanpassung in freiem Ermessen durch die Führungskraft festgelegt, ohne direkten Bezug auf die Ergebnisse eines Performancemanagementprozesses zu nehmen. In kombinierten Systemen wird ein Teil des Erhöhungsvolumens leistungsunabhängig weitergegeben, ein anderer Teil leistungsabhängig. Die übergeordnete Fragestellungen lauten: Was soll die Höhe der individuellen Gehaltserhöhung bestimmen? Sollen alle Mitarbeiter einen gleichen Prozentsatz erhalten, oder sollen Gehaltserhöhungen differenziert nach Leistung verteilt werden? Wie soll der Zusammenhang zwischen Leistung und Gehalt bestimmt werden? Wie soll der konkrete Verteilmechanismus aussehen? Sind belastbare Instrumente für eine leistungsdifferenzierte Gehaltserhöhung etabliert?
Variable Vergütung
Variable Vergütung versetzt die Unternehmen in die Lage, eine Kostenvariabilität abhängig von den Geschäftsergebnissen zu realisieren und Einkommensunterschiede abhängig von individueller Performance abzubilden. Variable Short-Term-Vergütung ist heute in nahezu allen Unternehmen State of the Art. Über Mid-Term- und Long-Term-Boni und Deferrals werden insbesondere im Topmanagement Langfristigkeit und Nachhaltigkeit verankert. Fragestellungen sind: Welche Ziele soll das System erfüllen? Von welchem impliziten Menschenbild geht man bei der Gestaltung aus? Soll der Impuls gegeben werden, alle säßen in einem Boot, oder soll primär individuelle Leistung honoriert werden?
Fazit: Universallösungen gibt es nicht
„One size fits all“ gibt es in der Vergütungspolitik nicht. Jedes Unternehmen muss die Ausgestaltung für sich festlegen und sich fragen: Was wollen wir erreichen? Wie sieht unser Geschäftsmodell aus? Welche Kultur wollen wir prägen? Wie ist der Reifegrad unserer Führungskräfte? Relevanter werden die Generation Y und Digital Natives. Sie haben andere Erwartungen und Anforderungen an die Arbeitsbedingungen und Vergütungssysteme wie etwa hohe Freiheitsgrade, vernetztes Arbeiten, lebensphasenorientierte Gestaltung oder Flexibilität bei der Zusammensetzung des Vergütungspakets.
Birgit Horak
Vorstand
Lurse AG