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KI im Recruiting: Chancen und Risiken

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In einer Befragung gaben Personalverantwortliche an, in welchem Umfang und in welchen Bereichen sie bereits Künstliche Intelligenz bei der Personalbeschaffung einsetzen und sie sie zu dieser Technologie stehen. Bei dem EMEA HR Manager AI & Bias Pulse Report von Greenhouse Software, einem US-amerikanisches Hiring-Softwareunternehmen, nahmen 1.700 HR-Managerinnen und Manager im Vereinigten Königreich, Irland und Deutschland teil, davon 500 hierzulande. Das Ergebnis: KI-Anwendungen sind im Recruiting inzwischen weit verbreitet. 80 Prozent der deutschen HR-Managerinnen und -Manager geben an, solche Anwendungen mindestens einmal pro Woche einzusetzen. Mehr als die Hälfte nutzt sie sogar täglich.

Generative KI-Anwendungen wie ChatGPT am verbreitetsten

Länderübergreifend sind generative KI-Anwendungen wie ChatGPT oder Google Bard am beliebtesten: 59 Prozent aller Befragten sagen, dass sie sie bei ihren Einstellungsprozessen einsetzen. Es folgen digitale Verwaltungssoftware (49 Prozent), Lebenslauffilter (48 Prozent), digitale Einweg-Bewerbungsgespräche (43 Prozent), die Filterung von Kandidatinnen und Kandidaten (41 Prozent) sowie KI-Screening-Tools. Letztere oder Evaluierungsanwendungen werden hierzulande bereits in 50 Prozent der befragten Unternehmen mit mehr als 5.000 Mitarbeitenden eingesetzt.

In einem Fünftel der Fälle (19 Prozent) interagieren Bewerbende ausschließlich mit einem KI-System, bei mehr als einem Viertel (27 Prozent) die meiste Zeit. Ebenfalls gut ein Viertel (26 Prozent) der Befragten sagt, dass die Interaktion mit KI und Personalverantwortlichen zu gleichen Teilen stattfindet. Nur noch eine Minderheit gibt an, dass Kandidatinnen und Kandidatinnen die wenigste Zeit (18 Prozent) oder nie (elf Prozent) mit KI interagieren. Die Kommunikation mit persönlichen Ansprechpartnern wurde also bereits stark eingeschränkt. In Deutschland haben Bewerbende während des Recruiting-Prozesses genauso viel Kontakt mit Menschen wie mit KI-Anwendungen. Wie die Personalverantwortlichen diesen Befund bewerten, war nicht Gegenstand der Befragung.

Vorteile von KI: vor allem mehr Effizienz und Zeitersparnis

Gut zwei Drittel aller Befragten (69 Prozent) stellen fest, dass der KI-Einsatz die Personalbeschaffung beeinflusst hat. Die meisten (65 Prozent) berichten von einer höheren Effizienz des Recruiting-Prozesses – bei den deutschen Befragten sagt dies etwas mehr als die Hälfte (53 Prozent), wobei insbesondere Personalverantwortliche aus kleineren Unternehmen mit bis zu 50 Mitarbeitenden diese Erfahrung gemacht haben. Größere mittelständische Unternehmen mit bis zu 250 Beschäftigten sehen in der Nutzung von KI vor allem eine Zeitersparnis bei der Rekrutierung und der Suche nach den besten Kandidatinnen und Kandidaten. Zu den weiteren Vorteilen gehören nach Aussage der HR-Managerinnen und -manager die Unterstützung bei der Suche nach den geeignetsten und qualifiziertesten Kandidatinnen und Kandidaten, eine bessere Abstimmung mit Bewerbenden, die Reduzierung von Vorurteilen, die Automatisierung von repetitiven Aufgaben sowie mehr Zeit und persönlicher Kontakt mit den Bewerbenden. Bessere Vorhersageanalysen konstatieren nicht mehr als 38 Prozent und lediglich 34 Prozent finden, dass sich die Erfahrung der Bewerbenden durch KI verbessert.

Info

Misstrauen und Angst vor Technikabhängigkeit

Überhaupt gibt in Deutschland rund die Hälfte der Personalverantwortlichen an, Künstlicher Intelligenz nicht vollständig zu vertrauen. Fast jeder zweite Befragte befürchtet eine zu starke Abhängigkeit von der Technologie ohne menschliche Kontrolle. Die am dritthäufigsten geäußerte Sorge besteht darin, dass KI die Datenqualität mindern und zu fehlerhaften Einstellungsentscheidungen führen könnte. Auch wird befürchtet, dass KI im Recruiting sich negativ für historisch unterrepräsentierte Gruppen auswirkt.

Trotz aller Skepsis geht jeder zweite deutsche HR-Verantwortliche davon aus, dass Künstliche Intelligenz künftig den gesamten Rekrutierungsprozess automatisieren wird. Ebenfalls 50 Prozent denken, dass KI Einstellungsentscheidungen für sie treffen wird. Gleichzeitig kommt als weitere Sorge hinzu, dass der Einsatz von KI Rekrutierungsprozesse verzerren und negativ beeinflussen könnte. So gehen rund 70 Prozent der befragten HR-Managerinnen über 54 Jahre davon aus, dass die KI-Nutzung dazu führen könnte, Voreingenommenheit zu verstärken und außerdem den Prozess verkomplizieren könnte. Die Befragungsergebnisse unterstreichen, dass menschliches Eingreifen und Co-Piloting bei allen Einstellungsentscheidungen notwendig sind, so die Studie.


Ute Wolter ist freie Mitarbeiterin der Personalwirtschaft in Freiburg und verfasst regelmäßig News, Artikel und Interviews für die Webseite.