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„Wir brauchen Haltung, nach außen und innen“ 

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Pläne rechter Zirkel, nach denen Millionen Menschen nichtdeutscher Herkunft abgeschoben oder vergrault werden sollen, schlagen hohe Wellen. Hunderttausende Bürgerinnen und Bürger protestieren seither überall im Lande. Auch die Wirtschaft ist gefordert, Stellung zu beziehen, meint Inga Dransfeld-Haase, Präsidentin des Bundesverbandes der Personalmanager*innen (BPM). 

Personalwirtschaft: Welche Auswirkungen haben die Correctiv-Aufdeckungen rund um die Abschiebungs- und Vertreibungs-Dystopien von AfD und Konsorten für den Ruf deutscher Arbeitgeber im Ausland? 
Inga Dransfeld-Haase: Welche konkreten Auswirkungen die erschreckenden Recherchen von Correctiv haben, können wir nicht abschätzen. Aber ganz sicher tragen solche Meldungen, die von der Presse im Ausland aufgegriffen werden, nicht dazu bei, Deutschland als weltoffenes, freundliches Land darzustellen, in dem es sich gut leben und arbeiten lässt. Gut ist dagegen, dass so viele nun auf die Straße gehen und ihre Sicht der Dinge demonstrieren – gegen Engstirnigkeit, Hass und braune Hetze, für Toleranz und Weltoffenheit. Denn auch das wird im Ausland wahrgenommen. Einige Unternehmer und Wirtschaftsvertreter haben sich mittlerweile klar positioniert. Aber es könnten noch mehr sein. Denn wir brauchen Haltung. Nach außen und nach innen ins Unternehmen. Da spielen auch wir Personalerinnen und Personaler eine wichtige Rolle.  

Inga Dransfeld-Haase, Präsidentin des Bundesverbandes der Personalmanager*innen, Foto: BPM

Gibt es bereits Auswirkungen bei der Rekrutierung internationaler Fachkräfte oder befürchten sie negative Konsequenzen für die Zukunft?  
Sorgen haben wir als BPM schon. Zahlen oder breite Erfahrungswerte können wir aber nicht beisteuern. Unsere Mitglieder machen jedoch die Erfahrung, dass sie viel häufiger nach der Sicherheit für Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland gefragt werden. Und danach, was Arbeitgeber tun, damit sich Arbeitnehmende sicher fühlen. 

Verlassen möglicherweise sogar ausländische Beschäftigte Deutschland infolge des politischen Erstarkens ausländerfeindlichen Gedankenguts? 
Ausschließen können wir das natürlich nicht. Deshalb ist es wichtig, dass Personalerinnen und Personaler, Führungskräfte und Unternehmensverantwortliche in diesen Zeiten die Sorgen ihrer Mitarbeitenden ernst nehmen, ein offenes Ohr für ihre Sorgen haben und Unterstützung anbieten. Der Arbeitsplatz sollte ein sicherer Hafen sein und den Betroffenen Halt geben.  

Ex-Siemens-Chef Joe Kaeser hat am Wochenende die Wirtschaft aufgefordert, auf die negativen Folgen eines AfD-Aufstiegs für die Wirtschaft hinzuweisen. Wird das im BPM diskutiert? Welche Empfehlungen haben Sie dazu für Ihre Verbandsmitglieder? Wir sprechen in unserem Verband darüber, welche Folgen das Erstarken der AfD und die zunehmende Polarisierung im gesellschaftlichen Diskurs haben. In diesem Zusammenhang haben wir auch unsere 7. HR-These für 2024 gefasst. Sie besagt: Pluralismus und Weltoffenheit sind Grundlage jedes wirtschaftlichen Handelns.
Für fremdenfeindliches Gedankengut gibt es keinen Platz. Hier ist Haltung bei den Personalerinnen und Personalern gefragt. Und auch die Fähigkeit, Konflikte im Betrieb aufzuspüren und zu moderieren. Denn der Arbeitsplatz war und ist kein politikfreier Raum.

Wie unterstützt der BPM seine Mitglieder dabei?  
Als BPM merken wir, dass das Thema unsere Mitglieder bewegt. Um sie zu unterstützen, stellen wir Plattformen zur Verfügung, auf denen sie sich austauschen können, denn das ist der erste Schritt. Außerdem planen wir Veranstaltungen zur Kulturarbeit im Unternehmen, denn ein positiver Purpose hilft in diesen unruhigen Zeiten.

 

CEOs auf LinkedIn: Wirtschaftsgrößen verurteilen Nationalismus und Intoleranz

Der Arbeitsplatz ist „kein poltikfreier Raum“ – so formuliert es Inga Dransfeld-Haase. Das wiederum bedeutet auch, dass Unternehmen gefordert sind, sich zu positionieren, wenn der gesellschaftliche Friede und die wirtschaftlichen Perspektiven des Landes bedroht sind. An erster Stelle sind dabei diejenigen gefragt, die mit ihrem Gesicht, ihrer Person für das Unternehmen stehen – die CEOs. Etliche Unternehmenslenker führender deutscher Unternehmen haben in den vergangenen Tagen klare Worte dazu gefunden.

Was wäre eigentlich, wenn die irren Vertreibungsphantasien rechter Kreise für Menschen nichtdeutscher Herkunft in die Wirklichkeit umgesetzt würden? Ein aus dem Jahr 2017 stammender Spot des Lebensmittelhändlers Edeka wird auf diversen Kanälen emsig geteilt. Zu sehen ist ein Hamburger Supermarkt, in dem nur noch deutsche Produkte in den Regalen liegen: Es herrscht deprimierende Leere, ein paar Bockwürstchen hier, etwas Gemüse dort, einige Flaschen Fruchtsaft. Die Botschaft des Unternehmens ist klar: „Wir lieben Vielfalt“ – und das nicht nur bei Produkten.

Politisch positionieren, Haltung zeigen, für Vielfalt eintreten – was Edeka schon 2017 getan hat, forderte vor einigen Tagen der langjährige Siemens-Chef Joe Kaeser von Wirtschaftslenkern in Deutschland. Die wirtschaftliche und gesellschaftliche Elite dürfe nicht den Fehler von 1933 wiederholen, zu schweigen, solange sie noch Position beziehen könne, sagte der Aufsichtsratschef der Dax-Konzerne Daimler Truck und Siemens Energy der Nachrichtenagentur Reuters. Seine Botschaft: „Wer die AfD wählt, entscheidet sich für den Verlust des Wohlstands unseres Landes und seiner Bürger.“ 

Normalerweise sind politische Positionierungen von Wirtschaftsgrößen in Deutschland eine Rarität. Auf dem Businessnetzwerk LinkedIn zeigen neuerdings aber immer mehr von ihnen Flagge – gegen Rechtsextremismus und Rassismus. Wir haben einige Statements zusammengetragen. 

So schrieb etwa der Telekom-Chef Tim Höttges, der „Wohlstand Deutschlands hängt mit davon ab, wie innovativ wir als Unternehmen und Volkswirtschaft sind. Dazu brauchen wir gute Bildung und die klügsten Köpfe aus aller Welt.“ Weiter schrieb Höttges, bei der Deutschen Telekom hätten „Hass, Hetze, Antisemitismus und Rassismus keinen Platz. Menschen mit Migrationshintergrund (…) tun viel für unser Unternehmen. Und sie tun viel für unser Land. Sie gehören zu uns.“ 

Auch Christian Sewing, CEO der Deutschen Bank, machte in dem Businessnetzwerk klar: „Der Aufstieg der extremen Rechten stellt eine ernste Gefahr für unsere demokratischen Freiheiten und den Wirtschaftsstandort Deutschland dar. Rassismus und Intoleranz sollten in einem freien Land mit einer global ausgerichteten Wirtschaft keinen Platz haben.“ Sewing warnte vor den wirtschaftlichen Folgen: „Investoren, die sich auch wegen unserer starken demokratischen Werte für Deutschland interessieren, sehen diese Entwicklungen und zögern, Kapital einzusetzen.“ 

Sehr persönlich und unmissverständlich äußerte sich der Chef des Energiekonzerns E.ON, Leo Birnbaum: „Meine Mutter war Migrantin, sie stammt aus Italien. Ich habe zwei Staatsbürgerschaften. Und für E.ON ist die Möglichkeit, Talente nach Deutschland zu bringen, unverzichtbar. Viel mehr gibt es für mich zum Thema Remigration nicht zu sagen.“ 

Rolf Buch, Vorstandsvorsitzender des Wohnungskonzerns Vonovia, schrieb: „Nur ein Gedanke zur Debatte um die sogenannte „Remigration“ zeigt, wie absurd diese ist: Wenn alle Menschen mit Migrationshintergrund das Ruhrgebiet verlassen müssten, wäre es plötzlich sehr einsam und leer hier bei uns.“ 

Der CEO von Henkel, Carsten Knobel, hielt seine Botschaft ebenfalls sehr persönlich: „Am vergangenen Wochenende haben Hunderttausende in vielen deutschen Städten ein deutliches Zeichen gegen Rechtsextremismus und Fremdenhass gesetzt. Das hat mich sehr beeindruckt. Bei Henkel arbeiten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus über 120 Nationen. Vielfalt, Toleranz und Respekt sind die Grundlage für unser Zusammenleben und unseren Erfolg. Das gilt für unser Unternehmen ebenso wie für das Miteinander in unserem Land. Dafür stehen wir, und dafür stehe ich.“

Ulrich Reuter, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, nannte in einem Post die AfD zwar nicht beim Namen, aber auch er bezog eindeutig Stellung: „In den letzten Tagen sind tausende Menschen in Berlin, Potsdam, Duisburg, Hamburg, Rostock, Leipzig, Greifswald und in vielen anderen Städten friedlich und mit einer positiven Botschaft auf die Straßen gegangen: Für Respekt für andere Menschen, gegen Ausgrenzung, für unsere Demokratie, für Grundrechte für alle Menschen, für Meinungsfreiheit und gegen Hass und Hetze.“ Die Sparkassen, so schrieb Reuter weiter, „bekennen sich uneingeschränkt zu diesen Werten“.  

Markus Krebber, CEO des Energiekonzerns RWE, nahm seine Teilnahme am Weltwirtschaftsforum in Davos zum Anlass, sich unter anderem mit den Ereignissen in Deutschland zu beschäftigen. Er schrieb: „Ganz sicher keine Lösung ist der Verfall in Nationalismus, der gerade in Deutschland zur größten historischen Katastrophe geführt hat. Freiheit, Toleranz, ein vereintes Europa, internationaler Austausch – das sind die Werte, die es zu verteidigen gilt.“ Er finde es „gut und richtig, dass es in Deutschland gerade viele Demonstrationen gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit gibt. Das zeigt, dass unsere Demokratie wehrhaft und lebendig ist.“ 

Christina Petrick-Löhr betreut das Magazinressort Forschung & Lehre sowie die Berichterstattung zur Aus- und Weiterbildung. Zudem ist sie verantwortlich für die redaktionelle Planung verschiedener Sonderpublikationen der Personalwirtschaft sowie den Deutschen Personalwirtschaftspreis.