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Was ist bei unangebrachten Äußerungen eines Beschäftigten zu tun?

Wegen eines propalästinensischen Social-Media-Posts und dem darauffolgenden Verhalten möchte sich der FSV Mainz 05 von seinem Fußballspieler Anwar El Ghazi trennen. Es folgte zunächst eine Suspendierung und Abmahnung durch den Mainz 05. Nach einem Gespräch mit dem Fußball-Klub, in dem sich der Fußballspieler einer Mitteilung zufolge von seinen Äußerungen distanziert hatte, durfte El Ghazi kurzzeitig in den Kader zurückkehren. Dass er von seinem Post abgerückt sei, dementierte El Ghazi dann überraschend. Daher wurde er am 3. November 2023 fristlos gekündigt. El Ghazi erhob daraufhin vor dem Arbeitsgericht Mainz dagegen Kündigungsschutzklage. Vergangenen Mittwoch versuchte das Gericht bei dem Gütetermin eine Einigung zwischen den Parteien herbeizuführen. Das gelang jedoch nicht. Der Kammertermin zur Verhandlung ist am 19. Juni 2024.

Von unangebracht bis diskriminierend: Der Fall wirft die Frage auf, was ein Arbeitgeber eigentlich tun kann, wenn sich ein Beschäftigter anstößig, grenzwertig oder gegenüber anderen verletzend äußert. Antworten liefert Arbeitsrechtler Pascal Croset, der zudem Inhaber der Arbeitsrechtsboutique Croset – Fachanwälte für Arbeitsrecht ist.

Personalwirtschaft: Herr Croset, ein Arbeitnehmer äußert sich diskriminierend – gegenüber einer Person oder Personengruppe. Was kann der Arbeitgeber tun?
Pascal Croset
: Arbeitsrechtliche Sanktionen von der Abmahnung bis zur Kündigung setzen immer voraus, dass eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung vorliegt. Entscheidend ist also, dass Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen Pflichten aus ihren Arbeitsverträgen verletzt haben. Trifft er oder sie im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses Aussagen, besteht regelmäßig ein Bezug zum Arbeitsverhältnis. Schwieriger ist es, wenn die Äußerungen außerhalb der Arbeitszeit beziehungsweise außerhalb des Arbeitsverhältnisses getroffen werden, also im privaten Kontext. Regelmäßig wird hier von „außerdienstlichen Handlungen“ gesprochen.

Sind arbeitsvertragliche Pflichtverletzungen im Privaten überhaupt möglich?
Auch solche können eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung begründen. Denn gemäß § 241 Abs. 2 BGB haben Arbeitnehmer die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers zu wahren. Auch außerhalb der Arbeitszeit beziehungsweise außerhalb des Betriebes müssen sie den berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zollen. Die genauen Grenzen dessen, was Arbeitnehmer in ihrer Privatheit äußern dürfen, sind natürlich fließend. Die Rechtsprechung sieht eine Beeinträchtigung, wenn das Verhalten negative Auswirkungen auf den Betrieb oder einen Bezug zu den arbeitsvertraglichen hat (BAG, Urteil vom 10.04.2014 – 2 AZR 684).

Wann kann man denn von negativen Auswirkungen auf den Betrieb sprechen?
Ein solcher Betriebsbezug kann sich zum Beispiel aus dem zeitlichen oder örtlichen Zusammenhang zwischen der Tat und der Arbeit ergeben, also wenn eine Kassiererin oder ein Kassierer im Supermarkt beim Kassiervorgang bestimmte Äußerungen gegenüber einem Kunden macht. Wenn sich ein Auslieferungsfahrer im privaten Bereich rassistisch äußert, ist das erst einmal Privatsache. Anders wäre es bei einem oder einer Diversitätsbeauftragten des Unternehmens, da dann ein Zusammenhang mit seinem arbeitsvertraglichen Arbeitsinhalt besteht.

Kommt es zu Reputationsschäden bei dem Arbeitgeber, kann man vermutlich durchaus von negativen Auswirkungen sprechen, oder?
Ja. Drohende negative Presse und Öffentlichkeit wären es etwa, wenn der Arbeitgeber mit einer Straftat des Arbeitnehmers in Verbindung gebracht wird (BAG, Urteil vom 28.10.2010 – 2 AZR 293/09). Allerdings ist es sehr umstritten, ob und wie dieser Reputationsschaden bewertet werden kann.

Haben Sie ein Beispiel dafür?
Ich hatte einen Fall eines Auslieferungsfahrers auf dem Tisch. Dieser stand im Stau wegen den sogenannten Klimaklebern. Er wurde von der Bild-Zeitung interviewt, äußerte dabei krudes Zeug und das Video ging viral. Im Hintergrund war auf dem Lkw der Schriftzug des Arbeitgebers zu erkennen. In den sozialen Medien wurde der Zusammenhang zum Arbeitgeber hergestellt und der Arbeitgeber zur Kündigung aufgefordert. Das tat er auch, denn er schämte sich für die Aussagen des Arbeitnehmers. Der Fahrer hat die Kündigung letztlich akzeptiert, weil er sofort einen neuen Job gefunden und angenommen hatte. Der Reputationsschaden wurde also nicht gerichtlich diskutiert. Das ist bei diesen Fällen häufig so. Die Arbeitnehmer wollen in der Regel, dass es eine geräuschlose Lösung gibt.


Was ist mit dem beliebten Argument, dass man ja selbst keine diskriminierenden Äußerungen getätigt hat, sondern lediglich fremde Posts geliked hat?
Grundsätzlich sind Likes anderer Posts eigenen Äußerungen weitgehend gleichzusetzen. Es kommt immer darauf an, ob man sich die Aussage des Posts zu eigen macht. In der Regel ist das durch den Like der Fall. In der arbeitsgerichtlichen Praxis berufen sich Arbeitnehmer häufig darauf, einen bestimmten diskriminierenden Post nur flüchtig gelesen zu haben. Dies kann glaubhaft sein, sofern es nicht mehrfach passiert. Natürlich kann auch streitig sein, auf welchen exakten Teil des Posts sich die Zustimmung bezog.

Wie bewerten Sie denn den Fall Anwar El Ghazi und FSV Mainz 05?
Gerade im vorliegenden Fall muss man sich deutlich fragen, ob wirklich ein Reputationsschaden besteht und der Arbeitgeber zur Handlung gezwungen ist. Denn er könnte sich darauf berufen, dass die Äußerungen des Spielers eben gerade Privatsache sind und er gegen diese nicht vorgehen kann oder darf. Regelmäßig werden Arbeitgeber allerdings mit einer Kündigung reagieren wollen, weil die Öffentlichkeit das so von ihnen erwartet. Aus diesem faktischen Druck kann man dann wiederum ein Können oder Dürfen herleiten. Wie gesagt, sehr umstritten. Man kann auch sehr gut vertreten, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, sich hier für die Äußerungsfreiheit der Arbeitnehmer einzusetzen. Denn selbst, wenn die Äußerung diskriminierend ist, ist es eben keine Frage des Arbeitsrechts, sondern gegebenenfalls eine des Strafrechts.

Kann der Bezug zur Arbeit auch allein deshalb hergestellt sein, weil in dem Social-Media-Profil des Arbeitnehmers der Arbeitgeber erkennbar ist?
Ja, dass aus dem Profil des Arbeitnehmers in den sozialen Medien der Arbeitgeber offen ableitbar ist, wird auch häufig angebracht. Bei LinkedIn ist dies logischerweise regelmäßig der Fall, bei Facebook eher nicht. In der Praxis sind viele Arbeitnehmer dazu übergegangen, beispielsweise auf LinkedIn unter Arbeitgeber ausdrücklich einzutragen „Hier nur ganz privat unterwegs“ oder „Hier nur meine ganz private Meinung“. Ich beobachte das – unter uns gesagt – zunehmend gerade auch bei solchen Personen, deren Kommentare sich zustimmend mit den Themen Querdenker (Corona) oder AfD beschäftigen. Erfolgen die Aussagen allerdings unter einem offiziellen Account des Unternehmens, liegt eine Pflichtverletzung wiederum nahe.

Pascal Croset ist Inhaber der Arbeitsrechtsboutique Croset – Fachanwälte für Arbeitsrecht und vertritt Arbeitnehmer und Arbeitgeber. (Foto: Croset – Fachanwälte für Arbeitsrecht)
Pascal Croset ist Inhaber der Arbeitsrechtsboutique Croset – Fachanwälte für Arbeitsrecht und vertritt Arbeitnehmer und Arbeitgeber. (Foto: Croset – Fachanwälte für Arbeitsrecht)

Wenn es aber keine negativen Folgen für den Arbeitgeber gibt, sondern er die Äußerungen einfach nicht gutheißt, kann der Arbeitgeber also nichts tun?
Selbst, wenn sich ein Busfahrer oder eine Busfahrerin auf dem privaten Profil rassistisch äußert, geht es den Arbeitgeber nichts an. Es gibt keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen. Das gilt auch, wenn sich aus dem LinkedIn-Profil des Arbeitnehmers ergibt, wer dessen Arbeitgeber ist. Denn hieraus kann man nicht den Schluss ziehen, dass dieser Arbeitgeber die Äußerungen des Arbeitnehmers unterstützt oder toleriert. Der Arbeitgeber muss sich die Äußerungen nicht zurechnen lassen. Etwas anderes gilt allerdings, wenn der Arbeitnehmer in seinem Unternehmen einen gerade auf dieses Thema bezogene herausgehobene Rolle hat.

Wie meinen Sie das?
Wenn seine oder ihre Stelle und das damit geschenkte Vertrauen in besonderem Maße auf Integrität hinsichtlich eines besonderen Themas beruht, müsste man dies anders bewerten. Eine besondere Rolle können hier sogenannte Tendenzunternehmen spielen.

Was sind Tendenzunternehmen?
Das sind Unternehmen, bei denen die ökonomische Orientierung nicht im Vordergrund steht, sondern politische, erzieherische, wissenschaftliche, künstlerische oder ähnliche Ziele. Hier können erhöhte Anforderungen an die Integrität der Tendenzträger gestellt werden und an die Glaubwürdigkeit auch im Privaten. Tendenzträger sind die Personen, die prägenden Einfluss auf die Tendenzverwirklichung haben: Funktionäre von Parteien oder Gewerkschaften, Kirchen, oder Redaktionsmitglieder einer Zeitung. Aber: Wenn der Hausmeister des katholischen Kindergartens sich auf Facebook hetzerisch äußert, ist das Privatsache, denn er ist innerhalb des Tendenzunternehmens kein Tendenzträger.

Sind Klauseln in Arbeitsverträgen, die diskriminierende Äußerungen untersagen, wirksam?
Arbeitgeber versuchen zum Teil, die Arbeitnehmer durch Klauseln in Arbeitsverträgen auf Unternehmensideale oder bestimmte Aussagen zu verpflichten. Dies ist in aller Regel unwirksam, Ausnahmen können sich bei Tendenzunternehmen ergeben.

Gesine Wagner ist hauptverantwortlich für die Themen Arbeitsrecht, Politik und Regulatorik und ist Ansprechpartnerin für alles, was mit HR-Start-ups zu tun hat. Zudem schreibt Sie über Recruiting und Employer Branding.