Arbeiten von zu Hause spart Zeit. Zumindest fällt der Anfahrtsweg zur Arbeit weg. Aber ist es auch produktiv? Studien, die in diesem Bereich eigentlich Klarheit verschaffen sollten, sorgen für mehr Verwirrung. „Firmen sind irritiert, da sich die Studienergebnisse oft nicht decken“, erklärt Ufuk Altun, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für angewandte Arbeitswissenschaft. Er hat gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen die Studienlage analysiert.
Die ist mittlerweile umfangreich – aber auch uneindeutig. Beispielsweise zeigte eine Studie des National Bureau of Economic Research aus dem vergangenen Jahr, dass Menschen im Homeoffice 18 Prozent weniger effektiv arbeiten als im Büro. 2023 kam auch das Institut für Wirtschaftsforschung (ifo Institut) zu einem ähnlichen Ergebnis: Homeoffice in Vollzeit ist langfristig ein Produktivitätskiller. Dagegen fand eine Studie der Barmer, dass die Produktivität bei der Arbeit von zu Hause sogar stieg. Was stimmt in Bezug auf Homeoffice wirklich?
Wie misst man Produktivität?
Die meisten Studien, in denen die Produktivität im Homeoffice untersucht wird, verlassen sich auf subjektive Selbst- und Fremdeinschätzung. Mit welchen Kennzahlen die Produktivität gemessen wird, ist dabei nur selten klar. Das sorge vor allem dafür, dass die Ergebnisse schlecht vergleichbar sind, sagt Altun.
Die von ihm analysierten Homeoffice-Studien seien lediglich Momentaufnahmen, sagt der Wissenschaftler. Ein Unterschied zwischen Arbeits-, Mitarbeiter- und Kapitalproduktivität würde nicht gemacht. Daher ist sein Fazit zur bisherigen Studienlage ernüchternd: „Um zu belastbaren Aussagen zu gelangen, müssten mindestens die Parameter der Produktivität genannt und messbar operationalisiert werden. Hier sind weitere arbeitswissenschaftliche Forschungsarbeiten erforderlich, die sich mit den oben genannten Fragen sowohl empirisch als auch soziotechnisch auseinandersetzen und für belastbare Diskussionen Ansätze liefern.“
Homeoffice ist nicht für alle das Richtige
Es gebe natürlich Tätigkeiten, die mobiles Arbeiten grundsätzlich ausschließen, erklärt Altun. Zumindest für Bürojobs sei in den meisten Fällen mobile Arbeit möglich. Zumindest dann, wenn die Tätigkeiten unabhängig von anderen Mitarbeitern zu erledigen sind, sei immer möglich, mobil zu arbeiten. „Gerade, wenn Mitarbeiter konzentriert und ungestört arbeiten möchten“, sagt der Wissenschaftler. Darunter fielen etwa Recherche, das Schreiben von Angeboten oder auch das Verfassen von Artikeln.
Sobald ein Austausch mit anderen nötig ist, werde mobiles Arbeiten problematisch. Meetings funktionieren laut Altun in Person besser. Das liege auch daran, dass Beschäftigte erst mit Hard- und Software vertraut gemacht werden und den Umgang mit neuen Technologien erst erlernen müssten, bevor man Austausch rein digital gestalten könne. Onboarding und Einarbeitung müssten genauso in Person stattfinden. „Die nötige Betreuung kann nur in Präsenz gewährleistet werden. Alles andere wäre unfair gegenüber den neuen Mitarbeitern.“
Arbeitsleistung im Homeoffice messen
Zur Messung der Arbeitsleistung sollten Unternehmen laut Altun Kennzahlen definieren. Das könne unter anderem die Anzahl der Kundenkontakte, die Bearbeitungszeit von Anfragen, Firmenbesuche oder die Anzahl der getätigten Anrufe sein. „Man muss die Mitarbeiter anleiten und wertschätzen. Das erzeugt eine hohe Motivation und sorgt dafür, dass auch von zu Hause gute Leistungen erbracht werden. Produktivität im Homeoffice soll genauso honoriert werden wie Leistung, die im Büro erbracht wird.“
Wichtig sind laut Altun klare Spielregeln, damit die Mitarbeiter wissen, nach welchen Kriterien sie bewertet werden. Sollten sich Defizite bei der Arbeit von zu Hause zeigen, könnten die Unternehmen mit Schulungen entgegenwirken und gegebenenfalls Arbeitsprozesse optimieren, schlägt er vor.
Um effektiv im Homeoffice arbeiten zu können, müssten Mitarbeiter zudem lernen, in welchem Setting welche Aufgaben, wo am besten funktionieren. „Das müssen auch die Führungskräfte wissen“, sagt Altun. Nur so könnten sie den Beschäftigten die richtigen Aufgaben zuweisen. Anforderungsprofile müssten im Vorfeld klar definiert werden. Zudem sei es sinnvoll, Checklisten zu erstellen, um den Reifegrad und die Geeignetheit des Beschäftigen festzustellen. Denn nicht jeder könne oder wolle mobil arbeiten.
Produktivität beim mobilen Arbeiten ist nicht alles
Was die Studien genauso zeigen: Die Arbeit von zu Hause kann Schattenseiten haben. Altun merkt an, dass durch Remote Work soziale Isolation entstehen kann. „Das kann dazu führen, dass Mitarbeiter sich nicht wahrgenommen und wertgeschätzt fühlen. Dadurch sinkt die Motivation.“ Die Beschäftigten seien so unzufriedener mit der eigenen Leistung. Außerdem könnte die soziale Isolation die Leistungsfähigkeit negativ beeinträchtigen.
Unternehmen haben also durchaus gute Gründe, auf die Rückkehr ins Büro zu pochen – auch wenn es wie zuletzt bei der Deutschen Bank, wie das Handelsblatt berichtete, Widerstand gibt. Altun vermutet, dass der Wunsch nach mehr Präsenz sich durch die schwierige wirtschaftliche Situation oft noch verschärft.
„Das kommt vor, wenn Firmen nicht die Kapazitäten haben, die Mitarbeiter richtig bei der mobilen Arbeit anzuleiten”, sagt er. „Andere Herausforderungen haben mehr Priorität. Manchmal erhöht die internationale Konkurrenz den Druck zu sehr oder die Branche steckt in der Krise.“ Die meisten Unternehmen würden sich aber bemühen, dem Wunsch nach mehr Remote Work nachzukommen.
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