Im August 1994 fand in Frankfurt die erste Konferenz zur Telearbeit in Deutschland statt. „Telearbeit und virtuelle Arbeitsplätze“ lautete das Thema der zweitägigen Veranstaltung, die die Zeitschrift Personalwirtschaft zusammen mit dem Managementforum durchführte. Im Mittelpunkt stand das Fallbeispiel IBM. Das Technologieunternehmen galt damals als einer der Pioniere der Telearbeit. Seit 1991 können Mitarbeitende auf Antrag ihre Arbeitszeit zwischen Büro und zu Hause aufteilen. Das Besondere: Das Unternehmen ließ das Vorhaben wissenschaftlich von Wilhelm Glaser, Professor an der Universität Tübingen, begleiten. Der Modellversuch galt als erfolgreich.
Wichtig für den Erfolg von Telearbeit waren demnach fünf Bedingungen:
- geeignete Mitarbeitende (selbständig, emotional stabil, sozial geschickt, vertrauenswürdig)
- geeignete Arbeit (outputorientiert, nicht zu knappe Phasen konzentrierter Einzelarbeit)
- geeignete Informations- und Kommunikationstechnik
- teamzentrierte Arbeitsweise
- geeignete Managementgrundsätze (verringerte Verhaltenskontrolle)
1994 ging man davon aus, dass bereits knapp fünf Prozent aller Mitarbeitenden in Deutschland von der Telearbeit Gebrauch machen. Das Potenzial wurde sogar auf 20 bis 40 Prozent geschätzt. Die Zukunft der Telearbeit hätte begonnen, hieß es. Heute wissen wir: Erst eine Pandemie im Jahr 2020 verhalf der Telearbeit zum flächendeckenden Durchbruch.
Infiziert vom Lean-Virus
Zahlreiche Beiträge im Jahrgang 1994 beschäftigten sich mit dem Thema Lean Management. Getrieben vom Effizienzgedanken des Lean-Production-Ansatzes entdecken immer mehr Unternehmen Lean Management als zukunftsweisenden Denkansatz und Methodenkoffer, für das die Führungskräfte und Mitarbeitenden vorbereitet und qualifiziert werden müssen. Der Personal- und Organisationsentwicklung kommt damit eine enorm wichtige Aufgabe zu. Der damalige Vorstandsreferent Personal bei der VAW Aluminium AG, Joachim Deppe, sagte damals: „Wichtig ist, dass Sie einen Prozess im Unternehmen ausgelöst haben, der die Kreativität der Mitarbeiter als Experten ihrer täglichen Arbeit ernst nimmt.“
Mit dem Lean-Ansatz verbunden sind 1994 auch zahlreiche Flexibilisierungsbemühungen. Bei der damals diskutierten Arbeitszeitflexibilisierung ging es allerdings weniger um Work-Life-Balance, sondern vielmehr um Kapazitätsanpassungen bis hin zur Viertagewoche ohne Lohnausgleich.
Das neue Arbeitszeitgesetz
Im Juli 1994 ist das neue Arbeitszeitgesetz (ArbZG) in Kraft getreten. Es ersetzte unter anderem die Arbeitszeitordnung aus dem Jahr 1938, vereinheitlichte unterschiedliche Regelungen in West und Ost und setzte zudem eine EU-Richtlinie von 1993 um. Im Kern wurden damit die noch heute geltenden Regelungen zu Höchstarbeitszeit und Ruhezeiten festgelegt.
Im selben Jahr verabschiedete der Bundestag auch das Beschäftigungsförderungsgesetz. Es hebt das Vermittlungsmonopol der Bundesanstalt auf und erlaubt private Arbeitsvermittler (neben Arbeitnehmerüberlassung und Headhunting, deren Dienstleistungen bereits vorher geregelt waren).
Die These des Jahres
1994 bat die Personalwirtschaft anlässlich ihres 20-jährigen Jubiläums unterschiedliche Experten darum, einen Blick in die Zukunft zu werfen, konkret in das Jahr 2004. So stellte unter anderem Armin Ziegler, Autor des Buchs „Deutschland 2000“ und Herausgeber des Informationsdienstes „Trendletter“, zwölf Thesen vor, darunter: „2004 sind die Arbeitsplätze in ihrer überwiegenden Zahl mobil.“ Seine Homeoffice-These wird sich erst 30 Jahre später, und auch nur aufgrund einer Pandemie, als richtig erweisen. Seine Begründung war aber damals schon schlüssig: „Telekommunikation, Vernetzung und die Verlagerung von Aufgaben zu externen Dienstleistern machen einen festen Arbeitsplatz in einem Bürogebäude weitgehend nicht mehr zwingend.“
Die Headline des Jahres
„Alkoholprobleme strategisch lösen.“ Alkoholprobleme waren und sind ein vielfach unterschätztes Problem in der Arbeitswelt. 1994 schrieb der Unternehmensberater Henner Lenfers auf Basis seines viel beachteten Buches mit dem Titel „Alkoholprobleme am Arbeitsplatz – Entscheidungshilfen für Führungskräfte“ einen Artikel in der der Personalwirtschaft (Ausgabe 2). Neben der arbeitsrechtlichen Einordnung gibt dieser Beitrag vor allem handfeste Tipps zur Gesprächsführung mit Betroffenen. Es geht um individuelle Hilfen. Die „merkwürdige“ Headline suggeriert dagegen eine eher abstrakte Management-Lösung. Immerhin erzeugt die Überschrift auch 30 Jahre später noch Aufmerksamkeit.
Ohne Worte
Diese Anzeige ist Teil einer reißerischen Kampagne der Westdeutschen Zeitung für den Stellenmarkt. Unglaublich, aber wahr. Nicht witzig, sondern sexistisch. Heute würde so eine Anzeige glücklicherweise nicht mehr geschaltet – und von der Redaktion auch nicht geduldet.

Erwin Stickling ist langjähriger Herausgeber der Zeitschrift Personalwirtschaft und zudem Mitglied der Geschäftsleitung beim F.A.Z.-Fachverlag F.A.Z. Business Media.

