Vorab eine Warnung: Dieser Text hat allergrößtes Fail-Potenzial. Aber der Schreiber kann nichts dafür. Schuld sind immer die anderen – weiß man doch –, in diesem Fall der Ehrenkodex der HR Failure Night: „What happens in Vegas, stays in Vegas.“ So muss dieser Nachbericht ohne allzu viele inhaltliche Details auskommen – was einen Text in der Mehrzahl der Fälle zum Scheitern verurteilt. Andererseits: Aus Fehlern lässt sich lernen.
Berliner Scherbenhaufen
Vegas ist in diesem Fall Berlin, „die Hauptstadt der Fehler“ wie Dominik A. Hahn, Co-Initiator des Events, in seiner Begrüßung festhielt, Stichwort „BER“. Das Thema Flughafen-Fails spielte an diesem Tag übrigens noch eine andere Rolle: Die beiden Münchner Dominik Hahn und Nicole Goodfellow, die Erfinder der HR Failure Night, hätten es fast nicht rechtzeitig über den Weißwurstäquator geschafft. Ihr Flug war kurzerhand annulliert worden. Zum Glück fand sich noch eine Maschine, die den Leiter Recruitment Hubs der Allianz und die Leiterin Talent Attraction bei Infineon fehlerfrei nach Berlin brachte.
Dort, genauer gesagt in der Werbeagentur Scholz & Friends, startete die Veranstaltung mit dem Produkt vieler Fehlleistungen: einem Scherbenhaufen. Buchstäblich. „Es reicht nicht, über den Tellerrand zu gucken“, sagte Special Guest Martin Gaedt in seinem Eröffnungsvortrag. „Manchmal muss man den Teller zerhauen!“ Sprach’s und machte es vor, indem er mit einem Hammer den Teller in seiner erhobenen linken Hand zerschlug. Scherben und Splitter flogen durch den Raum. Spätestens da war das Publikum trotz der abendlichen Uhrzeit wach. „Ja, das ist gefährlich“, kommentierte der Unternehmer und Autor Gaedt („Mythos Fachkräftemangel”) trocken. „Es gibt keine Innovation, ohne Regeln zu brechen.“
Fehler sind notwendig für Neues
Als vielfacher Gründer ist er selbst das ein oder andere Mal beruflich auf die Nase gefallen. Schmerzhaft, sicher, aber für ihn schlicht eine Notwendigkeit im Bemühen um Neues. Daher sprach Gaedt sich gegen den Begriff ‚Failure‘ aus, wie auch gegen die Rede von der ‚Fehlerkultur‘. Er setzte der Deutung von Fehlschlägen als ein Scheitern sein Credo entgegen: „Wir sammeln Erfahrungen für die Menschheit.“ Das klingt zwar nach Hybris, einer wesentlichen Zutat für grandiose menschliche Fehlleistungen und Dramen. Doch mit seiner wachrüttelnden Performance hatte Gaedt bei den Zuhörern das Fail-Feuer entzündet und den vier Speakern, die sodann ihre Worst Cases präsentierten, noch einmal Mut gemacht, zu ihren Fehlern zu stehen.
Welche Erfahrungen für die HR-Menschheit haben sie gesammelt? Gero Hesse, Geschäftsführer von Territory Embrace, stellte einen Case zum Thema misslungener Firmenkauf vor. Bei Katharina Oberrecht, Teamleiterin Rekrutierung und Personalmarketing der Mytoys Group, und Jannis Tsalikis, HR Director von Vice Media, ging es um die Leiden von Personalern in Software-Projekten. Katja Wieja, Expertin im globalen Employer Branding bei Thyssenkrupp, wiederum zeigte, was bei einem Recruiting-Video schief gehen kann, wenn man die Zielgruppe nicht im Blick hat. Wieja und ihrem Arbeitgeber gebührt besonderer Respekt für ihren Mut und ihre Offenheit: Für die Mai-Ausgabe der Personalwirtschaft (siehe dort, Seite 22) verließ sie Vegas und berichtete bereitwillig von dem Case.
Was sich aus Failures lernen lässt
Um die Details der vorgestellten Fails hüllt sich der Ehrenkodex-Mantel des Schweigens. Doch so viel sei verraten: Die rund 90 Teilnehmer der HR Failure Night nahmen jede Menge Erkenntnisse aus den Erfahrungen der vier Failure Knights (– so die Bezeichnung der Speaker mit ritterlicher Courage –) mit. Etliche Learnings dürften als Klassiker gelten:
– Je mehr Freigabe-Involvierte, desto verwässerter das Ergebnis.
– Mit dem Humor ist es so eine Sache …
– Mind the Zielgruppe, mind the Markt.
– Vertrauen ist gut, Verträge sind besser.
– Wähle den Projektmanager mit Bedacht.
– Wähle EINEN Projektmanager.
– So geil ist Geiz gar nicht.
– Leute einbinden, einbinden, einbinden – von Anfang an.
– Ohne starkes Mandat von oben ist alles nichts.
– Abbruchmut tut gut.
Eine weitere Erkenntnis des Abends brachte der Blick ins Rund: Drei Viertel der Failure-Night-Teilnehmer waren weiblich. Frauen interessieren sich anscheinend mehr für Fehler als es ihre männlichen Kollegen tun. Vielleicht fühlen sich Männer auch einfach nicht zuständig für Fails. Dabei hat die HR Failure Night doch gezeigt: In offenen, mutigen Unternehmen gehören sie zum Kulturgut. Und mit Fehlern lassen sich ganze Veranstaltungen aufziehen. Sehr gelungene sogar.
Autor:
Christoph Bertram
Über die Veranstaltung:
Die HR Failure Night ist eine Veranstaltungsreihe für HR-Intrapreneure, die genug haben von Best Practices und Preisverleihungen. Hier geht es um das Gegenteil: um Fehler – neudeutsch: Fails – und die Frage, was sich daraus lernen und beim nächsten Mal besser machen lässt. Nach zwei Durchgängen in München fand am 20. April in Berlin die dritte Auflage des Events statt. „Es könnte uns beim nächsten Mal ins Ausland verschlagen“, orakeln die Macher der Failure Night, Nicole Goodfellow und Dominik Hahn, beide selbst HR-Praktiker, die bei Infineon beziehungsweise bei der Allianz Recruiting-Teams leiten. Wohin es gehen soll? „Ob Mailand oder Madrid wissen wir noch nicht. Hauptsache Fehler!“
Mehr Informationen unter: http://failure-night.com