Für den Fall, dass Kündigungen ausgesprochen werden müssen, listete ein Berliner Unternehmen Mitarbeitenden auf, die dafür infrage kommen. Sie alle sind noch in Probezeit. Zudem wurde notiert, ob Interesse an der Gründung eines Betriebsrates besteht. Auch die regelmäßige Teilnahme an einer Psychotherapie wurde hier festgehalten. Die Stiftung Humboldt Forum bestätigte gegenüber der Nachrichtenagentur dpa, dass es sich um den Dienstleister Humboldt Forum Service GmbH (HFS) handelt. Sie ist zuständig für wesentliche infrastrukturelle Dienstleistungen zum Betrieb des Humboldt Forums, welches Sammlungen verschiedener Berliner Museen beheimatet.
Die Berliner Datenschutzbeauftragte Meike Kamp erfuhr eigenen Angaben nach durch Medienberichte und eine persönliche Beschwerde eines Betroffenen von dem Vorfall und leitete eine Prüfung ein. Das Ergebnis: Die Verarbeitung der erhobenen Daten war nicht rechtmäßig.
Betriebliche Datenschutzbeauftragte wurde nicht hinzugezogen
Zusätzlich zur Ahndung dieses strukturellen Verstoßes verhängte die Behörde gegen die HFS drei weitere Bußgelder wegen fehlender Beteiligung der betrieblichen Datenschutzbeauftragten bei der Erstellung der Liste, verspäteter Meldung einer Datenpanne und fehlender Erwähnung der Liste im Verarbeitungsverzeichnis. Insgesamt beläuft sich das Bußgeld auf 215.000 Euro. Der Bußgeldbescheid ist noch nicht rechtskräftig. Die HFS hat zwei Wochen Zeit, Widerspruch einzulegen. Damit ist aber eher nicht zu rechnen, denn dem Statement des Humboldt Forums ist zu entnehmen, dass sie die Vorwürfe „im engen Austausch mit den Betroffenen und der Datenschutzbeauftragten aufgeklärt und aufgearbeitet haben“. Die Geschäftsführerin der HFS wurde „für die Dauer des Verfahrens von ihren Aufgaben in der HFS entbunden“.
59 Namen sollen es laut einem Sprecher der Berliner Datenschutzbeauftragten sein, wie die „nd“, eine überregionale Tageszeitung, vermeldete, also mehr als ein Viertel der Belegschaft. Bei elf von diesen 59 Personen soll die Weiterbeschäftigung als „kritisch“ oder „sehr kritisch“ eingestuft worden sein, schreiben die Berliner Datenschutzbeauftragten in ihrer Pressemitteilung.
Im vergangenen Jahr erließen die Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Bußgelder in Höhe von insgesamt 716.575 Euro. Allein mit diesem Fall der HFS und einem weiteren gegen eine Bank im Mai wurden dieses Jahr bereits 515.000 Euro verhängt.
Überlegungen zur Weiterbeschäftigung grundsätzlich zulässig
„Die Erhebung, Speicherung und Verwendung von Beschäftigtendaten müssen stets im zulässigen Zusammenhang mit dem Beschäftigungsverhältnis erfolgen“, lässt sich Meike Kamp, Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, zitieren. Doch wann beziehungsweise mit welchen Daten sind solche Listen zulässig? Denn Kamp ergänzt, dass Arbeitgeber grundsätzlich Überlegungen, inwiefern Beschäftigte weiterbeschäftigt werden sollen, anstellen dürfen und insofern auch personenbezogene Daten verarbeiten dürfen.

„Zulässig sind Daten, die Aufschluss über das Arbeits- und Sozialverhalten am Arbeitsplatz geben. Verhaltensinformationen aus dem außerdienstlichen Bereich und Daten über die Person, die keinen oder nur mittelbaren Bezug zu der Arbeitsleistung haben, dürfen zum Zwecke der Probezeitbeurteilung im Grundsatz nicht verarbeitet werden“, erklärt Dr. Tobias Brors, Partner und Fachanwalt für Arbeitsrecht der Kanzlei Pusch Wahlig Workplace Law. Wie immer in der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) gelte der Grundsatz der Erforderlichkeit.
Bereits seit fünf Jahren gilt die DSGVO. Man fragt sich also, wie es sein kann, dass so ein Fall wie dieser beim Datenschutz noch vorkommt? „Auch wenn man sich im Rahmen der Probezeit kennenlernt, fällt es vielen Arbeitgebern schwer, vor Ablauf der maximal sechs Monate eine abschließende Entscheidung zu treffen. Deshalb sehen wir zuweilen die Tendenz in Unternehmen, möglichst viele Informationen zu sammeln, um eine dichte Entscheidungsgrundlage zu schaffen“, sagt Brors. Hierbei könne auch interner Rechtfertigungsdruck seitens der Entscheidungsträger eine Rolle spielen. Nach dem Grundsatz „Wer schreibt, der bleibt“ und „Ich hab‘s Euch doch gesagt“ würden die Beurteiler versuchen, ihre persönliche Verantwortung abzustreifen. Zur Vermeidung einer solch überschießenden Datenverarbeitung würden sich etwa Fragebögen anbieten, die den beurteilenden Personen eine gute Orientierung bieten, welche Datenkategorien in Bezug auf ihre Beurteilungsfrage von Bedeutung sind.
Info
Folgende Kriterien bieten sich laut Anwalt Tobias Brors zur Probezeitbeurteilung an:
- Arbeitsleistung und Produktivität: Die Qualität der Arbeitsergebnisse und die Produktivität des Arbeitnehmers während der Probezeit sind zulässige Kriterien. Dies kann anhand von Leistungsbewertungen, Projektergebnissen und anderen arbeitsbezogenen Metriken erfolgen.
- Arbeitsverhalten und Zuverlässigkeit: Das Arbeitsverhalten des Arbeitnehmers, wie Pünktlichkeit, Anwesenheit, Teamfähigkeit und die Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung, kann in die Bewertung einfließen.
- Fachliche Qualifikationen und Fähigkeiten: Die Übereinstimmung der fachlichen Qualifikationen und Fähigkeiten des Arbeitnehmers mit den Anforderungen des Arbeitsplatzes kann eine wichtige Rolle spielen.
- Lern- und Anpassungsfähigkeit: Die Fähigkeit des Arbeitnehmers, sich in neue Aufgabenbereiche einzuarbeiten, schnell zu lernen und sich an Veränderungen anzupassen, kann während der Probezeit bewertet werden.
- Kommunikation und Interaktion: Die Kommunikationsfähigkeiten des Arbeitnehmers, insbesondere im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit Kollegen, Vorgesetzten und Kunden, können in die Beurteilung einfließen.
- Einhaltung von Unternehmensrichtlinien: Die Einhaltung von Unternehmensrichtlinien, Verhaltensregeln und Arbeitsvorschriften kann während der Probezeit überwacht und bewertet werden.
Gesine Wagner betreut als Chefin vom Dienst Online die digitalen Kanäle der Personalwirtschaft und ist als Redakteurin hauptverantwortlich für die Themen Arbeitsrecht, Politik und Regulatorik. Sie ist weiterhin Ansprechpartnerin für alles, was mit HR-Start-ups zu tun hat. Zudem verantwortet sie das CHRO Panel.

