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Arbeitsvertrag durch „tatsächliches Handeln“

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Handschlag bei Jobgespräch
Man ist sich einig: Üblicherweise werden vor Arbeitsbeginn die wichtigsten Vertragsbedingungen in einem Arbeitsvertrag festgehalten. Doch auch ohne schriftliche Vereinbarung kann ein Arbeitsverhältnis zustande kommen. Bild (CC0): pexels.com

Gemäß einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein kann ein Arbeitsvertrag zustande kommen, indem der Arbeitnehmer seine Arbeit tatsächlich aufnimmt und der Arbeitgeber die Arbeit annimmt (LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 07.08.2018, Az. 1 Sa 23/18). Ein schriftlicher Arbeitsvertrag ist demnach keine zwingende Voraussetzung für die Gründung eines Arbeitsverhältnisses. 

Wechsel innerhalb eines Konzerns

In dem Rechtsstreit vor dem LAG Schleswig-Holstein ging es um den Wechsel eines Arbeitnehmers innerhalb eines Konzernunternehmens. Aufgrund einer absehbaren Standortschließung wurde für den Mitarbeiter eine wohnortnahe Beschäftigung in einem anderen Konzernunternehmen gesucht. Es fand sich ein anderer Arbeitgeber innerhalb des Konzerns, der bereit war, den Mitarbeiter zu übernehmen. Der neue Arbeitgeber übersandte ihm diverse Willkommensinformationen. Der zukünftige Vorgesetzte erklärte dem Mitarbeiter, dass dieser am 1. Juni 2016 im neuen Unternehmen anfangen werde. Der Arbeitnehmer bestätigte mit einer Einverständniserklärung, dass er mit Tätigkeit und Bezahlung einverstanden sei. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag wurde nicht abgeschlossen. 

Am 1. Juni 2016 nahm der Mitarbeiter seine Arbeit im neuen Unternehmen auf und wurde vertragsgerecht vergütet. Einige Monate später bekam der Arbeitnehmer die Info, es liege ein „Fehler“ vor: Der alte Arbeitgeber habe ihn und weitere Mitarbeiter im Wege der Arbeitnehmerüberlassung verliehen. Ein Arbeitsverhältnis beim neuen Arbeitgeber bestehe nicht.

Arbeitsvertrag auch ohne Schriftform wirksam

Wie schon in erster Instanz vor dem Arbeitsgericht Kiel war die Klage des Arbeitnehmers auf Feststellung eines Arbeitsverhältnisses auch vor dem LAG Schleswig-Holstein erfolgreich. Laut Urteil kann ein Arbeitsvertrag auch durch konkludente (schlüssige) Erklärungen der Vertragsparteien geschlossen werden. Nach Auffassung des LAG hat der Beschäftigte durch die Aufnahme der Arbeit zu den neuen Arbeitsvertragsbedingungen ein (konkludentes) Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrags abgegeben. Durch die Eingliederung des Mitarbeiters in den Betrieb und widerspruchsloses „Arbeiten lassen“ hat der neue Arbeitgeber das Angebot des Arbeitnehmers (konkludent) angenommen.

Vertrag trotz tariflicher Schriftformklausel gültig

Im vorliegenden Fall änderte auch eine Regelung im Tarifvertrag, die für den Abschluss von Arbeitsverträgen Schriftform vorsieht, nichts an der Wirksamkeit des Arbeitsvertrags. Ein tarifliches Schriftformgebot für den Abschluss von Arbeitsverträgen habe regelmäßig keine konstitutive Bedeutung, so das LAG. Das heißt: Das tarifvertragliche Schriftformgebot hat nicht zur Folge, dass ein mündlicher oder durch schlüssiges Handeln zustande gekommener Arbeitsvertrag unwirksam ist. 

Quelle: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein

ist freier Journalist aus Biberach/Baden und schreibt regelmäßig News und Artikel aus dem Bereich Arbeitsrecht.