Wenn der Verdacht einer Straftat oder einer anderen schwerwiegenden Pflichtverletzung zum Nachteil des Arbeitgebers besteht, gibt es die Möglichkeit, eine sog. Verdachtskündigung auszusprechen. Doch die Anforderungen an eine solche Verdachtskündigung sind sehr hoch. Insbesondere wird verlangt, dass es sich um einen dringenden Verdacht handelt und der betroffene Mitarbeiter zu den Vorwürfen angehört wurde. Dies zeigt ein Fall, den das Landesarbeitsgericht Hamm im August 2017 zu entscheiden hatte.
Waschpulver und Babynahrung statt Bargeld
Zum Fall: Eine Sparkassen-Angestellte hatte von einem Geldtransportdienst einen verplombten Geldkoffer angenommen. Darin sollte sich ein Geldbetrag in Höhe von 115.000 EUR (in 50-EUR-Scheinen) befinden. Den Betrag hatte die Mitarbeiterin am Vortag selbst angefordert. Nachdem der Koffer rund 20 Minuten im nur teilweise einsehbaren Kassenbereich gestanden hatte, öffnete die Angestellte ihn, ohne das von der Sparkasse vorgegebene Vier-Augen-Prinzip einzuhalten. Anschließend rief sie einen Kollegen hinzu, der im Koffer je eine Packung Waschpulver und Babynahrung, aber kein Bargeld erblickte. Mit eben dieser Füllung will die Angestellte den Koffer nach dem Aufbrechen der Plombe bei der Erstöffnung vorgefunden haben.
Fristlose Kündigung der Sparkassen-Mitarbeiterin
Nach eigenen Aufklärungsbemühungen sowie Ermittlungsmaßnahmen der Polizei und der Staatsanwaltschaft wurde Arbeitnehmerin fristlos gekündigt. Der Arbeitgeber begründete die Kündigung im Wesentlichen damit, dass gegen die Mitarbeiterin der dringende Verdacht einer Straftat zu ihrem Nachteil bestehe. Dafür sprächen zahlreiche Indizien, insbesondere auffällige finanzielle Transaktionen, welche die Mitarbeiterin nach dem Abhandenkommen des Geldes getätigt habe. Auch habe die Mitarbeiterin für eine Bestellung eines derart hohen, entsprechend gestückelten Bargeldbetrags keinen sachlichen Anlass gehabt. Die Arbeitnehmerin reichte Kündigungsschutzklage ein, der Fall kam vor Gericht.
Voraussetzungen nicht erfüllt – Verdachtskündigung unwirksam
Die Kündigungsschutzklage hatte vor dem Arbeitsgericht Erfolg. In Abgrenzung zur Kündigung wegen erwiesener Pflichtwidrigkeit komme eine Verdachtskündigung zum Schutze des Arbeitnehmers nur unter engen Voraussetzungen in Betracht. Insbesondere sei eine hohe Wahrscheinlichkeit erforderlich, dass dem betroffenen Arbeitnehmer das fragliche Fehlverhalten wirklich vorzuwerfen sei (Dringlichkeit des Verdachts). Daran fehle es vorliegend, denn die Täterschaft anderer Personen sei nicht mit hinreichender Sicherheit auszuschließen.
Die Entscheidung des Arbeitsgerichts wurde in der anschließenden Berufungsverhandlung vom Landesarbeitsgericht Hamm bestätigt (LAG Hamm, Urteil vom 14.08.2017, Az. 17 Sa 1540/16). Das LAG betonte, dass als weitere Voraussetzung einer Verdachtskündigung in deren Vorfeld regelmäßig eine Anhörung des betroffenen Arbeitnehmers zu erfolgen habe. Diese müsse der Arbeitgeber im Rahmen seiner Aufklärungsbemühungen durchführen und dabei den Arbeitnehmer regelmäßig konkret mit den verdachtsbegründenden Umständen konfrontieren. Eine diesen strengen Anforderungen der Rechtsprechung genügende Anhörung sei vorliegend aber nicht feststellbar. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wurde nicht zugelassen.
Quelle: Landesarbeitsgericht Hamm
ist freier Journalist aus Biberach/Baden und schreibt regelmäßig News und Artikel aus dem Bereich Arbeitsrecht.