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Hitze am Arbeitsplatz: Rechtliche Pflichten für Arbeitgeber

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Bereits in dieser Woche könnten die Temperaturen vielerorts die 30-Grad-Marke knacken. Besonders betroffen: Dachgeschossbüros, Baustellen, Produktionshallen, der Außendienst und schlecht klimatisierte Homeoffices. Für viele Angestellte wird damit ein Thema akut, das bisher eher in Schulhöfen als in Chefetagen diskutiert wurde: Hitzefrei. 

Angesichts der Extremwetterlage fordert die Partei Die Linke jetzt klare gesetzliche Regelungen. In einem Positionspapier schlägt sie vor, ab 26 Grad Raumtemperatur die tägliche Arbeitszeit um ein Viertel zu kürzen – bei 30 Grad sogar um die Hälfte. Zusätzlich sollen verpflichtende Pausen eingelegt sowie Ventilatoren und Sonnenschutz bereitgestellt werden. „Niemand kann bei 30 Grad und mehr im Büro konzentriert und effektiv arbeiten“, erklärt Linken-Chef Jan van Aken. „Die Klimakrise ist längst auch eine soziale Krise – wer unter sengender Sonne schuftet oder im überhitzten Büro sitzt, bezahlt oft mit der eigenen Gesundheit.“ Mit der Forderung nach klareren Regelungen betritt Die Linke kein Neuland: Gewerkschaften wie ver.di fordern schon länger verbindlichere Vorschriften für den Hitzeschutz. 

Kein Hitzefrei per Gesetz 

Bislang gibt es ein gesetzlich verankertes Recht auf Hitzefrei jedenfalls nicht. Die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) und die dazugehörige Technische Regel ASR A3.5 schreiben lediglich vor, dass Arbeitgeber eine „gesundheitlich zuträgliche Raumtemperatur“ sicherstellen müssen. Ab einer Raumtemperatur von 26 Grad sind Schutzmaßnahmen zu prüfen, ab 30 Grad sind Maßnahmen zwingend erforderlich, und ab 35 Grad ist ein Raum ohne technische oder organisatorische Gegenmaßnahmen nicht mehr als Arbeitsraum geeignet. Was das konkret heißt, erläutert Arbeitsrechtler Dr. Thomas Block von der Kanzlei AC Tischendorf Rechtsanwälte: „Es gibt kein Recht auf Hitzefrei. Aber: Ab 35 Grad Celsius gilt ein Raum nicht mehr als geeigneter Arbeitsraum, es sei denn, es werden technische, organisatorische oder persönliche Schutzmaßnahmen ergriffen.“ 

Solche Maßnahmen können ganz unterschiedlich aussehen. „Dazu zählen unter anderem Lüftung in den Morgenstunden, Nutzung von Gleitzeitregelungen zur Arbeitszeitverlagerung, Lockerung von Bekleidungsregelungen sowie die Bereitstellung geeigneter Getränke“, erläutert Block. Auch technische Schutzmaßnahmen benennt der Arbeitsrechtler: „Das können zum Beispiel Luftduschen und Wasserschleier sein.“ Auch das Bundesarbeitsministerium rät in einer aktuellen Orientierungshilfe zu Lüftung, Abschattung, Wasserspendern und Hitzepausen.  

Im Homeoffice greift der gesetzliche Rahmen übrigens nicht. Dort liegt die Verantwortung bei den Beschäftigten selbst – der Arbeitgeber ist lediglich zur ergonomischen Ausstattung des Bildschirmarbeitsplatzes verpflichtet. Ob das Thermometer dabei 23 oder 33 Grad anzeigt, ist rechtlich irrelevant. 

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Hitze am Arbeitsplatz: Unklare Konsequenzen bei Verstößen 

Unklar bleibt oft, welche Konsequenzen drohen, wenn Arbeitgeber ihrer Pflicht zur Installation entsprechender Maßnahmen nicht nachkommen. „Neben einem drohenden Bußgeld kommen Schadens- oder Schmerzensgeldansprüche der Arbeitnehmer in Betracht, wenn Arbeitgeber den Arbeitsschutz nicht hinreichend beachten“, meint Thomas Block. In der Praxis würden aber viele Beschäftigte davor zurückschrecken, ihre Rechte einzufordern – aus Sorge vor Konflikten mit Vorgesetzten oder gar arbeitsrechtlichen Konsequenzen. 

Unterschiede zwischen Blue-Collar- und White-Collar-Berufen gibt es in Sachen Hitzeschutz nicht. „Die Arbeitsstättenverordnung unterscheidet nicht zwischen Tätigkeiten, sondern nur zwischen Arbeitsstätten“, erklärt der Jurist. Somit gelten die Regelungen zur Raumtemperatur für Produktionsstätten gleichermaßen wie für Büroräume. „In manchen Produktionsbetrieben oder auf Baustellen werden Temperaturen über 35 Grad schneller erreicht als in klimatisierten Bürogebäuden. Dies muss der Arbeitgeber im Blick behalten und darauf achten, dass Mitarbeiter keine gesundheitlichen Schäden erleiden.“ 

Viel Spielraum, wenig Kontrolle 

Kritik an den Linken-Plänen kommt unter anderem vom politischen Gegner. So lehnt die CDU die Hitzefrei-Forderung mit Verweis auf bestehende Regelungen ab. „Deutschland verfügt bereits heute über ein starkes und praxiserprobtes Arbeitsschutzsystem – auch bei hohen Temperaturen“, sagt der arbeitsmarkt- und sozialpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Marc Biadacz. Er befürchtet unnötige Bürokratie und zweifelt an der Umsetzbarkeit der Maßnahmen – insbesondere bei kleinen Betrieben. Auch juristisch sei eine pauschale Arbeitszeitverkürzung ab 26 Grad nur schwer mit der Vertragsfreiheit vereinbar. 

Dennoch zeigt sich: Der Handlungsdruck steigt. Der Deutsche Wetterdienst warnt, dass mit zunehmendem Klimawandel die Zahl der Hitzetage in Deutschland deutlich steigen wird. Arbeitgeber müssen sich darauf einstellen – nicht nur mit kurzfristigen Ventilator-Lösungen, sondern mit nachhaltigem Hitzeschutz.

Dabei sollte HR bestimmte Personengruppen besonders im Blick haben: „Vor allem Schwangere, Menschen mit hitzesensitiven Vorerkrankungen oder solche, die bestimmte Medikamente einnehmen, sind durch hohe Temperaturen stark gefährdet, weil beispielsweise die Fähigkeit zu schwitzen eingeschränkt ist“, erklärt Prof. Dr. Katharina Larisch, Arbeitsmedizinerin bei BAD Gesundheitsvorsorge und Sicherheitstechnik (Eigenschreibweise: B·A·D).

Sven Frost betreut das Thema HR-Tech, zu dem unter anderem die Bereiche Digitalisierung, HR-Software, Zeit und Zutritt, SAP und Outsourcing gehören. Zudem schreibt er über Arbeitsrecht und Regulatorik und verantwortet die redaktionelle Planung verschiedener Sonderpublikationen der Personalwirtschaft.