Wir haben für Teil 38 unserer Kolumne „So ist’s Arbeitsrecht” bei Karin Sültrop und Dr. Sebastian Lilje, Rechtsanwälte bei Osborne Clarke, nachgefragt, wie es um die Maskenpflicht im Betrieb steht.
Personalwirtschaft: Können Arbeitgeber noch eine Maskenpflicht anordnen?
Karin Sültrop: Das hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, wird aber vor dem Hintergrund der aktuellen Lage derzeit nicht ohne weiteres möglich sein. Die Anordnung einer Maskenpflicht kommt allenfalls dann in Betracht, wenn Arbeitgeber im Rahmen ihrer Gefährdungsbeurteilung zu dem Ergebnis kommen, dass dies zur Gefahrenvermeidung am Arbeitsplatz notwendig ist. Die Gefahrenvermeidung ist dann die Verhinderung von Infektionen mit Covid-19. Im Rahmen der Prüfung der Erforderlichkeit sind verschiedene Faktoren zu beachten.
Welche Faktoren sind das?
Karin Sültrop: Unter anderem die aktuellen Inzidenzen, die Art der Betriebstätigkeit – also die Frage, ob es etwa um eine Arztpraxis geht oder um ein Büro. Aber auch die konkrete Arbeitsplatzgestaltung spielt eine Rolle, also die möglichen Abstände und die Anzahl der Personen in einem Raum. Und natürlich müssen auch andere Möglichkeiten des Infektionsschutzes genutzt werden. Dazu zählen die Bereitstellung von Desinfektionsmittel und regelmäßiges Lüften.
Die Gefährdungsbeurteilung sollten Arbeitgeber also auch nach der Corona-Arbeitsschutzverordnung im Blick behalten?
Dr. Sebastian Lilje: Unbedingt, sie ist die Voraussetzung für die Umsetzung der arbeitgeberseitigen Arbeitsschutzpflichten. In der Corona-Arbeitsschutzverordnung hatte der Gesetzgeber vorgegeben, welche konkreten Infektionsschutzmaßnahmen Arbeitgeber im Rahmen ihrer Gefährdungsbeurteilung zu prüfen hatten. Durch die vorzeitige Aufhebung der Verordnung sind diese spezifischen Vorgaben des Gesetzgebers zum Infektionsschutz entfallen. Die Pflicht zur Gefährdungsbeurteilung bestand aber auch schon vor Corona und folgt aus Paragraph 5 Arbeitsschutzgesetz.
Wie regelmäßig muss sie denn durchgeführt werden?
Karin Sültrop: Gesetzlich vorgeschriebene Abstände zwischen zwei Gefährdungsbeurteilungen gibt es nicht. Arbeitgeber sollten aber eine Regelmäßigkeit der Aktualisierung ihrer Gefährdungsbeurteilung und dadurch die stetige Einhaltung des Arbeitsschutzes sicherstellen. Eine erneute Durchführung kann insbesondere im Falle eines erneuten Anstieges der Inzidenzen oder der konkreten Infektionszahlen im Betrieb notwendig sein.
Durch hohe Infektionszahlen im Betrieb kann also die Anordnung einer Maskenpflicht möglich sein?
Dr. Sebastian Lilje: Im Falle eines Corona-Falls in der Belegschaft spricht viel dafür, dass eine jedenfalls temporäre Maskenpflicht im Betrieb erforderlich sein kann. Abhängig von der Betriebsgröße sollten Arbeitgeber aber prüfen, ob diese Maskenpflicht für die gesamte Belegschaft oder nur für einen Teil, also zum Beispiel Kontaktpersonen, gelten muss.
Wie lange ist eine Maskenpflicht legitim?
Karin Sültrop: Unter Berücksichtigung der Inkubationszeit und der möglichen Infektion von Kontakten sollte eine Maskenpflicht in dieser Fallkonstellation einen Zeitraum von drei bis vier Wochen nicht überschreiten.
Was kann der Arbeitgeber tun, wenn sich Beschäftigte der Maskenpflicht verweigern, obwohl sie legitim und notwendig ist?
Dr. Sebastian Lilje: Einer Verweigerung durch die Beschäftigten kann mit arbeitsrechtlichen Maßnahmen, insbesondere Abmahnungen, bei hartnäckigen Verweigerern bis hin zu Kündigungen, begegnet werden.
Wäre die Tatsache, dass besonders viele gefährdete Personen wie Schwangere oder chronisch Kranke in der Belegschaft sind, ein Grund für eine Maskenpflicht?
Karin Sültrop: In einer solchen Fallgestaltung kann eine Maskenpflicht in Betracht kommen. Auch hier gilt, dass eine Einzelfallentscheidung unter Berücksichtigung sämtlicher einflussnehmender Faktoren getroffen werden muss. Ist die Maskenpflicht zum Schutz der gefährdeten Personen erforderlich, kann diese wirksam angeordnet werden.
Was muss der Arbeitgeber dabei beachten?
Karin Sültrop: Berücksichtigt werden sollte dabei insbesondere, ob es sich um eine durchschnittlich hohe Anzahl an gefährdeten Personen handelt oder um nur wenige Einzelfälle. Auch sollte geprüft werden, ob der Schutz der gefährdeten Person nicht auf anderem Wege zum Beispiel durch ein Einzelbüro oder Ermöglichung von Homeoffice Rechnung getragen kann.
Gesine Wagner ist hauptverantwortlich für die Themen Arbeitsrecht, Politik und Regulatorik und ist Ansprechpartnerin für alles, was mit HR-Start-ups zu tun hat. Zudem schreibt Sie über Recruiting und Employer Branding.