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Machtkampf beim Fraport-Betriebsrat geht weiter

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Normalerweise finden Konflikte eher zwischen Arbeitgebern und Betriebsräten statt. Doch bei Fraport, dem Betreiber des Frankfurter Flughafens, gibt es innerhalb des Betriebsrats erhebliche Auseinandersetzungen. Aktuell eskalierten diese darin, dass das Hessische Landesarbeitsgericht (LAG) die Betriebsratswahl in dieser Woche gestoppt hat. Der Grund: Unregelmäßigkeiten bei der Vorbereitung der Wahl. Diese sind aufgrund eines Machtkampfes zwischen zwei Gewerkschaften entstanden – Verdi und Komba –, deren Mitglieder den Betriebsrat am Frankfurter Flughafen weitestgehend besetzen.

Aus zwei Betriebsräten sollte einer werden

Um den Konflikt zu verstehen, lohnt ein Blick in die jüngste Vergangenheit. Ursprünglich gab es am Frankfurter Flughafen zwei Betriebsräte – einen bei Fraport, in dem fast nur Verdi-Mitglieder saßen, und einen bei Fraport Ground Services (Fraground), in dem größtenteils Mitglieder der Komba vertreten waren. Diese langjährige Tradition wurde von einem Gericht kassiert, sodass 2024 die Wahl zu einem gemeinsamen Betriebsrat in die Wege geleitet wurde.

Doch bereits im ersten Wahlgang gab es Probleme. Ursprünglich im März 2024 angesetzt, musste die Wahl gestoppt werden. Es dürfe keine konkurrierenden Betriebsräte geben und beide Betriebsräte seien noch im Amt, begründete ein Gericht damals die Entscheidung. Es folgten Rücktritte und die Wahl konnte stattfinden. Das Ergebnis war überraschend: Fraground stellte 33 Betriebsräte (31 davon sind Komba-Mitglieder) und Fraport nur sechs (vier davon gehören Verdi an). Zur Einordnung: Die Fraport hat etwa 8.000 Angestellte und Fraground circa 4.500. Laut Verdi ist diese unausgewogene Verteilung ein Anzeichen für Wahlmanipulation. Auch kritisierte Verdi die Wahlorganisation, welche ebenfalls zu dem Ergebnis geführt haben könnte.

Verdis Kritik: Es habe nur zwei Wahllokale gegeben und diese hätten sich an Orten befunden, an denen Fraground-Mitarbeitende (größtenteils Vorfeldarbeiterinnen und –arbeiter – sogenannte Bodendienste) deutlich häufiger vorbeikämen als Fraport-Beschäftigte. Fraground hatte die Wahlorganisation übernommen. Verdi zog auch damals schon vor Gericht und wollte die Wahl aufgrund wahrgenommener Mängel bei der Organisation stoppen. Doch mehrere Anträge beim Arbeitsgericht Frankfurt und beim LAG wurden abgelehnt.

Obwohl kein gerichtlicher Auftrag dazu gegeben wurde, sollte in diesem Jahr aufgrund der inneren Unzufriedenheit erneut ein Betriebsrat gewählt werden – nur ein Jahr und nicht die üblichen vier Jahre nach der letzten Wahl. Womit wir beim aktuellen gerichtlichen Stopp der Betriebsratswahlen 2025 angekommen sind.

Verdi-Liste wurde nicht in Wahlunterlagen aufgenommen

Das LAG musste nun in die Wahlen eingreifen, weil Verdi erneut geklagt hat – auch diesmal gegen das Vorgehen der Komba. Ursprünglich war geplant, dass die Neuwahl durch einen unabhängigen und neutralen Wahlvorstand, der nicht aus den Betriebsräten und Kandidierenden besteht, organisiert wird. Laut Verdi gab es diesen neutralen Wahlvorstand allerdings nur kurz, da einzelne Mitglieder von bestimmten Betriebsratsmitgliedern so unter Druck gesetzt worden sein sollen, dass sie ihr Amt niedergelegt hätten. Stattdessen bestehe der Wahlvorstand nun aus Betriebsräten der Listen der Komba und „International“.  

Der neue Wahlvorstand soll laut Verdi die Liste derjenigen Verdi-Mitglieder, die sich zur Wahl stellen lassen wollen, vollständig von der Wahl ausgeschlossen haben. Gegen diesen Ausschluss der Liste klagte Verdi – und das LAG gab der Gewerkschaft recht. Das LAG wies den Wahlvorstand an, die Liste noch rechtzeitig mit in die Wahlunterlagen aufzunehmen. Doch das geschah nicht. Die Wahl begann am Dienstagmorgen und wurde noch am selben Tag vom LAG gestoppt. Nun muss eine neue Abstimmung organisiert werden. Frühestens ist das aufgrund der Fristen in sechs Wochen möglich.

Das sagt Fraport

Das Stop and go bindet zwar Ressourcen, ändert für den Arbeitgeber und HR allerdings erst einmal nichts. Der aktuelle Betriebsrat bleibt weiterhin im Amt. „Wir sind gemäß Mitbestimmungsgesetz verpflichtet, den amtierenden Betriebsrat an allen mitbestimmungspflichtigen Themen zu beteiligen“, sagt ein Fraport-Sprecher gegenüber unserer Redaktion. „An diese rechtlichen Vorgaben halten wir uns selbstverständlich.“

Die geschaffene Rechtssicherheit begrüße der Flughafenbetreiber: „Wir rufen alle Beteiligten dazu auf, die Entscheidung als Grundlage für faire und ordnungsgemäße Wahlen zu nutzen – im Interesse aller Mitarbeitenden unseres Unternehmens.“ Als Arbeitgeber mische sich Fraport allerdings nicht in Wahlprozesse ein und wahre ihre Neutralität – dazu ist der Arbeitgeber auch gesetzlich verpflichtet.

Dr. Philipp Raben, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei der Kanzlei Osborne Clarke, hat in der Praxis beobachtet, dass sich ein Stopp der Betriebsratswahlen wenig auf der rechtlichen Ebene auswirkt und der Arbeitgeber meist durch die Zusammenarbeit mit dem bisherigen Betriebsrat handlungsfähig bleibt. „Aber dennoch werden Kapazitäten in solchen Auseinandersetzungen gebunden“, sagt er, und weiter: „Fakt ist auch, dass unmittelbar vor einer Neuwahl komplexe Projekte nicht mehr mit dem Betriebsrat angegangen werden, da sonst nach erfolgter Neuwahl unter Umständen noch einmal ein Neustart erforderlich ist.“ Und das bedeute für alle Beteiligten Doppelarbeit.

Kann und soll sich der Arbeitgeber einmischen?

Dass sich Arbeitgeber in die Auseinandersetzungen innerhalb des Betriebsrats und der Gewerkschaften einmischen, sieht Raben nur bedingt als empfehlenswert an. Arbeitgeber hätten wenig Einfluss auf Gewerkschaften. „Eine Möglichkeit für Arbeitgeber könnte allerdings der Versuch sein, eine neutrale und vermittelnde Position zwischen den Gewerkschaften einzunehmen“, sagt der Arbeitsrechtler.

Arbeitgeber könnten für eine Aufstellung einer neutralen oder vermittelnden Liste bei der nächsten Betriebsratswahl werben. Ist die Nichtigkeit einer Wahl aber bereits absehbar, sollte der Arbeitgeber laut Anwalt Raben in jedem Fall einschreiten und versuchen, die Wahl zu verhindern, da ein nachgelagertes Verfahren deutlich zeitaufwendiger sei.

Sollten sich die Vorwürfe einer Bedrohung und Einschüchterung einiger Mitglieder des Wahlvorstands bewahrheiten, müsste der Fraport-Verbund allerdings eingreifen. Schließlich komme hier ihre Fürsorgepflicht als Arbeitgeber zum Tragen. „Bedrohungen und Einschüchterungen müssen vom Arbeitgeber geahndet werden“, sagt Raben. Etwa durch Abmahnungen oder in schwerwiegenden Fällen Kündigungen. Beides bei Betriebsratsmitgliedern umzusetzen, sei ein langwieriger und komplexer Prozess.

Was zu einem Abbruch der Betriebsratswahl führt

„Ein gerichtlicher Abbruch einer Wahl während bereits laufendem Prozess kommt höchst selten vor“, sagt Raben. Dafür müssten schwerwiegende Mängel festgestellt werden. Zu solchen zählen etwa der willkürliche Ausschluss von wahlberechtigten Mitarbeitergruppen, fehlende Voraussetzungen für eine Betriebsratswahl (beispielsweise mangelnde Größe, der Betrieb liegt im Ausland) oder die Durchführung der Wahl außerhalb des gesetzlich vorgesehenen Zeitraums.

Info

Lena Onderka ist redaktionell verantwortlich für den Bereich Employee Experience & Retention – wozu zum Beispiel auch die Themen BGM und Mitarbeiterbefragung gehören. Auch Themen aus den Bereichen Recruiting, Employer Branding und Diversity betreut sie. Zudem ist sie redaktionelle Ansprechpartnerin für den Deutschen Human Resources Summit.