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Umstrittene Versetzung aus Gesundheitsgründen

Beschriftete Zettel auf einem Kalender
Um die Versetzung in ein anderes Schichtmodell ging es in einem Fall vor dem Bundesarbeitsgericht. Bild: © Fotomanufaktur JL/Fotolia.de

Gemäß § 84 Abs. 2 SGB IX sind Arbeitgeber zur Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) verpflichtet, wenn Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind. Dabei sollen die Möglichkeiten geklärt werden, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann. 

Wie aus einem neuen Urteil des Bundesarbeitsgerichts hervorgeht, ist die Durchführung des BEM aber keine formelle Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Versetzung. Dies gilt auch in den Fällen, in denen die Anordnung des Arbeitgebers auf Gründe gestützt wird, die im Zusammenhang mit dem Gesundheitszustand des Arbeitnehmers stehen. 

Arbeitgeber ordnete Wechselschicht an

In dem Fall ging es um folgenden Sachverhalt: Ein Arbeitgeber ordnete für einen Schichtmitarbeiter, der in den Jahren zuvor fast ausschließlich in der Nachtschicht eingesetzt worden war, Wechselschicht an. Er hielt diese Versetzung aus Gesundheitsgründen für sinnvoll. Der Mitarbeiter war vorher längere Zeit krankheitsbedingt ausgefallen. Vor der Anweisung zur Wechselschicht fand ein Krankenrückkehrgespräch statt, welches vom Arbeitgeber aber nicht als BEM-Maßnahme ausgestaltet war. 

Der betroffene Mitarbeiter war mit der Anweisung des Arbeitgebers nicht einverstanden und wollte weiterhin nur in der Nachtschicht arbeiten. Er war der Meinung, die Anordnung sei bereits deshalb unwirksam, weil der Arbeitgeber vor der Maßnahme kein BEM durchgeführt habe. Im Übrigen entspreche sie nicht billigem Ermessen im Sinne von § 106 GewO und § 315 BGB. Seine Interessen an der Beibehaltung der Nachtschicht seien nicht hinreichend berücksichtigt worden. 

Der Arbeitgeber argumentierte, eine Dauernachtschicht sei generell gesundheitlich belastender als jede andere Arbeitszeit. Deshalb habe er mit der Versetzung prüfen dürfen, ob sich die gesundheitliche Situation des Mitarbeiters bei einem Einsatz in der Wechselschicht verbessere. Außerdem sei der Arbeitnehmer bei Fehlzeiten in der Wechselschicht leichter ersetzbar als in der Nachtschicht. 

Weisung muss „billigem Ermessen“ entsprechen

Der Fall kam bis vor das Bundesarbeitsgericht. Dort wurde die Klage des Mitarbeiters abgewiesen (BAG, Urteil vom 18.10.2017, Az. 10 AZR 47/17). Demnach muss im Vorfeld einer Versetzung – auch wenn sie im Zusammenhang mit gesundheitlichen Aspekten steht – nicht zwingend ein BEM als Wiedereingliederungsmaßnahme erfolgen.

Entscheidend für die Rechtmäßigkeit einer Versetzung ist, ob die Weisung „billigem Ermessen“ im Sinne von § 106 Satz 1 GewO bzw. § 315 Abs. 1 BGB entspricht. Es ist also eine Interessenabwägung zwischen den betrieblichen Belangen und den persönlichen Interessen des betroffenen Mitarbeiters erforderlich. Dabei sind die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Mangels ausreichender Feststellungen der Vorinstanz zu diesen Umständen konnte das BAG den vorliegenden Fall nicht abschließend entscheiden und wies die Sache an das Landesarbeitsgericht zurück.

Quelle: Bundesarbeitsgericht

ist freier Journalist aus Biberach/Baden und schreibt regelmäßig News und Artikel aus dem Bereich Arbeitsrecht.

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