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Mitbestimmung macht Unternehmen rentabler

Je stärker die Mitbestimmung durch Arbeitnehmer in Unternehmen verankert ist,  desto häufiger verfolgen diese einen innovations- und forschungsorientierten Kurs. In Firmen mit schwacher oder ohne Mitbestimmung ist dies selten der Fall.

Tisch mit Computern
Mitbestimmung durch die Arbeitnehmer steigert die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens. Foto: © Free-Photos/px

Zu diesen Ergebnissen kommt eine neue
Studie von Forschern der Universität Duisburg-Essen, des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung
(WZB) und des Instituts für Mitbestimmung und
Unternehmensführung (I.M.U.) der Hans-Böckler-Stiftung. Für die Untersuchung hat ein Team aus Ökonomen und Soziologen Daten
von 172 Unternehmen ausgewertet, die zwischen 2006 und 2017 durchgehend
im deutschen Börsenindex Composite DAX (CDAX) gelistet waren und deren
Unternehmensstrategie sich für den gesamten Zeitraum identifizieren
ließ.

Mitbestimmung steigert die Wirtschaftlichkeit

Über alle
strategischen Ausrichtungen hinweg schneiden Unternehmen mit mehr
Mitbestimmung bei wichtigen wirtschaftlichen Kennziffern meist
überdurchschnittlich ab: Ihre Gesamtkapitalrentabilität ist im
Durchschnitt um rund 65 Prozent höher als bei Unternehmen mit schwacher
oder ganz ohne Mitbestimmung. Der operative Gewinn (Ebit-Marge) liegt
bei stärker mitbestimmten Unternehmen im Mittel um knapp 11 Prozent
höher, der Cashflow pro Aktie ist sogar mehr als dreimal so hoch wie in
Firmen mit wenig Mitbestimmung. Die Forscher der Studie schreiben, dass „Mitbestimmung nicht nur ein Garant für Standort- und
Beschäftigungssicherheit, sondern darüber hinaus auch ein Faktor für
wirtschaftliche Stabilität und Prosperität ist „. Zusammenhänge, die gerade bei der Bewältigung der aktuellen Corona-Krise
eine entscheidende Rolle spielen dürften.

Ob die Verankerung der Mitbestimmung
in den untersuchten Unternehmen über- oder unterdurchschnittlich stark
ist, bestimmten die Forscher über den am WZB entwickelten
Mitbestimmungsindex (MB-ix). Er verzeichnet unter anderem für jedes
Unternehmen, wie viele Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat und dessen
Ausschüssen sitzen, wie stark die formellen Einflussmöglichkeiten des
Kontrollorgans sind oder ob es einen europäischen Betriebsrat gibt. Als
stark mitbestimmt werden in der Untersuchung Unternehmen bezeichnet,
wenn sie im Vergleich zur Gesamtgruppe eine überdurchschnittlich stark
verankerte Mitbestimmung haben und als schwach mitbestimmt, wenn sie
unterdurchschnittlich ist.

Qualitäts- vor Kostenstrategie

Die Analyse der Forscher zeigt deutliche Zusammenhänge zwischen Stärke
der Mitbestimmung und Unternehmensstrategie. Die Wahrscheinlichkeit,
dass ein Unternehmen auf Kostenführerschaft setzt, liegt in Unternehmen
ohne Mitbestimmung bei 27 Prozent, während es bei starker Mitsprache der
Arbeitnehmer nur 10 Prozent sind. Dagegen wählen stark mitbestimmte
Unternehmen doppelt so häufig eine dezidierte Differenzierungsstrategie
(25 Prozent gegenüber 12 Prozent). Zudem verfolgen sie etwas häufiger
eine Mischstrategie. Dass keine dominante Strategie vorliegt, kommt bei
Unternehmen ohne Mitbestimmung etwas häufiger vor.

Dazu schreiben
die Wissenschaftler:

Es liegt auf der Hand, dass Arbeitnehmervertreterinnen und -vertreter
Diversifizierungsstrategien favorisieren und diese durch ihre
Einflussmöglichkeiten über die Mitbestimmung unterstützen.  Denn im Gegensatz zur Kostenführerstrategie wird
bei den Differenzierern auf hohe Technologieintensität gesetzt, auf
Innovationen, was aber nur mit gut ausgebildeten und damit in der Regel
höher entlohnten Beschäftigten erreicht werden kann.

Insbesondere in
Zeiten von Digitalisierung und demografischem Wandel verspreche diese
Orientierung tendenziell mehr Zukunftschancen, betonen die Forscher auch. Darauf weise
auch die zahlenmäßige Entwicklung der Strategietypen im untersuchten
Zeitraum hin: Zwischen 2006 und 2017 nahm die Zahl der „Differenzierer“
zu: von 16 auf 26 Prozent aller Unternehmen im Sample. Größer wurde auch
der Anteil der Firmen mit Mischstrategie (Zunahme von knapp 24 auf 33
Prozent). Dagegen waren 2017 deutlich weniger Unternehmen auf reine
Kostenführerschaft aus als 11 Jahre zuvor (Rückgang von knapp 24 auf 15
Prozent) oder verfolgten keine dominante Strategie (36 auf knapp 26
Prozent).

Die
an der Studie beteiligten Forscher messen den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens anhand von drei wichtigen betriebswirtschaftlichen Größen: der
Gesamtkapitalrentabilität (Return on Assets, ROA), der EBIT-Marge und
dem Cashflow pro Aktie. Unternehmen mit mehr Mitbestimmung schneiden
fast immer besser ab. Im Durchschnitt aller 172 untersuchten Unternehmen
beträgt der ROA in Unternehmen mit starker Mitbestimmung 4,58 Prozent,
während es bei schwach mitbestimmten 2,76 Prozent sind. Die Differenz
zwischen beiden Gruppen beträgt also rund 65 Prozent. Noch größer ist
der Vorsprung beim Cashflow: Bei starker Mitbestimmung liegt er im
Durchschnitt bei 4,95 Euro pro Aktie – das ist gut dreimal so hoch wie
in Unternehmen mit schwacher Mitbestimmung (1,39 Euro). Als EBIT-Marge
ermitteln die Forscher im Durchschnitt der stark mitbestimmten Firmen
7,77 Prozent. Bei geringer Mitbestimmung sind es 7,01 Prozent
(Unterschied: 11 Prozent).

Nach Schlussfolgerung der Wissenschaftler aus
ihren Ergebnissen, kann die Mitbestimmung der Beschäftigten kann „eine wesentliche Bedingung für
gute Corporate Governance“ sein. Zusammenfassend äußern sie ein klares Fazit:

Das Ringen um adäquate Unternehmensstrategien ist
mit Mitbestimmung wirtschaftlich erfolgversprechend. Daher gehören
Diskussionen über strategische Themen, die Antworten auf die großen
Herausforderungen der heutigen Zeit geben sollen, in den mitbestimmten
Aufsichtsrat.