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Corona-Krise führt nicht zu mehr befristeten Jobs

Die Corona-Krise hat sich bereits im zweiten Quartal 2020 drastisch auf Neueinstellungen ausgewirkt. Die Unternehmen in Deutschland rekrutierten über ein Viertel weniger Mitarbeiter als im Vorjahreszeitraum. Kaum verändert hat sich hingegen der Anteil befristeter Arbeitsverhältnisse, wie eine Untersuchung zeigt.

Befristet oder unbefristet?
In der Corona-Krise wurden etwas weniger befristete Arbeitsverträge abgeschlossen als zuvor. Foto: © Stockwerk-Fotodesign-stock.adobe.com

Von April bis Juni des letzten Jahres, in der Zeit des ersten Lockdowns, ist die Zahl der Menschen hierzulande, die eine neue Arbeitsstelle antraten, gegenüber dem zweiten Quartal 2019 um 29 Prozent gesunken. Obwohl sich die Arbeitgeber derart zurückhielten, blieb der Anteil befristeter Neuverträge fast so hoch wie vorher.

Vier von zehn Neuanstellungen im zweiten Quartal 2020 waren befristet

Im zweiten Quartal 2020 erhielten fast vier von zehn neu eingestellten Mitarbeitern (39,4 Prozent) einen befristeten Arbeitsvertrag. Das sind 2,5 Prozentpunkte weniger als ein Jahr zuvor. Das zeigt der aktuelle Bericht „Befristete Einstellungen – Die Folgen von Corona“ des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung, für die Daten der Bundesagentur für Arbeit zu Einstellungen im zweiten Quartal ausgewertet wurden. Für die WSI-Forscher Dr. Eric Seils und Dr. Helge Emmler ist der nur leichte Rückgang beim Anteil befristeter Neueinstellung eine Überraschung, schreiben sie. Sie hätten in den ersten Monaten der Krise eine deutliche Zunahme erwartet. Bisherige Untersuchungen zeigten, dass Unternehmen häufig unsichere wirtschaftliche Perspektiven als Gründe für befristete Arbeitsverträge nennen. Doch die derzeitige Krise habe wider Erwarten keinen erkennbaren Einfluss auf den Anteil befristeter Neuanstellungen gehabt. Stattdessen hätten die Unternehmen auf die gestiegene Unsicherheit damit reagiert, dass sie Neueinstellungen insgesamt auf das Nötigste reduziert haben. So sank auch die absolute Zahl befristeter Neueinstellungen von über 2,5 auf gut 1,5 Millionen.

Junge Mitarbeiter besonders betroffen

Ein näherer Blick auf die Daten zeigt, dass befristete Einstellungen bei Frauen mit 42 Prozent etwas stärker verbreitet sind als bei Männern (37,5 Prozent). Junge Mitarbeitende sind überdurchschnittlich stark von Befristungen betroffen – damit setzt sich ein schon bestehender Trend fort. Von den neu Eingestellten unter 25 Jahren bekam jeder zweite (50,8 Prozent) nur einen befristeten Arbeitsvertrag. Von den 25- bis 54-Jährigen hingegen erhielten 37,1 Prozent einen befristeten Job und von den 55- bis 64-Jährigen 33,5 Prozent, also weniger als der Durchschnitt.

Die WSI-Experten geben zu bedenken, dass befristete Beschäftigungsverhältnisse für junge Menschen belastend sind, da sie laut Studien ein niedrigeres Einkommen und ein höheres Armutsrisiko aufweisen und weil die soziale Teilhabe und auch die Familiengründung erschwert werden. Deutliche Unterschiede gibt es auch je nach Qualifikation der Neuzugänge. Von den Beschäftigten ohne Ausbildungsabschluss erhielt etwas mehr als die Hälfte (51,7 Prozent) eine befristete Stelle. Aber auch Hochschulabsolventinnen und -absolventen mussten sich mit 44,6 Prozent überdurchschnittlich oft mit einem Job auf Zeit begnügen, während der Anteil bei Beschäftigten mit anerkannter Berufsausbildung mit 30,9 Prozent am niedrigsten ausfiel.

Überdurchschnittlich viele Befristungen in Standorten der Medien- und Kreativbranche

Eine Analyse nach Regionen ergibt, dass zwischen Ost- und Westdeutschland in Sachen Befristung kaum Unterschiede bestehen, wohl aber zwischen den Kreisen: So ist der Anteil befristeter Einstellungen in Köln mit 61,4 Prozent, in Potsdam mit 59,7 Prozent und auch in Berlin mit 52,8 Prozent besonders hoch, was laut WSI darauf zurückzuführen sein dürfte, dass die Medien- und Kreativbranche dort stark vertreten ist. Der Informations- und Kommunikationsbereich gehört zu den Wirtschaftszweigen – neben Erziehung und Unterricht –, in denen Befristungen besonders weit verbreitet sind. Deutlich unterdurchschnittlich vertreten sind befristete Neueinstellungen hingegen im Baugewerbe (12,8 Prozent) und bei den Regionen in Neustadt an der Weinstraße (15,4 Prozent) und Altötting (18,6 Prozent).

Was bringt die Zukunft?

Wenn der leichte Rückgang befristeter Neuanstellungen auch auf den ersten Blick als positives Zeichen gesehen werden könnte oder jedenfalls keinen Anlass zur Beunruhigung gibt, so erscheint die drastische Verringerung des Stellenangebots insgesamt umso bedenklicher. Die Analyse bezieht sich auf das Frühjahr 2020 und heute ist noch kein Ende der Krise abzusehen – im Gegenteil, die Verlängerungen des Lockdowns auf ungewisse Zeit werden die Wirtschaft, vor allem die besonders betroffenen Branchen, noch mehr einbrechen lassen. Ob die Unternehmen zukünftig aus Sicherheitsgründen doch wieder mehr auf Befristungen setzen werden und ob junge Berufstätige damit noch schlechtere Chancen hätten als bisher, bleibt abzuwarten. Auch die geplante Einschränkung sachgrundloser Befristungen könnte die Zahlen in Zukunft beeinflussen.

Zum Bericht geht es > hier. Die regionalen Daten können über eine > interaktive Karte eingesehen werden.

Ute Wolter ist freie Mitarbeiterin der Personalwirtschaft in Freiburg und verfasst regelmäßig News, Artikel und Interviews für die Webseite.