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Change-Kompetenz von Mittelmanagern

 

Bild: marigold_88/istock
Bild: marigold_88/istock

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Tagesgeschäft, Projekte, Innovation. Das ist der Dreiklang, aus dem heute die Arbeitswoche von Führungskräften auf der mittleren Ebene besteht. Wir beobachten: Einen Großteil der Arbeitszeit nehmen mittlerweile Veränderungsprojekte ein, gleichzeitig müssen Mittelmanager ihr Tagesgeschäft steuern. Diese Ambidextrie, also die Gleichzeitigkeit von Alltags- und Projektgeschäft, ist heute zum permanenten Standard in vielen Unternehmen geworden. Gemeinsam mit dem unabhängigen Markt- und Meinungsforschungsinstitut Forsa wollten wir verstehen: Wie stellt sich die Projektdichte in Unternehmen heute wirklich dar? Wie gehen insbesondere Mittelmanager damit um? Und inwieweit verändert dies ihre Rolle im Unternehmen – oder hat es das bereits getan? 

1. Permanente Veränderungsprojekte sind heute Realität und belasten das Mittelmanagement 

Fakt: 88 Prozent der durch Forsa befragten Unternehmen haben in den vergangenen drei Jahren mindestens ein größeres Transformations- beziehungsweise Veränderungsprojekt durchgeführt. 56 Prozent haben angegeben, mehr als sechs Projekte durchgeführt zu haben, 34 Prozent mehr als elf und acht Prozent sogar mehr als 51 Projekte. Die Projektedichte hat in den vergangenen Jahren damit deutlich zugenommen. Schwerpunkte bei laufenden Projekten bilden aktuell Prozessveränderungen (84 Prozent), Projekte im Kontext von Digitalisierung (81 Prozent) und Innovation (78 Prozent). An einer Veränderung von Geschäftsmodell (49 Prozent) oder Führung (40 Prozent) arbeiten derzeit weniger als die Hälfte der befragten Unternehmen. Während ein Teil der mittleren Manager mit dieser spürbaren Belastung adäquat umgehen kann, hat die Forsa-Untersuchung ergeben, dass insgesamt 44 Prozent der befragten HR-Chefs angegeben haben, dass ihre mittlere Führungsebene sich stark belastet fühle. Zehn Prozent halten die Belastungsgrenze für überschritten. 

Transfer: Die Realität der Transformation kann man nicht ausblenden. In Anbetracht der Belastungsgrenzen sollten die Unternehmen prüfen, wo genau die belastenden Faktoren für das Mittelmanagement liegen. Auch wir haben diese Frage in der Studie gestellt: Was unterscheidet nun die Gruppe der stärker Belasteten von den weniger Belasteten? 

2. Die Qualität von Führung ist ein entscheidender Belastungsfaktor 

Fakt: Betrachten wir zunächst die individuelle Ebene: Es ist auffällig, dass die sich weniger belastet fühlenden Manager 48 Prozent ihrer Führungszeit in gestaltende statt reagierende Führungsaufgaben investieren. Bei denjenigen, die sich höher belastet fühlen, sind dies nur 39 Prozent. Auch die Gesamtzeit für Führungsaufgaben liegt bei den weniger Belasteten rund zehn Prozent  höher. Sie nutzen zudem mehr Zeit für menschen als für aufgabenbezogene Führung sowie zur Selbstführung.

Laut den Forsa-Daten gelingt 86 Prozent der weniger belasteten Mittelmanager in den befragten Unternehmen der Einsatz von Mitarbeitern gemäß ihrer individuellen Stärken und Schwächen – das ist der beste erzielte Wert. Eine besondere Diskrepanz lässt sich auf kommunikativer Ebene feststellen: Nur 55 Prozent der Mittelmanager mit hoher Belastung gelingt es, ihren Mitarbeitern ihren Wertbeitrag zum großen Ganzen und damit den Sinn ihrer Arbeit adäquat zu vermitteln. Bei den weniger Belasteten ist das bei 76 Prozent der Fall. 

Transfer:
Die weniger Belasteten entscheiden sich – bewusst – für einen Führungsansatz, der vor allem Coaching, individuelle Befähigung und Entwicklung von Mitarbeitern in den Mittelpunkt rückt und zugleich Zeiträume zur Selbstreflexion und Eigenentwicklung enthält. Hierauf sollten die Unternehmen in ihrer Führungskräfteentwicklung also achten. Im Alltagsgeschäft sollten Mittelmanager zudem individuell zugeschnittene Trainings- und Verbesserungsprogramme für einzelne Mitarbeiter ermöglichen. 

3. Mittelmanager brauchen Entscheidungskompetenzen und Freiheiten 

Fakt: Auffallend ist dabei, dass neun von zehn Unternehmen mit weniger belasteten Führungskräften angeben, dass sich ihre Mittelmanager heute vor allem als Berater und Entwickler sich selbst steuernder Teams verstehen, bei denen mit hoher Belastung sind es fast 30 Prozent weniger. Ebenso haben die Mittelmanager in Unternehmen mit niedrigerer Belastung mehr Entscheidungskompetenzen erhalten, haben gleichzeitig mehr Entscheidungen auf die Mitarbeiterebene übertragen können. 

Transfer: Diese Ergebnisse zeigen, dass nicht allein die Anzahl an Projekten und damit die Arbeitsintensität darüber entscheiden, ob sich das mittlere Management überlastet fühlt. Sondern die Qualität von Führung ist ein zentraler Faktor für die gleichzeitige Bewältigung von Projekt- und Alltagsgeschäft. Es trägt die Mittelmanager aus der Kurve, wenn sie zu wenig Zeit in Führung und zu viel Zeit in operative Management- oder gar Fachaufgaben investieren. Denn nur eine Intensivierung und eine pro-aktive Ausgestaltung der Führungszeit ermöglicht eine adäquate Delegation von Aufgaben an die Mitarbeiterebene.

Die Rollendefinition des mittleren Managements ist keine Aufgabe für den einzelnen Manager. Sie ist eine strukturelle Fragestellung, die zunächst einmal vom Topmanagement zu beantworten ist. Diese muss das ganz bewusst entscheiden, in den meisten Fällen muss dazu auch die oberste Führungsebene die eigene Positionierung neu denken. Um dem mittleren Management eine Rolle als Coach und Berater der Mitarbeiter zu ermöglichen, muss das Topmanagement dies gegenüber seinen Führungskräften selbst leben

4. Starke Mittelmanager wirken aktiv an der Unternehmensstrategie mit 

Fakt: Die weniger belasteten Manager schneiden in der Frage ihres Beitrags zur Unternehmensstrategie erneut durchweg besser ab als die stärker Belasteten.

Transfer: Das bedeutet jedoch nicht, die Gesamtverantwortung für Veränderung einfach an die nachgelagerte Ebene abzugeben. Das Gegenteil ist der Fall: Vorstände und Geschäftsführung müssen in ihrer Verantwortung bleiben. Sie müssen die entsprechenden Prioritäten setzen und auch entscheiden, welches Projekt eine Chance auf Umsetzung hat – und welches nach hinten priorisiert oder gar eingestellt werden sollte. Wir erleben in unserer Beratungspraxis häufig eine Illusion, was die inhaltliche und quantitative Machbarkeit anbelangt, die sich aufgrund von sachlichen Notwendigkeiten ergibt. Diese Illusion gilt es für das Topmanagement auszuräumen und damit seinen Führungskräften eine effektive Lösung der wichtigen und zugleich realistisch umsetzbaren Projekte zu ermöglichen. Das Ressourcenmanagement gehört auf die Topebene. So schafft die Unternehmensführung den notwendigen Rahmen für die Umsetzung von Veränderungsprojekten.
Das Topmanagement muss sich also als Sozialarchitekt der Organisation in Bezug auf ein professionelles Change-, Projekt- und Ressourcenmanagement sowie ein für die Mittelmanager umsetzbares Organisationsdesign verstehen. 

Die Studie
Die hier präsentierten Zahlen stammen aus der Studie „Führungsbarometer 2017: Die strategische Bedeutung des mittleren Managements“, die Forsa im Auftrag der Change-Beratung Penning Consulting durchgeführt hat. Dazu wurden 90 HR-Chefs aus Unternehmen unterschiedlicher Größe befragt. In den Folgemonaten werden weitere Zahlen veröffentlicht, unter anderem zu Führungszeit und -stil, Unternehmenskultur und zu strategischer Einbindung des mittleren Managements. Mehr dazu auf › www.penning-consulting.com 

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