Es ist Halloween, der 31. Oktober 2023. Draußen fallen die gelben Blätter von den Bäumen, es nieselt in Berlin vor sich hin. Herbst. Der Winter klopft gefühlt irgendwie auch schon wieder an. Und da bekomme ich die Erleuchtung: Es ist an der Zeit, den Glanz der HR-Technologie zu hinterfragen und sicherzustellen, dass man nicht den rutschigen Hang in die Dystopie hinuntergleitet! Die glorifizierte HR-Technologie hat die Arbeitswelt in den vergangenen Jahren regelrecht überflutet und verspricht Unternehmen die Lösung für alle ihre Personalprobleme. Doch wer sich auf diesen Hype einlassen will, sollte vorher unbedingt die Schattenseiten in Betracht ziehen – gibt es doch gute Gründe, warum man den Einsatz von HR-Technologie besser (ver)meiden sollte:
1. Die Entmenschlichung des Personalwesens
HR-Technologie mag effizient erscheinen, aber sie hat auch einen hohen Preis: die völlige Entmenschlichung des HR-Bereichs. Mitarbeitende werden zu bloßen Datenpunkten, die in Algorithmen gepresst werden, anstatt als Menschen mit Bedürfnissen, Hoffnungen und Sorgen wahrgenommen zu werden. Diese Technologie nimmt den HR-Verantwortlichen die Möglichkeit, auf persönliche Probleme einzugehen, Karriereentwicklung zu fördern oder Konflikte auf menschlicher Ebene zu lösen. Mitarbeitende werden zu Zahlen degradiert und die Unternehmenskultur wird aufs Spiel gesetzt.
2. Datenschutz-Albtraum
Das Vertrauen der Mitarbeitenden zu erschüttern und in rechtliche Schwierigkeiten zu geraten, ist so einfach wie die Nutzung von HR-Technologie an sich. Diese Systeme erfordern Zugriff auf eine Fülle höchst sensibler persönlicher Informationen, darunter Gehälter, Gesundheitsdaten und Leistungsbeurteilungen. Datenschutzverletzungen und Datenpannen können verheerende Folgen haben – von empfindlichen Geldstrafen bis hin zu einem dauerhaft ramponierten Ruf. Ist es das wirklich wert?
3. Unveränderlichkeit und Inkompatibilität
HR-Technologie mag auf den ersten Blick die Lösung für all die HR-Probleme zu sein, aber sie ist oft so starr, dass sie sich nicht anpassen kann. Die Implementierung und Anpassung sind zeitraubend und kostspielig. Was noch schlimmer ist: Nicht jede Lösung ist für jedes Unternehmen geeignet. Einheitsbrei-Technologie ist nicht die Antwort, denn jedes Unternehmen hat unterschiedliche Bedürfnisse und Anforderungen. Die Anpassung kann zu einer wahren Odyssee werden, die die Nerven und das Budget strapaziert.
HR-Technologie ist eine verlockende Versuchung, aber bevor man sich in dieses Fiasko stürzt, sollte man die möglichen Nachteile und Risiken abwägen. Die Entmenschlichung des Personalwesens, Datenschutz-Albträume und die Unveränderlichkeit dieser Technologie sind nur einige der Gründe, warum kluge Unternehmen sich zweimal überlegen sollten, ob sie diesen vermeintlichen Fortschritt wirklich wollen.
Gott sei Dank bin ich aus diesem Alptraum erwacht! Denn auch wenn man natürlich beim Einsatz von HR-Technologie das Thema Menschen, Datenschutz und Kompatibilität mit beachten sollte, bedarf es meiner Ansicht nach vor allem eins in Deutschland (und das nicht nur für den Einsatz von Software, sondern generell): M-U-T.
Warum wir es trotzdem wagen sollten
Deutschland, ein Land mit einer starken Wirtschaft und einer Tradition in der industriellen Fertigung, hat in den vergangenen Jahren, ich würde fast schon sagen Jahrzehnten, die Digitalisierung verschlafen. Dieses langsame Tempo der Digitalisierung ist verschiedenen Faktoren geschuldet, die sowohl auf politische Entscheidungen, wie zuletzt das Nachweisgesetz, als auch auf kulturelle Einstellungen zurückzuführen sind. Und ein entscheidender Faktor dabei ist (um wieder auf das Thema HR zu kommen): die Unternehmenskultur.
Die deutsche Unternehmenskultur ist oft von einer gewissen Risikoscheu geprägt. Viele Unternehmen zögern, in digitale Innovationen zu investieren, und bleiben lieber bei traditionellen Geschäftsmodellen und Lösungen. So zeigt beispielsweise der “Digitalisierungsindex Mittelstand”, der von techconsult im Auftrag der Deutschen Telekom durchgeführt wurde, dass es enormen Nachholbedarf bei der Digitalisierung mittelständischer Unternehmen gibt. Dieser stieg zwar 2021 (auch aufgrund des “Corona Effektes”) um einen, ja einen Punkt – liegt aber immer noch bei mickrigen 59 von 100 möglichen Punkten. Wozu das führt? Wir müssen nur einen Blick auf die Wirtschaftszahlen werfen.
Anstatt uns mit Horrorfilmen und Kostümen zu gruseln, könnten wir uns in Zukunft ja zu Halloween von Wirtschaftsprognosen erschrecken lassen. Das restliche Jahr sollten wir den Fokus aber auch auf das wenden, was klappen kann – wenn man mutig genug ist.
Also: Wollen wir gemeinsam mutiger werden, liebe HR-Community?
