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Wie man den schnellen Abgang neuer Mitarbeiter verhindert

 

Werkbank im Hintergrund mit Schriftzug HR-Werkstatt im Vordergrund

 

Gerade erst hatte man eine vakante Stelle nach großem Aufwand mit der scheinbar idealen Person besetzt. Doch diese verlässt das Unternehmen noch vor Ende der Probezeit wieder. Was ist da los? Die HR-Werkstatt verrät, wie Sie dem Problem der Frühfluktuation beikommen.


Frage an die HR-Werkstatt: „Wie vermeiden wir Frühfluktuation unter unseren Neueinstellungen?“

Es antwortet: Christoph Athanas, HR-Berater spezialisiert auf Recruiting-Optimierung und Employer Branding

Sie kennen das? Groß war die Erleichterung, als endlich die Vertriebsstelle besetzt werden konnte und die neue Kollegin schließlich anfing. Die Vakanz hatte es viel zu lang gegeben und entsprechend hoch waren die Erwartungen an die Neue. Allerdings galt das auch umgekehrt. Der Arbeitgeber hatte nicht damit gegeizt zu berichten, wie wunderbar die Bedingungen, wie hilfsbereit Team und die direkte Führungskraft doch seien. Wie gut man mit seinen Lösungen am Markt unterwegs sei. Es klang alles so schön… Nur ein halbes Jahr später trennte man sich wieder voneinander. Ein gescheitertes Probehalbjahr, gegenseitige Missverständnisse und fehlgeleitete Erwartungen hatten ihre Wirkung getan. Ergebnis: Frühfluktuation und ein von New-Hire-Frust geprägter Kununu-Eintrag. Das muss besser gehen.

Damit Ihnen dieses Schicksal möglichst erspart bleibt, hier folgende Punkte für die Vermeidung von Frühfluktuation durch richtige Personalansprache, -auswahl und Onboarding.

Schritt 1: Realistisches Anforderungsprofil

Das ist schon fast ein Klassiker unter den Erfolgsfaktoren für nachhaltiges Recruiting. Doch ohne sinnvolles und realistisches Anforderungsprofil wird es schwierig, die passende Person zu finden und entsprechende Erwartungen zu formulieren. Checken Sie das Anforderungsprofil Ihrer Stellen durch: Was soll die Person tun in ihren Jobrollen? Welche Ziele gilt es zu erreichen? Wer kommt dafür infrage? Hier liegt bereits ein wichtiger Schlüssel für den Erfolg in den kommenden Schritten.

Schritt 2: Klarheit in Stellenausschreibung, Arbeitgeberdarstellung und Jobtitel

Eine klare und nachvollziehbare Sprache wird immer wieder in Stellenanzeigen gefordert. Völlig zu Recht! Sie rekrutieren viel eher wirklich passende Personen, wenn Aufgaben und Anforderungen im Jobpost ein hohes Maß an Klarheit aufweisen. Vermeiden Sie zum Beispiel Allgemeinplätze wie „flexibel“ oder „belastbar“. Wenn diese Skills wirklich gebraucht werden, ergänzen Sie das Adjektiv durch einen erklärenden Halbsatz wie: „Flexibel in der Zusammenarbeit mit Personen aus verschiedenen Hierarchieebenen und unterschiedlichen Arbeitskulturen“.

Machen Sie ebenso in der Arbeitgeberdarstellung klar, was bei Ihnen besonders beachtet und geachtet wird. Wenn Sie für eine ausgeprägte Leistungskultur stehen, versuchen Sie nicht, dies zu verschleiern. Auch bei Jobtiteln reden Sie Tacheles: Ein „Customer Happies Manager (m/w/d)“ der in Wahrheit Bestandskundenvertrieb machen soll, heißt besser „Vertriebsmanager (m/w/d)“ und so weiter.

Schritt 3: Auswahlentscheidungen systematisch treffen

Nicht wenige Arbeitgeber investieren ziemlich viel in die Auswahl neuer Kolleginnen und Kollegen. Sie führen mehrere Interviews und nutzen punktuell ergänzend Diagnostik. Das ist selbstverständlich sinnvoll. Allerdings wird trotz allem die finale Auswahlentscheidung doch nach Bauchgefühl und vorbei an aller Methodik getroffen. Dies passiert vor allem dann, wenn Ergebnisse nicht systematisch genutzt, dokumentiert und für eine schlussendliche Auswahl zusammengeführt werden.

Wichtig ist hierbei: Nutzen Sie Ihre Erkenntnisse zu einem Kandidaten immer so punktgenau wie möglich. Die Frage lautet: Hat die betreffende Person gute Erfolgsaussichten in der betreffenden Position? Was spricht dagegen? Sein Sie besonders kritisch in Fragen des Team- oder Cultural Fit. Hier kann kaum nachgesteuert werden. Beim Skill Set kann je nach Position – und ausreichende Grundbefähigung vorausgesetzt – eine entsprechende Einarbeitung und Entwicklung Sinn machen. Unterm Strich sollte gelten: Im Zweifel ist keine Besetzung besser als eine schlechte Besetzung. Bedenken Sie den sonst entstehenden Frust bei Kandidaten und Team, wenn es scheitert – und die Kosten.

Schritt 4: Stay in Touch

Sobald eine positive Entscheidung gefallen ist, sollte die rekrutierende Organisation in jedem Fall eine verantwortliche Person benennen, die mit dem kommenden Kollegen in Verbindung bleibt (ideal: aus der zukünftigen Fachabteilung). Gezielte Informationen für die Neuen können bereitgestellt oder es kann z.B. schon zu Team-Events eingeladen werden. Solches Verhalten zeigt nicht nur Wertschätzung. Die New Hires bereits vor dem offiziellen Eintrittstermin aktiv einzubeziehen hilft auch, Absprünge vor der Tätigkeitsaufnahme zu vermeiden. Ganz konkret gilt das besonders bei Azubi-Einstellungen, deren Antrittstermin oft noch Monate hin ist. In jenen Fällen sollten übrigens auch immer die Eltern einbezogen werden.

Schritt 5: Frühes Onboarding: Erste Tage, erste Wochen

„Welcome to the Jungle“ ist ein prima Song, aber ein Horror am ersten Arbeitstag. Wird eine Begrüßung vergessen, ist der Arbeitsplatz noch nicht eingerichtet oder gibt es niemanden, der sich um den neuen Mitarbeiter kümmert, führt dies regelmäßig zu einer sehr negativen Onboarding-Erfahrung. New Hires, die mit solchen negativen Impressionen den Job beginnen, haben laut unserer Candidate Journey Studie eine geringere Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber und es besteht eine deutlich höhere Gefahr für Frühfluktuation. Bedenken Sie: Es gibt keine zweite Chance für den ersten Eindruck. Daher: Erstellen Sie für jede Neueinstellung einen Onboarding-Plan mit klaren Verantwortlichkeiten bei den Kollegen und Terminen.

Schritt 6: Die direkte Führungskraft und das Team

Die direkte Führungskraft des New Hire spielt eine wesentliche Rolle für ein wertschätzendes und erfolgreiches Onboarding. Wird die Führungskraft nicht genügend aktiv und ist für den neuen Kollegen nicht greifbar, können Erwartungen an die Leistung der Neuen nicht klar kommuniziert werden. Rückfragen und Vermittlung von wichtigen Aspekten leiden und so gelangen die Neuen womöglich in die undankbare Situation raten zu müssen, was von ihnen verlangt wird.

Geben Sie sogleich Orientierung. Kommunizieren Sie als Führungskraft vom ersten Tag an mit dem neuen Mitarbeiter und binden Sie diese Person sofort nach Möglichkeit fachlich ein. Leider wissen wir aus der Studie, dass nur knapp jeder zweite New Hire zeitnah nach Jobbeginn ein Gespräch mit dem Vorgesetzten über Erwartungen und Ziele hatte.

Nicht zu unterschätzen ist auch die Rolle des Teams: Erfolgreiche Onboarder stellen Neuen gern eine Patin oder einen Paten aus dem Team zur Seite. Stärken Sie gleich zu Beginn das Wir-Gefühl. Hierfür ist zum Beispiel auch hilfreich, wenn die Neuen sich zunächst intern ein erstes eigenes Netzwerk aufbauen können. Bei Vertrieblern kann dies beispielsweise durch eine erste Onboarding-Woche in der Zentrale oder im Innendienst gelingen, bevor sie in den Außeneinsatz gehen.

Schritt 7: Arbeitsbedingungen

Neben dem zwischenmenschlichen Onboarding (Team) und der Einweisung in die wichtigsten Aufgaben und Ziele (insbesondere via Führungskraft), sollten natürlich auch die Arbeitsbedingungen den Erfolg neuer Kolleginnen und Kollegen bestmöglich unterstützen. Hier finden leider nicht selten unschöne Spiele mit den Erwartungen von Neueingestellten statt: Während diesen zum Beispiel noch im Bewerbungsverfahren erzählt wurde, wie flexibel die Arbeit im Unternehmen gehandhabt würde, finden sie nach dem Jobstart schnell raus, dass man sich Homeoffice in der konkreten Abteilung erst „verdienen“ muss. Solche Widersprüche in der Arbeitgeberkommunikation sind oft verheerend. Bleiben Sie in jedem Fall realistisch. Werben Sie nicht mit Bedingungen, die es nur fallweise gibt.

Schritt 8: Feedback

Feedback geben ist generell sehr wertvoll für Mitarbeiterbindung und zur Verbesserung von Prozessen. In den ersten Wochen und Monaten eines neuen Mitarbeiters sollte Feedback noch häufiger und gezielt auf die Situation der Einarbeitung hin stattfinden. Solche Gespräche können sowohl mit dem direkten Vorgesetzten als auch mit der Personalabteilung stattfinden. Wichtig hierbei: Nehmen Sie Anregungen der New Hires zeitnah auf und ernst, sonst verkommt das Feedback zu einer reinen Prozess-Robotik. So können Sie auch Ihr Onboarding-Instrumentarium stetig weiter verbessern.

Berücksichtigen Sie diese Punkte oder planen Sie solche und ähnliche Aktivitäten auszubauen? Sehr gut. Damit sollten Sie die Gefahr von Frühfluktuation deutlich reduzieren können. Gutes Gelingen!

✓ Werkstatt-Check: So hat Frühfluktuation keine Chance
Sorgen Sie für ein realistisches Anforderungsprofil. Meiden Sie es, Härten und besondere Herausforderungen „klein“ zu machen.
Formulieren Sie klar, was den Job ausmacht. Nutzen Sie dafür eindeutige
Stellentitel und beschreiben Sie auch sich als Arbeitgeber mit Ecken und
Kanten.
Treffen Sie systematische Personalauswahlentscheidungen: Stellen Sie nur
ein, wenn der Kandidat gute Erfolgsaussichten in der jeweiligen
Position hat.
Bleiben Sie nach der Jobzusage in Verbindung mit dem New Hire.
Organisieren Sie das Onboarding vom ersten Tag an über einen Plan. Benennen Sie darin Verantwortlichkeiten und Termine.
Geben Sie Raum, damit die Neuen schnell das Team kennenlernen können.
Die direkte Führungskraft führt in den ersten zwei Wochen ein Gespräch über Erwartungen und Ziele mit dem New Hire.
Stellen Sie Arbeitsbedingungen realistisch dar.
Holen Sie sich besonders in der Onboarding-Phase zeitnah und öfters
Feedback vom neuen Mitarbeiter. Reagieren Sie auf seine Anmerkungen.

 


+++ Weitere Wartungsfälle unserer HR-Werkstatt +++

– Teil I: Was kann ich als HR tun, wenn sich zwei Führungskräfte streiten?

– Teil II: Wie gehe ich mit Azubis um, die zu spät zur Arbeit erscheinen?

– Teil III: Wie man das Potenzial abgelehnter Bewerber und Initiativbewerber nutzen kann

 

Alle Folgen der HR-Werkstatt können Sie außerdem › hier nachlesen.

Übrigens: Wenn Sie eine Frage haben, die die HR-Werkstatt für Sie und andere Personaler klären soll, dann › schreiben Sie uns gerne. Wird selbstverständlich anonym abgehandelt.

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