„Working Out Loud ist eine einfache Methode, um relevante Arbeitsbeziehungen aufzubauen, die dabei helfen, ein Ziel zu erreichen oder neue Themen zu entdecken.“ So definiert John Stepper seine Bewegung hin zu einem offenen, selbstorganisierten und vernetzten Arbeiten. Für die Umsetzung werden so genannte Circles gegründet, für die sich jeder Interessent eintragen kann. Innerhalb von zwölf Wochen wird ein bestimmtes Thema in der Gruppe erarbeitet oder ein Problem gemeinsam gelöst.
Die Robert Bosch GmbH berichtet auf der Messe, dass bei ihnen schon eifrig gecircelt wird: „Ende 2015 haben sich 50 Leute gemeldet, inzwischen haben es schon mehr als 1200 Leute ausprobiert“, berichtet Katharina Krentz von der Initiative Working out Loud bei Bosch. Bei der Daimler AG gibt es die Circles seit 2016 – anfangs mit fünf Mitarbeitern. „Dazu haben wir eng mit Frau Krentz kooperiert“, berichtet Lukas Fütterer, Manager Employee Networking & Social Intranet bei Daimler. 300 Mitarbeiter sind gerade in Circles oder haben einen abgeschlossen. „Selbstorganisation war neu bei uns. Umso wichtiger ist es, auszustrahlen, dass diese Form der Kooperation gewollt ist“, so Fütterer.
Circlen soll das Silo-Denken aufbrechen
Thematisch hat der Circle nicht unbedingt etwas mit dem Beruf zu tun. Eine Gruppe von fünf Leuten arbeitet an einer Agenda mit einem ganz persönlichen Ziel: „Vielleicht will die Gruppe wissen, wie Werkscontrolling in einem anderen Geschäftsbereich, Unternehmen oder Land durchgeführt wird“, gibt Krentz ein Beispiel, „oder jemand will besser moderieren können.“
So wird in den Circles oft neues Wissen generiert, das im Moment noch keine große Rolle spielt. Sabine Kluge, Chief Relationship Enabler der Kluge Consulting, ergänzt: „Wir stehen am Anfang einer Entwicklung, bei der Individuen sich nicht mehr davon abhalten lassen, das zu lernen, was sie für wichtig halten.“ Das heißt: Unternehmen, die Circles einführen und fördern, schränken ihre Personaler in ihren Befugnissen ein. Dieser Machtverlust gefällt nicht jedem. Deshalb müssen HR-Mitarbeiter unbedingt in die Circles eingebunden werden.
Organisatorisch ist das kein Problem, denn Circles funktionieren abteilungs- und hierarchieübergreifend. Wenn die Personaler den Mehrwert für sich erkennen, nämlich eigene Themen zu erarbeiten, für die sie sonst keine Zeit oder Unterstützung durch eine Community haben, stehen sie Circles positiv gegenüber, so die Erfahrung der Redner. Auch Vorstände haben was davon: „Sie circeln mit Leuten, die mehrere Hierarchiestufen entfernt sind. So wissen sie, was an der Peripherie passiert“, so Kluge.
Judith Muster von Metaplan wirft bei der Diskussion aber auch einen kritischen Blick auf die Circles: „Es gibt nach wie vor Silodenken, Machtkämpfe und Formalstrukturen. Man verlagert das Problem auf die Personalebene, anstatt die Organisationsstrukturen zu verändern.“ Dann sollen Gruppen mit fünf Leuten das schaffen, was in der Hierarchie nicht möglich war. „Diejenigen, die die Strukturen vorgeben, soll man nicht aus der Verantwortung nehmen“, fordert sie.
Zudem sei eine Organisation nicht dazu gebaut, cross-funktional zu arbeiten und zu lernen. Im Gegenteil: Arbeitsteilung ist die Regel. „Ich glaube nicht, dass Hierarchien ausgehebelt werden, aber es besteht die Gefahr, dass die Organisation die Projekte einkassiert und eine Schau-Veranstaltung draus macht.“ Wenn jedoch Netzwerker zu formalen Akteuren werden, ließe sich die Bewegung nicht mehr wegkehren.