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Round Table: Plötzlich im Mittelpunkt

Mit
Hygienekonzepten, Kontaktnachverfolgung und Homeoffice ist ein Bereich in den
Fokus geraten, der sonst eher unbemerkt agiert: Zutrittskontrolle,
Zeiterfassung und Besuchermanagement. Fünf Experten diskutierten mit uns über
die Herausforderungen in Corona-Zeiten.

Teilnehmer des Round Tables.
Der Round Table Zeit & Zutritt fand virtuell statt. Foto: Screenshot der Veranstaltung

Wärmebildkameras
am Eingang zum Büro, Listen zur Vermeidung von überbelegten Räumen, Aufrufe zur
Arbeit im Homeoffice und Zutritt zum Supermarkt nur mit abgezählten Einkaufswagen
– es gibt viele Wege, wie Unternehmen in der Corona-Pandemie versucht haben, Hygienevorschriften
ein- und Infektionsketten kurzzuhalten. Manche davon sind improvisiert und
fehleranfällig, andere sind technologisch auf dem neuesten Stand, aber
möglicherweise nach Corona ohne Daseinsberechtigung. Manche werfen Fragen nach Datenschutz
und Persönlichkeitsrechten auf, andere nach ihrer Effektivität in der
Erreichung der gewünschten Ziele. Allen gemein ist, dass sie ein Thema der
HR-Arbeit plötzlich in den Mittelpunkt gerückt haben, das sonst eher im
Verborgenen wirkt: Zeiterfassung, Zutrittskontrolle, Besuchermanagement und
Workforce Planning. Die Personalwirtschaft hat sich daher mit Vertretern der
Branche unterhalten, wie sie das vergangene Jahr erlebt haben, wie
Zeiterfassung im Homeoffice funktionieren kann, wie digitale Lösungen die
Effizienz erhöhen und warum künstliche Intelligenz in der HR-Welt trotz allem
noch wenige Anwendungsfelder bietet.

›› Eine Bilderstrecke mit den wichtigsten Zitaten der
Round-Table-Teilnehmenden finden Sie ›hier.

Der Round Table und seine
Experten

Für ausgewählte
aktuelle Themen holt sich die Personalwirtschaft Experten und Expertinnen an
einen Tisch, um mit diesen Trend, den Markt und die Bedürfnisse von HR zu
diskutieren. Die Expertenrunde Zeit & Zutritt (die in Anbetracht der
aktuellen Situation als Videokonferenz stattfand) wurde von Armin Häberle,
Herausgeber der Personalwirtschaft,
moderiert. Hier die Experten:

  • Daniel Berning, Leiter Produktmanagement,
    PCS Systemtechnik GmbH
  • Wolfgang Blender, Produktmanager Markt/Workforce Management, dormakaba
    Deutschland GmbH
  • Sven Däberitz, Vorstand, IntraKey technologies AG
  • Alexander
    Kern
    ,
    Niederlassungsleiter, Veda Zeit GmbH
  • Mischa
    Wittek
    ,
    Vertriebsleiter, GFOS mbH

Personalwirtschaft:
Lieber Herr Berning, wir blicken zurück auf ziemlich genau ein Jahr Corona. Wie
haben Sie das vergangene Jahr erlebt?

Daniel Berning:
Wir
hatten wirtschaftlich gesehen tatsächlich ein sehr stabiles Jahr. Man hat
gemerkt, dass unsere Hardware und Software an allen Ecken und Enden gebraucht
wurde, um Hygienekonzepte vor allem in der Industrie, bei Pharma- und
Chemieunternehmen effektiv umzusetzen. Andere Branchen, wie die Gastronomie und
generell kleine Unternehmen unter 200 Mitarbeitenden, haben dagegen deutlich
weniger investiert. Parallel dazu ist auffällig, dass die Planungshorizonte
immer kürzer werden. Kunden überlegen lange, ob sie etwas anschaffen – und
wollen es dann aber am besten sofort. Gerade in der Hochphase der Pandemie war
das besonders ausgeprägt.

Wolfgang Blender:
Unsere
HR- und IT-Verantwortlichen sind vertraut mit den Themen Zeitwirtschaft und
Zutrittsmanagement. Für uns alle kommt jetzt neu hinzu die Gesunderhaltung und
Infektionsschutz. Gerade beim Handel haben wir hier einen hohen
Investitionsbedarf gesehen. Dabei fällt auf, wie unterschiedlich einzelne
Unternehmen reagiert haben. Der eine setzt auf eine moderne Lösung, die – wie
unsere Systeme – Zugangsberechtigung, Fiebermessung, Maskenkontrolle und
automatische Zählung der Zu- und Abgänge in einen Raum verbinden – ein anderer
versucht mit fünf verschiedenen Teillösungen und „Zettelwirtschaft“
klarzukommen. Diese Varianz in ein und derselben Branche ist schon
bemerkenswert.

Herr Däberitz, Ihre Systeme sind nicht zuletzt viel bei Hochschulen im
Einsatz. Wie haben Sie 2020 erlebt?

Sven Däberitz: Im ersten Lockdown mussten wir tatsächlich Kurzarbeit
anmelden, weil viele unserer Techniker ironischerweise keinen Zutritt zu
unseren Kunden hatten. Aber am Ende war es das umsatzstärkste Jahr unserer
Firmengeschichte – Sie können sich also vorstellen, wie arbeitsintensiv die
zweite Jahreshälfte war. Vor allem beim Thema mobile Zeiterfassung per App
haben wir einen enormen Wandel festgestellt. Die seit Jahren teilweise schon
fast ideologische Abwehrhaltung wurde jetzt endlich weitgehend abgelegt. Viele
unserer Kunden sind jetzt offen für Lösungen, die wir und andere Anbieter schon
seit langem im Angebot haben. 

Mischa Wittek: Auch unser Jahr
2020 war unternehmerisch gut, aber körperlich und emotional nichtsdestotrotz
für uns alle sehr anstrengend. Corona war ohne Frage ein Treiber für viele
digitale Projekte, die teilweise längst überfällig waren; aber wir spüren doch
auch einen Zug zurück ins Büro, wo persönlicher Austausch möglich ist und professionelle
Arbeitsumgebungen geboten werden. Die Frage, die sich daraus vor allem für die
HR-Abteilungen ableitet, ist: Wie gestalten wir die Arbeit von morgen, mit dem
Besten aus beiden Welten?

Alexander Kern:
Da
schließe ich mich an. Technologisch sehen wir, dass die Digitalisierung von
Arbeitsprozessen rasant voranschreitet und dass viele manuelle oder analoge
Prozesse künftig digital abgebildet werden müssen. Unsere gesamte Branche
stellt schon seit langer Zeit Lösungen bereit, die jetzt erst recht nachgefragt
werden; gleichzeitig sehen wir, dass die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit
immer mehr verschwimmen und dass der Entwurf für das Mobile-Arbeit-Gesetz von
der Realität schon jetzt überholt wurde. Aus einer neuen Arbeitswelt entstehen
auch ganz neue Anforderungen der Mitarbeitenden an den Arbeitgeber.

Däberitz: Wir hatten im
vergangenen Jahr – trotz der jederzeit sehr guten Auftragslage – beispielsweise
eine höhere Fluktuation als jemals zuvor. Man merkt einfach, wie Lockdown, Homeoffice,
Unsicherheit und Mehrfachbelastung die Mitarbeitenden fordern. Das spüren wir
genauso wie unsere Kunden.

Homeoffice und Lockdown sind gute Stichworte. Viele Unternehmen mussten und
müssen improvisieren. Welche Folgen hat das aus Ihrer Sicht für sensible Themen
wie den Datenschutz und betriebliche Mitbestimmung?

Kern: Wir haben festgestellt, dass kein einziges Projekt am Widerstand eines
Betriebsrats gescheitert ist, sondern man meistens sehr schnell und sehr
pragmatisch gemeinsame Lösungen gefunden hat.

Wittek: Ich würde sogar
sagen, dass Corona die Menschen – trotz Social Distancing – vielerorts wieder
mehr zusammengebracht hat. Durch Rückbesinnung auf das Wesentliche, durch
gemeinsame Überwindung dieser außergewöhnlichen Herausforderung. Gerade die
Mitarbeitervertretungen und die Unternehmen haben in der akuten Phase außergewöhnlich
konstruktiv zusammengearbeitet.

Däberitz: An manchen
Stellen wurde der Datenschutz eher großzügig oder sogar sorglos gehandhabt, man
denke nur an die Papierbögen zur Kontaktnachverfolgung in Restaurants. Aber
auch in so manchem Unternehmen war ähnliches zu beobachten.

Kern: Das stimmt – es
wurden aber inzwischen vielerorts saubere, sichere und datenschutzkonforme
Lösungen nachgearbeitet. Das stimmt mich persönlich positiv, dass deutsche
Unternehmen den Spagat beherrschen, im Notfall pragmatisch zu handeln und doch
Arbeitnehmer- und Persönlichkeitsrechten Rechnung zu tragen und diese zu
erfüllen.

Blender: Datenschutz ist
aber nicht nur in Bezug auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern auch auf
Besucher von zentraler Bedeutung. Besuchervoranmeldung, Zutrittsmanagement und
Datenschutz gehören zusammen und werden immer wichtiger. Besuchermanagement ist
die Visitenkarte jedes Unternehmens – der sprichwörtliche erste Eindruck, für
den es keine zweite Chance gibt. Seit Corona sind Besuche gleich welcher Art
nur eingeschränkt möglich und zukünftig wird es wahrscheinlich je nach
Infektionslage wichtig sein, dass man Infektionsketten nachvollziehen kann.
Dazu muss man wissen , wer wann wo im Unternehmen war – dafür sind Zutritts-
und Besuchermanagementsysteme unabdingbar. Der Datenschutz muss hierbei in
jeder Phase gewährleistet sein, die Daten DSGVO-konform erfasst, verarbeitet
und auch wieder gelöscht werden.

Ist Pragmatismus gepaart mit ständiger Weiterentwicklung schon fast so
etwas wie eine zentrale Botschaft an die HR-Abteilungen?

Berning: Absolut. Genau
jetzt ist der Moment gekommen, mit den Erfahrungen aus der Krise noch bessere
Lösungen für die Zeit nach Corona anzugehen. In vielen Bereichen dominiert noch
immer die zuvor genannte Zettelwirtschaft. Das Besuchermanagement könnte in
vielen Organisationen effizienter, sicherer und transparenter ablaufen, und die
Digitalisierung ermöglicht es längst, zum Beispiel bei Bauprojekten die Zahl
der physischen Begehungen, Planungsmeetings und so weiter deutlich zu
reduzieren.

Däberitz: Ich bin
skeptisch, wie viele der 2020 getätigten Investitionen in den kommenden Jahren
überhaupt noch eingesetzt werden und zu welchem Zweck. Viele Unternehmen und
Institutionen haben teilweise kräftig investiert in Equipment, das
wahrscheinlich kaum noch gebraucht wird, sobald die Pandemie überwunden ist –
denken Sie an automatische Fiebermessung und Maskenkontrolle. Wir raten unseren
Kunden zu Komponenten, die später auch für andere Zwecke verwendbar sind, zum
Beispiel Chipkartenleser für die Zutrittskontrolle oder mobile Terminals für
die Erfassung von Belegungsquoten in Räumen.

Nochmal zurück
zum Homeoffice. Wie bekommt man die Arbeit am heimischen Schreibtisch, Zeiterfassung
und Datenschutz unter einen Hut?

Blender: Hier möchte ich
das Stichwort der Fürsorgepflicht aufgreifen, das Herr Kern vorhin benutzt hat.
Gerade wenn Arbeit und Privatleben verschwimmen, merkt man oft gar nicht, wie
viel man wirklich arbeitet. Und ich würde behaupten, dass gerade
Vertrauensarbeitszeit – vorsichtig formuliert – in den allermeisten Fällen,
vorteilhaft für den Arbeitgeber ausfällt. Hier müssen wir auch und gerade in
Homeoffice-Konstellationen jene Arbeitnehmer schützen, die entweder Zeit und
Maß komplett aus den Augen verlieren oder die vielleicht keine positive Energie
aus ihrer Arbeit ziehen und damit unter der Entgrenzung von Arbeit und
Privatleben besonders leiden.

Wittek: Das
Arbeitszeitgesetz passt schon lange nicht mehr in die Zeit. Wer kann
beispielsweise die geforderten Ruhezeiten durchgängig einhalten – gerade wenn
sich in flexiblen Arbeitsmodellen die Arbeit manchmal in den Abend verlagert?
Umgekehrt gilt: Die Forderung nach Zeiterfassung ist alt, seit Corona aber ist
die Verbreitung und Akzeptanz von mobilen Zeiterfassungen erheblich gestiegen
und damit auch die Chance, erstmals außerhalb der Betriebsstätten Arbeitszeit
tatsächlich halbwegs realistisch zu dokumentieren.

Kern: Zeiterfassung
und autonome, flexible Arbeitsmodelle – Stichwort „New Work“ – stehen sich
nicht konträr gegenüber. Vielmehr ist moderne, mobile Zeiterfassung mit hohem
Self-Service-Grad die Grundlage dafür, dass in der individuellen Ausgestaltung
der Arbeitszeit mehr Autonomie gewährt werden kann. Es ist die konsequente
Abkehr vom Präsentismus hin zu einer selbstbestimmteren Lebens- und Arbeitsweise,
die auf Ergebnisse schaut, nicht auf Büroanwesenheiten.

Berning: In vielen
Branchen, von der produzierenden Industrie über Chemie, Pharma und
Gesundheitswesen bis hin zu Bau oder Logistik, ist Zeiterfassung zudem die
Basis von Planung. Komplexe Abläufe können nur effizient gestaltet werden, wenn
die richtige Zahl an Mitarbeitenden zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort
ist. Das wird auch weiterhin so bleiben. Daher sehe auch keinerlei Anzeichen
dafür, dass Zeiterfassung weniger nachgefragt würde, sondern eher sogar mehr –
und zwar mobil, digital, automatisch und damit zeitgemäß.

Damit sind wir beim letzten Punkt. Wenn man von Daten spricht, ist die
Cloud nicht weit. Was ist aus Ihrer Sicht das ideale Betreibermodell für die
hier diskutierten Systeme?

Kern: Grundsätzlich geht natürlich weiterhin alles – auf den eigenen Rechnern
des Kunden genauso wie in der Cloud. Aber klar ist: die Cloud ist da. Sie ist
längst in vielen Unternehmen Realität. Noch vor zwei Jahren war die Haltung zur
Cloud von vielen zögerlicher, inzwischen sind die Anfragen zur Cloudlösung klar
in der Überzahl und am Markt im Trend. Und wenn Kunden nicht nur die Software
und das Hosting der Daten, sondern auch den Service als Komplettpaket nehmen,
ist man de facto beim vollumfänglichen Business Process Outsourcing. Bei
Payroll-Prozessen kennen wir das längst und viele Unternehmen schätzen dieses
vollumfängliche Outsourcing. Voraussetzung hierfür ist eine übergreifende
Self-Service-Plattform, so dass jeder Mitarbeiter aktiv beteiligt wird und Outsourcinganbieter
sich voll auf die Partnerschaft mit dem internen HR konzentrieren können.

Wittek: Und, weil diese Fragen immer kommen: Ja, es ist selbstverständlich, dass
diese Daten auch in der Cloud auf deutschen oder europäischen Servern
gespeichert und verarbeitet werden und dort absolut sicher sind.

›› Eine Bilderstrecke mit den wichtigsten Zitaten der
Round-Table-Teilnehmenden finden Sie ›hier.