Viele Führungskräfte sind unsicher, wenn es darum geht, Emotionen am Arbeitsplatz zu zeigen. Sie haben Angst, schwach zu wirken oder die eigene Autorität zu untergraben. Gleichzeitig fordern Mitarbeitende Empathie und Authentizität von ihnen. Der Umgang mit Emotionen am Arbeitsplatz ist folglich ein Balance-Akt – vor allem für Führungskräfte. Wann und wie sollten sie ihre Emotionen im Arbeitskontext zeigen und wann lieber zurückhalten? Und was sollten Führungskräfte tun, wenn sie mit Situationen selbst emotional überfordert sind?
Die Rolle von Emotionen am Arbeitsplatz
Nicht selten sprechen Führungskräfte als allerletzte ehrlich darüber, wie es ihnen wirklich geht. Oftmals springen Chefinnen und Chefs stattdessen in den „Funktionier-Modus” und versuchen aufkommende Gefühle herunterzuschlucken. Dabei sind Emotionen wichtige Signalgeber für unsere Bedürfnisse und können uns sogar zu besseren Führungskräften machen, wenn wir sie richtig nutzen.
Unsere Emotionen sind entscheidend, um Informationen und Situationen zu verarbeiten und uns über unsere Bedürfnisse bewusst zu werden. So helfen uns zum Beispiel starke emotionale Reaktionen zu erkennen, dass etwas wichtig ist oder unsere Aufmerksamkeit erfordert. Emotionen beeinflussen auch, was wir uns merken und wie gut wir uns erinnern können. Emotionale Ereignisse werden oft intensiver und länger gespeichert als neutrale Ereignisse.
Neben einer intensiveren Wahrnehmung aktivieren uns Emotionen auch zum Handeln. Sie liefern uns wichtige Informationen darüber, wie wir über bestimmte Optionen denken und fühlen, und beeinflussen unsere Bewertungen und Präferenzen. Werden wir wütend, kann das zum Beispiel ein Signal sein, dass unsere Grenzen überschritten wurden. Das veranlasst uns im besten Fall, unsere Grenzen klar zu kommunizieren.
Gefühle helfen einem nicht nur, in Kontakt mit sich selbst zu kommen, Prioritäten zu setzen und mit einer gewissen Integrität zu handeln, sie dienen uns auch dabei, Beziehungen mit anderen Menschen aufzubauen. Sie ermöglichen, die Gefühle und Absichten anderer zu verstehen und darauf zu reagieren. Das stärkt unsere emotionale Bindung mit dem Gegenüber und ermöglicht eine gute Zusammenarbeit, was wiederum einen direkten positiven Einfluss auf das Wohlbefinden und die Produktivität des Teams hat. Wer als Führungskraft folglich ein gutes Emotionsmanagement betreibt, kann ein gesundes, emotionales Klima am Arbeitsplatz fördern.
Wie machen uns Emotionen zur besseren Führungskraft?
Bessere Beziehungen
Emotionen sind die Basis für zwischenmenschliche Beziehungen. Je ganzheitlicher wir uns zeigen, umso stabiler sind die Bindungen, die wir mit anderen formen. Das gilt auch für die Beziehungen mit unseren Mitarbeitenden.
Mehr Authentizität
Indem wir unsere Emotionen teilen, wirken wir authentischer. Diese Authentizität schafft Vertrauen im Team. Ein angemessener Umgang mit unseren Gefühlen eröffnet uns zudem die Möglichkeit, eigene Stärken und Schwächen besser zu verstehen und anzuerkennen. Dieses Bewusstsein versetzt uns in die Lage, flexibler auf Veränderungen zu reagieren.
Emotionale Intelligenz
Mit einem starken Einfühlungsvermögen und einem klugen Umgang mit unseren Gefühlen sowie denen anderer fällt es uns meist leichter, Feedback zu geben, andere abzuholen und Konflikte zu lösen. Unsere Kommunikation verbessert sich, weil wir die Motivationen, Erwartungen und Standpunkte – sowohl unsere eigenen als auch die der anderen – besser verstehen und klarer ausdrücken können.
Wie viele Emotionen dürfen Führungskräfte zeigen?
So sinnvoll Emotionen im Arbeitskontext auch sind: Das eigene Team ist nicht der Freundeskreis, in dem man allen Emotionen freien Lauf lassen kann. Auch ist es nicht gut, als Führungskraft die „Kontrolle” über die eigenen Emotionen zu verlieren und sie am Team herauszulassen, indem man beispielsweise Mitarbeitende anschreit. Mit diesem Verhalten setzt man falsche Standards im Team und verursacht Vertrauensverluste. Gleichzeitig eröffnet man viele Möglichkeiten der Interpretation, wenn man gar keine Gefühle zeigt.
Es gilt also, eine Balance zwischen Alles und Nichts zu finden. Führungskräfte sollten ihre Emotionen nicht ungefiltert nach außen lassen, sie aber auch nicht verstecken. Die Lösung: Führungskräfte können die eigenen Emotionen wahrnehmen, um dann bewusst zu entscheiden, ob sie mit oder gegen die jeweiligen Emotionen handeln möchten. Diese Fähigkeit erlaubt es, angemessene Reaktionen abzuleiten und auf eine Weise zu agieren, die den eigenen langfristigen Werten und Zielen entspricht.
Wie können wir einen guten Umgang mit Emotionen erlernen?
Die gute Nachricht ist, Emotionsmanagement und empathische Führung kann man lernen. Folgende drei Schritte können dabei helfen:
Achtsamkeit praktizieren
Um die eigenen Emotionen bewusster wahrzunehmen und sie zu akzeptieren, anstatt sie zu unterdrücken oder zu ignorieren, können wir Achtsamkeit praktizieren. Das geht beispielsweise durch regelmäßiges Meditieren, bewusste Atemübungen oder das Führen eines Tagebuchs, in dem wir unsere Gedanken und Gefühle festhalten. Diese Praktiken ermöglichen es uns, einen Schritt zurückzutreten und unsere emotionalen Zustände aus einer objektiven Perspektive zu betrachten.
Selbstreflexion
Wer empathischer werden möchte, sollte sich regelmäßig reflektieren. Nehmen wir uns Zeit, das eigene Verhalten, die Gedanken und Gefühle bewusst zu betrachten, erlangen wir ein tieferes Verständnis für uns selbst. Dieser Prozess hilft, nicht nur unsere eigenen emotionalen Reaktionen besser zu verstehen, sondern auch die Perspektiven und Emotionen anderer nachzuvollziehen.
Emotionsregulation
Unsere Emotionen zu regulieren heißt, sie zu erkennen und zu spüren, innezuhalten, sie zu akzeptieren und schließlich zu entscheiden, welche Reaktion in dieser Situation angemessen und förderlich ist. Hierbei ist es hilfreich, sich folgende Fragen zu stellen:
- Ist meine Handlungsidee kurz- und langfristig sinnvoll?
- Passt sie zu meinen Werten und Zielen?
- Bekomme ich dadurch, was ich brauche?
Und was tun in SOS-Situationen?
Wenn wir uns emotional überfordert fühlen, ist es sinnvoll, die Situation zu verlassen oder eine Pause einzulegen. Während dieser Auszeit kann eine kurze Atemübung helfen oder ein Ventil wie das Schreien in ein Kissen oder das Aufschreiben unserer Gefühle in einer Nachricht an uns selbst, um den Emotionen Raum zu geben. Hilfreich ist es auch, sich daran zu erinnern, dass Emotionen temporär sind.
Indem wir am Arbeitsplatz authentisch auftreten und Emotionen Raum geben, sind in der Regel nicht nur wir, sondern auch unsere Teams zufriedener und produktiver. Durch bewusstes Emotionsmanagement und empathische Führung fördern wir eine vertrauensvolle und gesunde Arbeitsumgebung. Diese Kompetenzen können wir erlernen und mit regelmäßiger Übung in unseren Arbeitsalltag integrieren.
